Putins Monolog an seine Regierung: Brutale Worte aus dem Kreml

In einer Regierungsrede nennt Putin seine Kritiker „Abschaum und Verräter“. Allen Andersdenkenden droht er mit einer „Säuberung“.

Putin und Bildschirm einer Videokonferenz

Wladimir Putin hält eine aggressive Rede in einer Videokonferenz Foto: Russische Präsidentenpresse via ap

Moskau taz | Sie sind alle versammelt, der russische Ministerpräsident, der russische Gesundheitsminister, die Gouverneure aus dem ganzen Land. Sie sitzen still, mit reglosen Gesichtern. Es redet: der russische Präsident Wladimir Putin. Er hat sie zu einer Onlinezusammenkunft gerufen, es gehe um Wichtiges: die „Maßnahmen der sozioökonomischen Unterstützung für die Regionen“. Um die wirtschaftlichen Turbulenzen des Landes also.

Die Sanktionen des Westens treffen das Land hart. Knapp 300 ausländische Firmen haben sich aus Russland bereits zurückgezogen. Die Unternehmen haben ihre Arbeit vorerst unterbrochen, produzieren nichts mehr im Land, liefern nichts mehr nach Russland.

Die Gänge in den Einkaufszentren werden dunkler, manche Läden wechseln nicht einmal mehr die Preisschilder, so schnell steigen die Preise. Krankenhäuser melden Engpässe bei Medikamenten, Fabriken schicken ihre Mitarbeiter in die „Betriebsferien“. „Es sind schwierige Zeiten“, sagt Putin und will den Mindestlohn erhöhen, Sozialleistungen steigern und den Staatsangestellten ein höheres Gehalt ausbezahlen lassen.

37 Minuten redet der Präsident an diesem Mittwochabend, knapp zwei Drittel der Zeit geht es dabei allerdings kaum um die angekündigten Maßnahmen. Vielmehr inszeniert Putin sich als Friedensengel, dem nichts anderes übrig blieb, als seine Truppen zu schicken. Es sind hasserfüllte Minuten der Rechtfertigung seiner „militärischen Spezialoperation“ in der Ukraine. Die „Taktik“ sei „vollkommen angemessen“, die „Operation“ verlaufe „erfolgreich“ und entspreche „streng vorab genehmigten Plänen“.

Putins Parallelrealität

Sein immer stärker gepflegtes Narrativ: Die Ukraine arbeite an Atomwaffen, sie entwickle in Geheimlaboren mitsamt den USA biologische Waffen und habe auch das Coronavirus in die Welt gesetzt. Es ist Putins Parallelrealität, in der er seinen Kampf gegen „Faschisten“ ausficht. Mit barbarischen Methoden, die er selbst wiederum Kiew vorwirft.

Diplomatische Möglichkeiten seien ausgeschöpft gewesen, sagt er. Für einen friedlichen Weg habe es keine Varianten gegeben. Moskau sei „einfach gezwungen“ gewesen, die Ukraine vor „Terror“ und „Genozid“ zu „bewahren“ und im Land „elementare Menschenrechte“ zu „gewährleisten“.

Es ist Zynismus in Kremls reinster Form. Kritik ist unerwünscht, jeglichen Zweifel am Vorgehen der russischen Führung fasst Putin unter „Abschaum und Verräter“ zusammen und droht damit allen Andersdenkenden. Er spricht von „natürlicher Säuberung“, die das Land „nur stärken“ könne, wenn „echte Patrioten die Verräter einfach ausspucken wie eine zufällig verirrte Mücke“. Die Wortwahl erinnert an düstere Zeiten des Stalinismus.

Der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow unterstreicht am Tag darauf die Haltung und nennt jeden, der seinen Job in Russland kündigt, der ins Exil geht, der protestiert, einen Verräter. „Sie verschwinden selbst aus unserem Land. So vollzieht sich die Säuberung.“ Die aufgewiegelten Adlaten des Systems ziehen derweil los und bemalen die Türen mancher Kri­ti­ke­r*in­nen der „Spezialoperation“ mit einem dicken „Z“, als eine Art neuer Swastika, zur Unterstützung ihres Präsidenten und seines Feldzugs gegen die Ukraine.

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