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Prozess um Munitionsaffäre beim KSKOperation Frühjahrsputz geht schief

Brigadegeneral Markus Kreitmayr hatte verfügt, dass gestohlene Munition straffrei zurückgegeben werden konnte. Nun steht er vor Gericht.

Brigadegeneral Markus Kreitmayr mit seinen Anwälten vor Gerichts in Tübingen am 2. Februar Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Tübingen taz | 13.000 Schuss Munition fehlten im Depot, manche Patrone war nach der Buchführung auch zu viel. Der Umgang mit Munition muss beim Kommando Spezialkräfte (KSK) in der Kaserne in Calw jahrelang recht hemdsärmelig gewesen. Die Rückgabe von zwei scharfen Handgranaten hatte das Munitionswesen offenbar verweigert, der Soldat, der sie zurückgeben wollte, lagerte sie stattdessen in einem Spind. Als Brigadegeneral Markus Kreitmayr, im Dezember 2018 sein Amt als Oberkommandeur antritt, findet er „geduldete Schlamperei“ vor. Er ruft die „Operation Frühjahrsputz“ aus.

An diesem Freitag steht Kreitmayr nun selbst vor Gericht. Um die fehlende Munition aufzuspüren, ist er möglicherweise illegale Wege gegangen. Die Staatsanwaltschaft wirft Kreitmayr vor, trotz gesetzlicher Pflichten weder den Fehlbestand noch die Namen der betroffenen Soldaten an Vorgesetzte und Strafverfolger gemeldet zu haben.

Kreitmayr gibt vor dem Tübinger Landgericht einen klar strukturierten Bericht, wie er die Dinge sieht. Er gibt zu, den Soldaten die Möglichkeit gegeben zu haben, die Munition zurückzugeben, ohne dass sie Disziplinarmaßnahmen zu befürchten hätten.

Es sei ihm darum gegangen, zu verhindern, dass Soldaten aus Angst vor den Folgen die Munition vom Kasernengelände schmuggeln und Privat lagern, was eine Straftat darstellt. Er habe gegenüber den Soldaten nie eine „Amnestie“ angekündigt, sondern von einer letzten Chance gesprochen. „Ich stehe auch heute noch zu meiner Entscheidung“, sagt Kreitmayr vor Gericht.

Rechte Netzwerke

Als der Brigade-General im Jahr 2019 zum Kommandeur des KSK ernannt wird, steht die Truppe wegen rechter Umtriebe in der Kritik. Es geht um Feiern, die nicht mit Girlanden, sondern mit Schweinsköpfen dekoriert waren und bei denen Nazi-Lieder gesungen wurden.

Durch Recherchen auch der taz sind Verbindungen aktiver und ehemaliger KSK-Soldaten in den rechtsextremen Netzwerken Nordkreuz und Uniter bekannt geworden. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) berichtet von einer wesentlich höheren Dichte an rechtsextremen Verdachtsfällen beim KSK als beim Rest der Bundeswehr.

Etwa zur gleichen Zeit, als Kreitmayr die Soldaten zur Rückgabe von Munition auffordert, nimmt die Polizei den noch aktiven KSK-Stabsfeldwebel Philip Sch. fest. Im Garten seines Privatgrundstücks hat er Gefechtsmunition, Sprengstoff und Waffen vergraben.

Das Problem von Munition, die nach Manövern rechtswidrig bei den Soldaten verbleibt, ist in Armeen verbreitet. Dies geschehe oft auch aus Versehen, erklärt Kreitmayr. Er sei zu keinem Zeitpunkt von Straftaten ausgegangen, sondern von Dienstvergehen, über die er als Vorgesetzter entscheiden könne. Zudem habe er den großen Fehlbestand als jahrelanges Führungsversäumnis seiner Vorgänger gesehen, das er nicht auf dem Rücken der Soldaten habe austragen wollen.

Kein Vorwurf des Rechtsextremismus

Seinen Vorgesetzten im Verteidigungsministerium habe er erst Meldung über die Fehlbestände machen wollen, wenn er einen vollständigen Überblick über das Problem habe. Möglicherweise wollte der Offizier aber auch lieber die Lösung des Problems als das Problem selbst melden.

