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Prorussische BerichterstattungÄrger bei der „Berliner Zeitung“

Der ukrainische Botschafter unterstellt der „Berliner Zeitung“ Russland-Nähe, die sieht die Pressefreiheit bedroht. Ein eigenartiger Kleinkrieg.

Oleksii Makeiev, Botschafter der Ukraine in Deutschland Foto: Christoph Schmidt/dpa

D ie Berliner Zeitung (BLZ) fühlt sich angegriffen. Denn der ukrainische Botschafter in Berlin hat dem Blatt vorgeworfen, in Sachen Ukraine­krieg nicht immer so ganz russlandkritisch zu sein. Womit er durchaus richtig liegt. Beides ist übrigens nicht verboten. Die Berliner Zeitung kann so schreiben. Und Oleksii Makeiev darf darauf hinweisen und sich drüber aufregen.

Makeiev hatte auf X die Frage gestellt, ob das Blatt das „neue Radio Moskau“, also ein Kremlpropagandasender ist. Dazu hat er ein paar Beispiele zitiert und angemerkt, dass der russische Botschafter die BLZ-Artikel auch gerne weiterleitet. Dazu gab’s noch ein selbstgebasteltes Logo der „Berliner Volksrepublik Zeitung“ und den Hinweis, es gebe „bessere/freie Medien in Berlin“.

Worauf jetzt das Volk, nee, die BLZ gegen „versuchte Einschüchterung“ und den vermeintlichen „Eingriff in die Pressefreiheit“ protestiert.

Keine Ahnung, ob in der Karl-Liebknecht-Straße tatsächlich jemand Angst hat, nicht mehr zu Häppchen beim Botschafter oder sonstigen Empfängen eingeladen zu werden. Aber ein Angriff auf die Pressefreiheit sieht anders aus. Makeiev hätte eher einen Anpfiff wegen Verstoßes gegen diplomatische Gepflogenheiten verdient. Denn da wird eigentlich mit ausgesuchter Höflichkeit formuliert. Was dann oft umso fieser gemeint ist.

Melnyk als Kronzeuge

Schon Makeievs Vorgänger, Andrij Melnyk, hatte es ja mehr mit der direkten Diplomatie. Dass die BLZ ihn jetzt als Kronzeugen gegen den eigenen Nachfolger aus dem Schrank holt, macht alles noch ein bisschen absurder. „Diejenigen, die hartgesottene proputinsche Lakaien wie Manuela Schwesig oder Michael Kretschmer aufwerteten und salonfähig machten, haben kein moralisches Recht, freie deutsche Medien wegen kritischer Berichterstattung anzugreifen“, sagt Melnyk. Und BLZ-Herausgeber Michael Maier schreibts begeistert auf.

Der Elefant im Raum heißt aber natürlich Holger Friedrich. Er ist seit 2019 Eigentümer, Verleger und Overlord der BLZ. Und gilt, wie auch seine Frau Silke, durchaus als russlandnah. Friedrich fühlt sich jetzt auch noch vom Tagesspiegel verfolgt. Weil der seinem Blatt schon lange vorwerfe, „wie ein russisches U-Boot zu agieren“, wie Friedrichs Adlatus Maier am Dienstag beleidigt schrieb. Was wird das denn jetzt? Große weltpolitische Auseinandersetzung oder Austausch medienjournalistischer Nickeligkeiten?

Zum Tag des Sieges über den Hitlerfaschismus, den Putin ja gerne der Ukraine anhängen möchte, waren letztes Jahr übrigens etliche hartgesottene proputinsche Lakaien zum Häppchenessen in der russischen Botschaft in Berlin. Darunter neben einem gewissen Gerhard Schröder – uups! – Holger Friedrich und Michael Maier. „Ich möchte Folgendes vorschlagen“, sagt die Mitbewohnerin. „Für jede prorussische Zeile müssen beim Blatt alle Mitarbeitenden einen ukrainischen Wodka trinken, und andersherum.“ Na sdorowje!

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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16 Kommentare

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  • Wenn ich ehrlich sein soll, ich erkenne das Problem nicht. Die deutsche Presselandschaft zeichnet sich dadurch aus, dass es unzählige Publikationen gibt, die einen in sich gleichen Sachverhalt aus verschiedensten Perspektiven beleuchtet. Ob diese Perspektive meine ist, steht dabei doch gar nicht zur Diskussion. Manche Redaktion publiziert manche Merkwürdigkeiten bei der Interpretation von Ereignissen mit Nachrichtenwert. Es ist ihr gutes Recht. So lange keine straf- bzw. verfassungsrechtlichen Grenzen überschritten werden, ist alles gut. Ich muss es ja nicht lesen.

