Rechte Parteien und Klimapolitik: Europas Rechte gegen das Klima
AfD-Kandidatin Alice Weidel will „Windräder niederreißen“. Aber wie sieht es bei anderen Rechten aus? taz-Korrespondent:innen zur Lage in ihren Ländern.
Vive la Landwirtschaft
Frankreichs extreme Rechte passt sich populistisch dem Trend ihrer Wählerschaft an. Und in diesen Kreisen wächst die Zahl der Klimaskeptiker. Laut einer Studie der NGO „Parlons climat“ („Reden wir vom Klima“) sind sie in Frankreich immer zahlreicher und unter den Anhängern von Marine Le Pen besonders stark vertreten. Zwar hat der junge Parteichef, Jordan Bardella, mehrfach versichert, wie wichtig der Arten- und Umweltschutz für das Rassemblement National (RN) sei. Wenn es aber um ganz konkrete Maßnahmen geht, und erste recht um die multilateralen, die auch für Frankreich bindend wären, ändert sich seine Rhetorik.
Als Lösung für die Klimaerwärmung und Energiewende setzt die extreme Rechte in Frankreich auf den Ausbau der Atomenergie als Priorität einer nationalen Unabhängigkeit. Alles, was mehr oder weniger einschneidende Folgen für den Massenkonsum im Alltag seiner Wähler*innen und für die industriellen und intensiven landwirtschaftlichen Produktionsformen hätte, stößt beim RN auf Ablehnung. Etwa das Verbot von Agrarpestiziden oder die Begrenzung der Methan- und Kohlendioxydausstoßwerte.
Im Wahlkampf spielt die Klimakrise keine große Rolle. Dabei schreitet die Erderhitzung weiter voran. Die taz schaut in dieser Woche dahin, wo es brennt. Alle Texte zum Thema finden Sie hier.
Da die ländliche Bevölkerung besonders stark RN wählt, unterstützt die Partei von Le Pen und Bardella – gern in der Rolle eines Freunds der einheimischen Bauern – auch im EU-Parlament praktisch alles, was in die Richtung der Agrarlobby geht, aber dem Umwelt- und Klimaschutz zuwiderläuft. (Rudolf Balmer, Paris)
Braune Deals in Brüssel
Klimaschutz hat in Brüssel keine Priorität mehr. Der 2019 verkündete „European Green Deal“ beherrscht nicht mehr die Agenda. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will ihn zu einem industrienahen „Clean Industrial Deal“ ummodeln – und macht dabei auch schon mal gemeinsame Sache mit Rechtskonservativen und Rechtsradikalen. Beim Waldschutz haben CDU/CSU sogar mit der AfD gestimmt.
Während von der Leyen und ihre Anhänger versuchen, dem Green Deal die angebliche industriefeindlichen Spitzen zu nehmen, geht es den Rechtsradikalen um etwas ganz anderes: Sie wollen einen Rollback: Der Green Deal soll rückabgewickelt werden.
Und nicht nur dort versuchen die AfD und die europäischen „Patrioten“ – so heißt die größte rechtsradikale Fraktion in der Straßburger Kammer – klimapolitische Vorhaben zu verhindern. Erst haben sie sich auf das „Verbrennerverbot“ eingeschossen und behauptet, das Ende der europäischen Autoindustrie sei nahe. Dann kam der Kampf gegen das EU-Gesetz zur Renaturierung – mit massiven Falschbehauptungen. Zuletzt haben sie versucht, den Schutz der Wälder aufzuweichen und die Entwaldungsverordnung auszuhöhlen.
Doch das ist ihnen nicht gelungen. Am Ende wurde die EU-Verordnung für „entwaldungsfreie Lieferketten“ doch angenommen. Die Rechten feiern dennoch einen Erfolg – denn die Umsetzung wurde um ein Jahr aufgeschoben. (Eric Bonse, Brüssel)
Ungarn setzt auf Uran
Ungarn hat sich zwar zur Einhaltung der EU-Klimaziele verpflichtet, wettert gleichwohl aber immer wieder dagegen. Auch die Politik ist widersprüchlich: Während Ungarn beim Ausbau der Solarenergie zu den EU-Spitzenreitern aufgestiegen ist, wurde die Windkraft durch strenge Abstandsregeln praktisch zum Stillstand gebracht.