Niemand wirft Kreitmayr selbst irgendeine Nähe zum Rechtsextremismus vor. Zeitweise wurde gegen ihn ermittelt, weil er Krankenschwestern im KSK-Lazarett angewiesen haben soll, ihm rechtsextreme Tatoos der Soldaten zu melden. Das wäre allerdings nicht zulässig. Womöglich wollte er durch sein Schweigen zur fehlenden Munition verhindern, dass das letzte Argument zur Auflösung der Sondereinheit von ihm selbst kommt.

Das persönliche Risiko für sein Vorgehen ist hoch. Im Fall einer Verurteilung drohen Kreitmayr bis zu drei Jahre Haft. Vier Jahre hat es gedauert, bis der Karriereoffizier sich vor Gericht verantworten und vielleicht rehabilitieren kann. Die Tübinger Kammer erklärt das mit der komplizierten Materie und der Überlastung des Gerichts.

Der ehemalige Stabsfeldwebel Philipp Sch. mit seinem Waffenarsenal im eigenen Garten hat seine Haftstrafe schon abgesessen und ein Buch geschrieben. Er hat stets alle rechtsextremen Tendenzen abgestritten. Das Urteil über Markus Kreitmayrs Pflichtverletzung soll Ende Februar fallen.

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24 Kommentare

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  • Probleme lösen? Anstatt Verantwortung immer wieder hin und her zu schieben? Und dann auch noch eine Lösung nehmen die in anderen Ländern funktioniert hat? Unerhört. Steinigt den Ketzer.

  • Wenn Gesetze oder Befehle des Verteidigungsminister mehr Bürokratie einfordern, muss man leider gehorchen, auch wenn das zwischenmenschlich und sachlich falsch ist.



    Ob man durch oder wegen dieser Verfehlungen einen gut ausgebildeten Offizier verlieren möchte, muss vielleicht auch noch entschieden werden.

  • Kreitmayr hat einen unter Beamten bemerkenswerten Pragmatismus an den Tag gelegt. Zuerst das Ziel definieren (Munition zurück ins Lager) und dann möglichst geeignete Mittel wählen, um dieses Ziel zu erreichen. Einfache Luftfahrermentalität.

    • @Luftfahrer:

      Soldaten sind aber keine Handwerker, die abends noch ne Handvoll Schrauben in ihren Klamotten finden und die in nen Eimer neben den Schuhen schmeißen. Ob die die Patronen (bei Handgranaten im Spind isses irgendwie nimmer lustig) so als Reserve gelagert haben, falls sich irgendwo anders irgendwer verzählt hat, weiß ich ned. Evtl. hätte Brigadegeneral Kreitmayr seine Strategie von seinen Vorgesetzten absegnen sollen...

      • @Hugo:

        Die Munition war schon weg, als Kreitmayr kam. Er hatte die Wahl, ob er formal inkorrekt dafür sorgt, dass die Munition wieder an den richtigen Platz kommt oder formal korrekt garantiert wird, dass dieses in falschen Händen gefährliche Zeug gefährlich bleibt.

      • @Hugo:

        …na das walte Hugo!

        Diese Bagatellisierungen via Einlassung des Brigadiers & hier Strüffche einiger Floristas ist doch nur vor der Folie verständlich “Die Bundeswehr is eh n Sauhaufen“ und ihr macht Geschiss wg lumpiger 13.Tsd Schuß Munition und n paar Handgranaten - wa!



        Stimmt ja Schonn - daß bei der STAN Überprüfung (sone Art behördeninterne Revision) in den 60ern lkw-Züge weise überzähliges Material und da waren ganze Kanonen dabei! - in die Mundepots verschubt und achteran wieder retur verschubt wurden • But.



        Das enthebt dem Chiefkommander doch nicht - die Sache rechtlich einwandfrei anzugehen und die öberschte Heeresleitung VORHER einzubeziehen!

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Luftfahrer:

      Mentalität. Flieger! Marsch! Es dirigiert Hubert Eiwanger.



      www.youtube.com/watch?v=tG1ku0zkBuI



      @LOVANDO kennt sicherlich Textvarianten

      • @95820 (Profil gelöscht):

        Liggers

        “Fliegermarsch







        Schöpfer des „Fliegermarsches“ war der österreichische Komponist Hermann Dostal, der ihn 1912 unter dem Titel „Kerzengrad steig ich zum Himmel“ als Gesangsstück eines Ballonfahrers für seine im übrigen vergessene Operette „Der fliegende Rittmeister“ schrieb. Der Marsch war ursprünglich also nicht für Blasorchester gesetzt, allerdings widmete ihn Dostal schon in der Erstfassung dem Fliegerkorps der Donaumonarchie.







