„Querdenker“ bei der Polizei: Schutzmann träumt vom Umsturz
Gegen Kriminalhauptkommissar Michael Fritsch wird disziplinarisch ermittelt. Er spekuliert auf das Ende der alten Ordnung.
Sein Unmut über seine bald vielleicht ehemaligen Kolleg*innen könnte auch an den jüngsten juristischen Konsequenzen für seinen „Widerstand“ gegen die Coronapolitik der Bundesregierung liegen.
Am Donnerstag, 20. Mai, reichte die Polizeidirektion Hannover Disziplinarklage beim Verwaltungsgericht gegen Michael Fritsch ein. Der freigestellte Kriminalhauptkommissar soll nach Auftritten bei Querdenken-Demonstrationen den Beamtenstatus verlieren. Das Vertrauensverhältnis sei aus Sicht der Polizei unwiederbringlich zerstört, sagte eine Sprecherin dem NDR.
Seit neun Monaten wird gegen Fritsch ermittelt. Mindestens zwei Razzien gab es in seinem Haus in Alfeld südlich von Hannover. Er selbst wurde mehrfach bei Querdenken-Protesten in Gewahrsam genommen.
Putsch fantasiert
Dass Fritschs Fantasien in Richtung Putsch gehen, zeigt eine Sprachnachricht, die er am 22. April an die öffentliche Telegram-Gruppe „Soldaten & Reservisten“ schickte. Dort sagte er, es müsse eine Vernetzungsstrategie her. „Damit wir als Instanz, die hier waffenführend ist, einen möglichst friedlichen Verlauf für den Umbruch herbeiführen können.“
Mit Singen, Reden und Klatschen komme man nicht weiter. Der Zeitpunkt müsse abgepasst werden, damit es sich nicht um eine Revolution „aus Teilen der Armee“ handle, die blutig niedergeschlagen werde.
Alarmierend ist neben dem Inhalt der Nachricht der Kreis, den Fritsch adressiert. Seit mehr als einem Monat sammeln sich bei Soldaten & Reservisten Hunderte, die angeben, aktiv im Dienst der Bundeswehr zu stehen oder eine militärische Laufbahn hinter sich zu haben. Initiiert hatte die Gruppe laut eigenen Angaben Fritsch und der Verein „Polizisten für Aufklärung“.
Fritsch hat, wie er selbst sagt, die Aufgabe des Schatzmeisters und die Mitgliederverwaltung übernommen. Erklärtes Ziel des Querdenker-Vereins ist es, Polizisten, Soldaten und vergleichbare andere Beschäftigte aufzuklären.
Chat über Lieblingswaffen
Am Anfang tauschten sich die Mitglieder der Gruppe über Dienstgrade, Auslandseinsätze und Lieblingswaffen aus. Eine „Dragunov“, ein Scharfschützengewehr habe er, schreibt einer, „und auch Mosin Sniper 91/30 is geil!“ Schießen könne gemeinsam trainiert werden. In den Kanälen kursieren Karten mit Anweisungen und taktische Kommandos für Großproteste. „Pfingsten in Berlin“ wollte die Gruppe sich zwischen Demonstrant*innen und die Polizei stellen. Geklappt hat der Offline-Auftritt nicht.
Fritsch hatte zu dieser Aktion und zu mehr aufgerufen:„Wir müssen uns auch sicher sein, dass wenn quasi die Regierung abgesetzt wird, dass die militärische Einheit dann vorübergehend die Kontrolle übernimmt und mit der Polizei hier zusammen für Frieden auf den Straßen sorgt“, sagt Fritsch in der Telegram-Sprachnachricht von April.
Michael Fritsch, freigestellter Polizist und Querdenker
In Bildern gesprochen wolle er das „alte marode und morsche Gebäude abreißen, auskoffern und dann ein Fundament gießen, damit wir was Neues aufbauen können“. Mit den Worten „Michael Fritsch, Schutzmann mit Herz und Hirn“ beendet er seine Sprachnachricht.
Was das Neue sei, werde er „wenn es soweit ist“ bekannt geben, sagt Michael Fritsch der taz auf Anfrage am Telefon. Zum laufenden Verfahren wolle er sich nicht äußern. Er habe aus den Medien von der Anklage erfahren. Nach kaum einer Minute legt er auf. Viele Fragen bleiben offen.
NS-Vergleich auf Demo gezogen
Als Spezialist für Einbruchschutz der Polizeidirektion Hannover wurde Michael Fritsch 2019 und Anfang 2020 für Sicherheitsbegehungen in der Liberalen jüdischen Gemeinde Hannover eingesetzt. Nach dem Anschlag in Halle sollte Fritsch ein Gutachten erstellen. Dem Vorstand habe er damals beim ersten Termin gesagt, es sei nicht staatliche Aufgabe, für Sicherheitsvorkehrungen der Gemeinde zu bezahlen.
Etwa ein halbes Jahr später trat Fritsch zum ersten Mal bei einer Querdenken-Demonstration in Dortmund auf und stellte sich auf der Bühne als Polizeibeamter vor. In seiner Rede verglich er die Coronapandemie mit der Zeit des Nationalsozialismus. Kolleg*innen forderte er auf, sich der Bewegung anzuschließen und zu „remonstrieren“, denn es gebe keine Gewaltenteilung mehr und läge jetzt an allen, ob der „anstehende Wandel friedlich oder gewaltsam verläuft“.
Später sagte er bei einer Querdenken-Versammlung im November in Hannover, eigentlich gehe es bei der derzeitigen Entwicklung nicht um das Coronavirus, sondern um einen „great reset“. Für ihn seien die eingesetzten Polizeibeamt*innen „gekaufte Söldner“. Für seine Auftritte erhielt Fritsch immer wieder Applaus und wurde in Querdenken-Telegram-Kanälen gefeiert.
Neues Ziel des verschwörungsideologischen Multiaktivisten ist der Einzug in den Bundestag. Einen Parteitag der Querdenker-nahen Partei Die Basis bewarb Fritsch zuletzt trotz Suspendierung in Polizeiuniform. Als niedersächsischer Spitzenkandidat könnte Fritsch bald in den Räumen wandeln, die er „auskoffern, abreißen und neu aufbauen“ will – bezahlt von Steuergeldern.
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Grüne begrüßen Klage
Julia Willie Hamburg, Fraktionsvorsitzende der Grünen im niedersächsischen Landtag, begrüßt die kürzlich eingereichte Klage. Es blieben aber noch viele Fragen offen. Immer wieder gebe es Hinweise, dass Bundeswehrmitarbeitende, Polizist*innen und Sicherheitsbehördenmitarbeitende sich vernetzen, um sich auf einen Umsturz vorzubereiten. Fritsch scheine zu einer zentralen Figur geworden zu sein.
Ob die Umsturzfantasien des Michael Fritsch neben disziplinarrechtlichen auch strafrechtliche Folgen haben werden, wird sich zeigen. Die Polizei Hannover wollte sich dazu nicht äußern. Laut taz-Informationen ist eine mehrköpfige Ermittlungsgruppe mit dem freigestellten Schutzmann auf Abwegen betraut.
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