Die Energiestrategie des Landes setzt vor allem auf Atomkraft, die bereits heute rund die Hälfte des ungarischen Stroms liefert. Auch an der engen Energiepartnerschaft mit Russland will Budapest festhalten. Orbáns Hauptargument im wirtschaftlich zurzeit angeschlagenen Ungarn: Er werde keine zusätzlichen Kosten für die Bevölkerung akzeptieren. (Florian Bayer, Wien)
Meloni immerhin keine Klimaleugnerin
Nein, Giorgia Meloni zählt nicht zu jenen Rechten, die den Klimawandel rundheraus abstreiten – auch wenn ihr Koalitionspartner Matteo Salvini von der Lega noch im Juli 2023 angesichts von Temperaturen bis zu 40 Grad zum Besten gab, es sei „heiß wie immer, es ist Sommer“.
Solche Behauptungen stellt Italiens Ministerpräsidentin und Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia nicht auf, doch übertriebenem Klimaschutz kann sie nichts abgewinnen. Regelmäßig wettert sie gegen die „Green-Ideology“, und auch im letzten Europawahlkampf 2024 zog sie gegen den von der EU verabschiedeten Green Deal zu Felde. Mit den zu ehrgeizigen Umweltzielen Europas werde Italiens Industrie den Kahlschlag erleben, und „in der Wüste gedeiht kein Grün“, schlussfolgert Meloni.
Mit der Wüste meint sie allerdings nicht Sizilien, das eine beispiellose Dürreperiode erlebt, sondern den drohenden Niedergang des Wirtschaftsstandorts Italien. Deshalb will ihre Regierung unbedingt raus aus dem Aus für Verbrennermotoren bis zum Jahr 2035 und fordert stattdessen einen „technologieneutralen“ Ansatz, der auch auf Biokraftstoffe setzt.
Auch bewegt Italiens Rechtsregierung sich auf dem Feld der Gebäude-Energieeffizienz so gut wie gar nicht. Stattdessen predigt Meloni eine Zukunft, in der die abgeschaltete Kernenergie wieder zum Zuge kommen soll, denn schließlich könnten Kernfusionstechnologien „unbegrenzt saubere, sichere Energie produzieren“. (Michael Braun, Rom)
Will Nigel Farage jetzt fracken?
Im nun labourregierten Vereinigten Königreich blieb Claire Coutinho, die ehemalige konservative Energieministerin unter Rishi Sunak, „Schattenministerin“ für Energie in der derzeitigen Opposition. Sie beschrieb wiederholt erneuerbare Energie als die teure Option, mit Windenergie als der teuersten, und plädiert für den Ausbau von Atomenergie, inklusive kleinerer AKWs und dem Verbrennen von Gas aus den „eigenen“ Ressourcen. Ein Bild, das nicht ganz stimmt, denn selbst einheimische Rohstoffe werden immer auch an den globalen Markt verkauft. Am Ziel der Klimaneutralität bis 2050 hielt die letzte Tories-Regierung fest.
Auch der Rechtspopulist Nigel Farage sagte der BBC im Dezember: „Wollen wir gute Energie, saubere Energie? Sind wir um die Umwelt besorgt? Ja. Ja. Ja. Wir wollen all diese Dinge!“ Gleichzeitig ist seine Partei nur an Windenergie interessiert, wenn sie sich selbst finanzieren kann. Reform UK plädiert für mehr Bäume und weniger Einmalplastik.