        Zu einem der bekanntesten Märsche im deutschsprachigen Raum avancierte die Melodie dann in der Fassung für Militärorchester. Heute ist der Fliegermarsch bei der Bundeswehr dem Stab des Luftwaffenführungskommandos und dem Lufttransportgeschwader 62 als Truppenmarsch zugeteilt und gleichzeitig die „heimliche Hymne“ der gesamten Luftwaffe der Bundeswehr.

        Na Mahlzeit

        “Die ersten erfolgreichen Flugversuche in der Zeit kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs ließen förmlich eine „Fliegermanie“ entstehen, an der auch die Operette nicht achtlos vorübergehen konnte. Der Komponist Hermann Dostal hat 1912 die Operette „Der fliegende Rittmeister“ komponiert. Aus ihr ist der „Fliegermarsch“ entnommen. Für Siegfried Rundel war es ein Anliegen, diesen Traditionsmarsch mit unverkennbar konzertanten Elementen nicht nur zu erhalten, sondern ihn in erster Linie den aufwärtsstrebenden Amateurorchestern in einer Einrichtung für sinfonisches Blasorchester zur Verfügung zu stellen: stilecht, die Wesensmerkmale aus dem Ursprung des Marsches klar herausstellend und dem heutigen Gebrauch in Klang und Instrumentation elegant angepasst.

        Liedtext zur Triomelodie:

        Komm und sei mein Passagier, fliege, fliege, flieg mit mir!



        Droben, wo die Sterne stehn, wollen wir spazieren geh’n.



        Schmeiß hin all Dein Gut und Geld, einen Fußtritt dieser Welt!



        In der Luft, in der Luft fliegt der Paprika, auf zum Himmel, Himmel, Himmel, Hipp Hurra!

        unterm——



        www.runder.de/de/a...germarsch/MVSR2393



        &



        Stützstrumfgeschwader mit Maier du bist -



        Morphinist 💉

  • Pressemitteilungen LG find ich nicht.



    Aber zum Vorgang davor gibts was!



    www.swr.de/swraktu...andeur-zu-100.html



    “Das Landgericht Tübingen hat die Anklage gegen den ehemaligen Kommandeur des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in Calw zugelassen. Die Staatsanwaltschaft hatte Markus Kreitmayr bereits vor zwei Jahren angeklagt, weil Soldaten gestohlene Munition anonym an ihn zurückgeben durften. Ein Termin für den Prozess steht noch nicht fest, das Verfahren werde frühestens im neuen Jahr stattfinden.



    Es geht um Munition im Wert von rund 28.000 Euro. Die hatte in der Inventur für das Jahr 2019 beim KSK in Calw gefehlt. Der damalige Kommandeur Kreitmayr hatte seinen Soldaten daraufhin zugesagt, sie könnten gehortete oder gestohlene Munition anonym abgeben, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.



    Die Staatsanwaltschaft Tübingen wirft Kreitmayr deshalb "unterlassene Mitwirkung bei Strafverfahren" vor, vergleichbar mit Strafvereitelung. Kreitmayr hätte damit rechnen müssen, dass zumindest Teile der Munition gestohlen waren. Durch die anonyme Rückgabe sei es nicht möglich gewesen, Diebstähle strafrechtlich zu verfolgen. Außerdem soll er seine Vorgesetzten nicht über die Rückgabe der Munition informiert haben.“



    & Däh - na logo -



    “Anwälte sehen keinen Strafbestand



    Seine Anwälte gehen davon aus, dass Kreitmayr nicht verurteilt wird. Kreitmayr habe aus der Not heraus gehandelt und verhindert, dass die Munition möglicherweise in falsche Hände gerät. Es sei nie um eine Vertuschung von Straftaten gegangen.“

  • irgendwie ist der fall tragisch. gut gemeint, dumm gelaufen.



    gut aber. daß dadurch die taz nochmal auf hannibals netzwerke hinweisen kann, grade jetzt, nach der wannsee 2.000 der rechtsradikalen + der afd.



    das gedächtnis der "user" ist ungemein kurz + muß immer mal wieder aufgefrischt werden. im moment ist die aufnahmebereitschaft hinsichtlich rechtsradikalen auswüchsen besonders hoch, hoffentlich lesen das viele junge menschen ....

