Proteste gegen die IAA in München: Radeln gegen den Autowahnsinn
Blockaden, Blasmusik und elf Fahrraddemos: Die Kritik an der IAA in München ist bunt. Am Samstag nimmt die Polizei 16 Personen fest.
Attac, Greenpeace, der ADFC, Naturfreunde, die Deutsche Umwelthilfe sind ebenso da wie die Linkspartei. Und wie die radikaleren Bündnisse, die nach München mobilisiert hatten und am Vortag für zahlreiche Blockadeaktionen in der Innenstadt verantwortlich waren.
Trotz eines massiven Polizeiaufgebots war es den Autogegner*innen am Freitag gelungen, ein Haus zu besetzen und an drei Stellen die Ausstellungsflächen von Audi, Mercedes und Bosch in der Innenstadt zu stürmen. Außerdem blockierten sie den Eingang zu einem Bosch-Werk und die „Blue-Lane“, eine Teststrecke für Elektroautos der IAA.
Die im Haus festgenommenen Besetzer*innen kam am späten Abend wieder frei, ihnen wird Hausfriedensbruch vorgeworfen. Der taz-Journalist Michael Trammer hatte die Aktion begleitet und wurde ebenfalls festgenommen, kam aber am frühen Abend wieder frei.
„Dramatik der Klimakrise nicht verstanden“
Ein Hausverbot für die komplette IAA, das die Polizei zunächst bei Trammers Freilassung ausgesprochen hatte, nahm sie nach Interventionen der taz-Chefredaktion und der Deutschen Journalistinnen-Union zurück. Am Samstag nimmt die Polizei insgesamt 16 Personen in Gewahrsam.
Auf der Auftaktkundgebung ruft Christoph Bautz von Campact von der Bühne: „Es wird der IAA nicht gelingen, ihr dreckiges Image aufzupolieren!“ Die Tatsache, dass die Messe in diesem Jahr stark auf Elektroautos setze, zeige lediglich, dass sie die Dramatik der Klimakrise nicht verstanden habe.
„Wir brauchen keine Antriebswende, sondern eine Verkehrswende!“ Uwe Hiksch, der Anmelder der #aussteigen-Demonstration, bedankt sich beim Bündnis „Sand im Getriebe“ für die Aktionen und appelliert an alle Teilnehmer*innen, solidarisch zu sein, falls die Polizei gegen den Block der radikalen Klimaschützer*innen vorgehen sollte.
Die Polizei begleitet die Demo mit einem Großaufgebot, das vor allem den Block von Sand im Getriebe umringt. Polizist*innen filmen ihn. Nur an einem Punkt auf der Route kommt die Demonstration der IAA wirklich nahe: am „Open Space“, der Austellungsfläche der IAA am Königsplatz.
Ein Seil zwischen den Bäumen
Kurz nachdem der Block den von zahlreichen Polizist*innen abgeschirmten Eingangsbereich passiert, rennen zwei Aktivist*innen zu Bäumen am Rand der Straße. Sie zucken Klettergurte, knoten Schlaufen und klettern zwei Bäume hoch. Die Polizei umstellt diese Bäume, geht unter Einsatz von Schlagstock und Pfefferspray in die Menge.
Die Kletterer*innen und die Demonstrant*innen am Boden versuchen, ein Seil zwischen den Bäumen zu spannen um ein Transparent aufzuhängen. Dann ruft eine Aktivistin, die zuvor mit der Polizei verhandelt hat, die Beamt*innen würden sich aus der Demonstration zurückziehen, wenn die Kletter*innen anschließend von den Bäumen kämen. Als die Polizei sich zurückzieht, spannen die Aktivist*innen das Seil wieder und entrollen das Banner, auf dem „Verbindung der Kämpfe“ in drei Sprachen steht.
Zum Abschluss sollte die Demonstration am Nachmittag, wieder auf der Theresienwiese, auf elf Fahrraddemos treffen, die am Morgen an verschiedenen Punkten um München herum gegen den Autowahnsinn gestartet waren. Der ADFC hatte die Routen geplant, dann war ein Rechtsstreit entstanden.
„Heiligtum der deutschen Verkehrspolitik“
Ursprünglich wollten die Demonstrant*innen auf mehreren Autobahnabschnitten radeln, die Versammlungsbehörde verweigerte jedoch ihre Zustimmung unter Bezug auf das hohe Verkehrsaufkommen und einen fehlenden inhaltlichen Bezug des Protests zu genau diesen Autobahnabschnitten.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigte das Verbot kurzfristig in zweiter Instanz. „Es zeigt sich wieder: Die Autobahn ist das Heiligtum der deutschen Verkehrspolitik“, kritisierte der ADFC. Und verwies auf doppelte Maßstäbe: Die IAA durfte für ihre „Blue Lanes“ sehr wohl Autobahnabschnitte nutzen.
Die Veranstalter*innen geben die Teilnehmer*innenzahl bei mäßigem Wetter mit 20.000 an, 5.000 zählen sie auf der Fußgänger*innendemo. Damit bleiben allerdings beide Demonstrationen hinter den Erwartungen zurück.
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