Anderseits wollen sie sich nicht „durch nicht erreichbare und nicht bezahlbare globale CO₂-Ziele in Armut stürzen“. Man will Gas- und Ölförderung aus der Nordsee ausbauen, auch die Förderung von Schiefergas durch Fracking erwägen. Reform UK ist des Weiteren an vielen kleinen AKWs interessiert und „sauberer“, britischer Kohlegewinnung. Außerdem wollen sie „ethische“ Lithiumförderung für Batterien, sind aber auch für Gezeitenenergiekraftwerke. (Daniel Zylbersztajn-Lewandowski, London)
Neoliberal in Norwegen
In Norwegen fährt die Fortschrittspartei (FrP) klimapolitisch gerade die Strategie der pseudoseriösen Skepsis: Parteichefin Sylvi Listhaug sagte kürzlich im norwegischen Fernsehen erst auf mehrfaches Nachfragen, es gäbe Forschung, die darauf hindeuten könnte, dass der Klimawandel menschengemacht sei. Mit Betonung auf „könnte“. Anlass für die Frage waren Behauptungen aus dem Parteiprogramm, wonach die natürlichen Einflüsse auf Klimaveränderungen noch zu wenig erforscht seien.
Die Partei mit ihrer Mischung aus Rechtspopulismus und Neoliberalismus ist in Norwegen längst Teil des politischen Establishments – mit gut sechs Jahren Regierungserfahrung bis 2020, unter anderem zusammen mit der bürgerlich-konservativen Partei Høyre.
Dieses Jahr wird in Norwegen gewählt, und in Umfragen lag FrP zwischenzeitlich mit gut 20 Prozent Stimmenanteil an erster Stelle, zuletzt nur knapp überholt vom alten Koalitionspartner Høyre. Eine erneute Regierungsbeteiligung ist alles andere als undenkbar.
In ihrem Klimaprogramm nutzt die Partei ihre Falschbehauptung über fehlende Klimaforschung für die klassisch rechte Forderung, dass Klimaschutzmaßnahmen nicht zu sinnlosen Verboten und Einschränkungen führen dürften. Sie nennt den Kauf von Auslandsquoten als Mittel. Und sie argumentiert, wenn in Norwegens Industrie von Gas auf nachhaltigen Strom umgestellt werde, würde das Gas – das die Partei im Übrigen als klimafreundlich ansieht – anderswo verbrannt. FrP ist, wenig überraschend, Gegner der Windkraft. Allein regieren wird die Partei, wenn überhaupt, allerdings nicht. (Anne Diekhoff, Härnösand)
Kein neuer Wind in Kärnten
„Soll zum Schutz der Kärntner Natur die Errichtung weiterer Windkraftanlagen auf Bergen und Almen in Kärnten landesgesetzlich verboten werden?“ Mit dieser suggestiv formulierten Frage initiierte die FPÖ eine Volksbefragung im südlichsten österreichischen Bundesland. Eine knappe Mehrheit stimmte letzten Sonntag für das Verbot. Das Ergebnis bedeutet einen weiteren Rückschlag für die ohnehin schwach entwickelte Windkraft und spiegelt die klimapolitische Linie der FPÖ wider, die wohl die neue Bundesregierung mit der ÖVP anführen wird.
Obwohl die Koalitionsverhandlungen noch laufen, zeichnen sich Rückschritte ab, die als notwendige Einsparungen dargestellt werden. Geplant ist unter anderem die Abschaffung des Klimabonus, der die zeitgleich eingeführte CO₂-Abgabe kompensieren sollte. Auch das von der schwarz-grünen Vorgängerregierung eingeführte Klimaticket steht zur Disposition, ebenso wie der Ausbau erneuerbarer Energien. Den von vielen FPÖ-Politikern relativierten Klimawandel will die Partei durch nicht näher benannte „technologische Entwicklungen“ eindämmen.
Auch die ÖVP als künftiger Juniorpartner zeigt wenig klimapolitisches Engagement. Ex-Kanzler Karl Nehammer veranstaltete noch 2023 einen „Verbrenner-Gipfel“. Nach dem Ausscheiden der Grünen aus der Regierung dürfte der Autobahnausbau ungehindert voranschreiten, während die hohen Steuervergünstigungen für Pendler trotz des proklamierten Sparkurses wohl unangetastet bleiben. (Florian Bayer, Wien)
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