    • @Brot&Rosen:

      Der Fall um den General macht vor, wie sich eine Institution von innen zum Besseren ändern kann, aber auch welche Schwierigkeiten bestehen. Sieht man auch gerade in Groß bei unseren polnischen Nachbarn.

  • Haha, das ist eine wichtige Lektion für die Verwaltung: Beamte, die Probleme lösen wollen, statt nur zu verwalten und ggf. zu melden, landen vor Gericht. Puot encourager les autres !

  • eine nachvollziehbare pragmatische Herangehensweise die der Brigadegeneral, da an den Tag gelegt hat. Wem hilft es, wenn Munition umhermarodiert und letztlich in falsche Hände gerät? Und wem hilft es, wenn rechtsradikale Tatoos als Privatangelegenheit angesehen werden, gerade beim KSK, wo das Problem evident war?



    Das mag rechtlich fraglich sein, ist aber dennoch richtig.



    Der einzige Schaden der hier entstanden sein könnte, ist der, dass einige Politiker um ihre Sonnatgsreden, nach dem nächsten Anschlag mit Bundeswehrmunition gebracht worden sein könnten. Oder eine Empörungswelle verhindert wurde, die garantiert aufgebrandet wäre, sobald der nächste Fall von rechtsextremen Umtriebenen beim KSK ruchbar geworden wäre.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @nutzer:

      „Das mag rechtlich fraglich sein, ist aber dennoch richtig." - Dem Recht wird schlecht.



      Ich gehe davon aus, dass Staatsanwaltschaft und Richter*innen hier die Medizin passend dosieren werden.

      • @95820 (Profil gelöscht):

        diese Praxis der straffreien Rückgabe ist laut Medienberichten in anderen westl. Armeen ebenfalls praktiziert worden, legal.



        Manchmal erscheint es, als ob in D das Recht so neutral und niemand beeinträchtigend ausgelegt werden soll, das es letztlich ein aktives Handeln verhindert. Recht ist Recht, deshalb steht er auch vor Gericht. Aber Recht ist auch immer eine Auslegungssache, der Glaube Recht sei absolut, ist eine Fehlprojektion.

    • @nutzer:

      Ja, IANAL aber da kann man durchaus einen Gebotsirrtum sehen.

      Der Mann wollte Straftaten verhindern. Und zwar schwere staatsgefährdende Gewalttaten, deren Planung und Vorbereitung man sich 2019 zwar noch weglügen konnte, mittlerweile aber umfassend belegt sind.



      Das sollte ihm nicht nur moralisch sondern auch ganz rechtskräftig zugute gehalten werden: hier hat ein demokratischer Staatsbürger-in-Uniform gehandelt, und davon gibt es beim KSK eindeutig zu wenige!

  • Pragmatisch, standhaft und stellt sich vor seine Truppe. Selten heutzutage.

    • @elektrozwerg:

      Pragmatisch? Es fehlte nicht eine Hand voll Mumpeln. Es fehlte eine ganze Menge. Da muss er fragen wer und warum.

  • und was wird ihm genau vorgeworfen? der text hat es tatsächlich geschafft, das nicht zu erwähnen…

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @peanuts:

      Jetzt seh' ich wieder alt aus. 🤡



      Obwohl mein Kommentar jünger ist, war er älter.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @peanuts:

      „Die Staatsanwaltschaft wirft Kreitmayr vor, trotz gesetzlicher Pflichten weder den Fehlbestand noch die Namen der betroffenen Soldaten an Vorgesetzte und Strafverfolger gemeldet zu haben."



      (steht oben im Text)

      • @95820 (Profil gelöscht):

        ah, ok, danke. habe ich tatsächlich geschafft, 2mal zu überlesen.

    • @peanuts:

      "Die Staatsanwaltschaft wirft Kreitmayr vor, trotz gesetzlicher Pflichten weder den Fehlbestand noch die Namen der betroffenen Soldaten an Vorgesetzte und Strafverfolger gemeldet zu haben."