  • Eventuell sollten mal die Geldflüsse bei Holger Friedrich und seiner Frau geprüft werden, er war junger Stasimitarbeiter und ist Krenz- und Putinfreund.

  • Die freie Medienlandschaft bietet neben Schwurblern, Neonazis und Kommunisten eben auch Putinfreunden einen Platz. Solange diese Schwurbler und sonstigen Konsorten existieren, aber auch hart kritisiert werden dürfen, ist unser demokratisches Pressesystem intakt. Wer in Kritik an seiner eigenen Pressearbeit einen Angriff auf die gesamte Pressefreiheit sieht, hat offensichtlich ein Problem mit demokratischen Grundwerten.

    • @Klaus Kuckuck:

      Nun ist die angebliche Putinnähe der BZ eine reine Unterstellung; aber ganz unabhängig davon ist es mehr als nur Kritik, wenn der Repräsentant eines anderen Staates zum Boykott einer deutschen Zeitung aufruft, weil ihm deren Berichterstattung nicht gefällt (man stelle sich vor, welcher Sturm der Entrüstung losgebrochen wäre, wenn z.B. der türkische Botschafter ähnliches mit der taz gewagt hätte). Zu den demokratischen Grundwerten gehört auch, diese nicht zu vergessen, sobald das Feindbild stimmt.

    • @Klaus Kuckuck:

      Das Problem ist nicht, dass Person X das schreibt (sagen wir, ein taz-Kolumnist).



      Das Problem ist



      a) Dass es den Botschafter der Ukraine nichts angeht, was hier wer schreibt. Das ist eine Einmischung in die Angelegenheiten des Gastlandes. Wenn Frau Baerbock etwas Rückgrat gegenüber der Ukraine hätte, würde sie den Botschafter einbestellen.



      b) Offizielle des Staates sollten nicht die Linie oder die Arbeit von Presse angreifen, die ihnen nicht gefällt. Hier kritisiert kein Bürger oder ein Journalist den anderen. Hier greift ein Amtsträger an, in seiner amtlichen Funktion.

      • @Kartöfellchen:

        Sehr gute Zusammenfassung

      • @Kartöfellchen:

        Das kann man auch anders bewerten.



        Schließlich, wird in der Medienlandschaft gerade viel Licht in den Hybriden-Krieg geworfen, den Putin anscheinend schon seit Jahren mit seinen Zellen betreibt. Und bereits eine Kriegserklärung gegen den gesamten Westen, gleicht.



        Von 9 Stufen der Eskalation befindet sich Deutschland im übrigen, schon auf Stufe 6 mit Russland.

        Ein Hinweis des Botschafters, und als mehr ist es nicht zu verstehen, ist es daher schon angebracht, diesen zu geben.



        Genauso wie die USA versucht haben Russland vor dem IS-K-Terror zu warnen, was von Putin, als Erpressung des Westens, fehlinterpretiert hat.

        Die Medienlandschaft und derren Pressefreiheit in Deutschland, wird deswegen nicht gleich angegriffen.



        Und wenn die BLZ meint, den Wortlaut Putins weiterhin zu präsentieren zu müssen, dann darf sie das ggf. auch gerne mal vor dem deutschen Presserat verantworten.

        Es geht in erster Linie nicht darum eine differenzierte Meinung zu Geschehnissen zu haben, sondern um die Manipulation, die hier Frank und Frei und ohne Reflexion aus russischer Feder übernommen werden könnten. Die BLZ darf durchaus kritischer mit sich selbst ins Gericht gehen und nicht nur auf die Verkaufszahlen, ihres Blattes, achten.

        Andererseits zielt die russische Propaganda darauf ab, dass man hier Hilfsmüde werden soll, was man durchaus bei unserem Kanzler, auch ohne Taurus, zu vernehmen ist. Seit der Debatte um den Haushalt, gibt es regelrecht Rückzieher aus Richtung SPD.



        Man könnte denken, dass man sich jetzt in eine Lage bringen möchte, die einer Wählerschaft gefällig wird, um auch nicht mit dem Thema Ampel bei der nächsten Wahl unangenehm bei der Stammwählerschaft, im Gedächtnis zu bleiben. Ein aussitzen, was tatsächlich gefährlich werden könnte, da es schwäche zeigt und kleine Ratten vermittelt, dass man angreifen kann.

  • Es geht doch nicht darum, ob man für Russland oder für die Ukraine Partei ergreift. Der Krieg zwischen beiden Ländern und die Rolle der NATO müssen strukturell analysiert werden, anstatt hier mit nationalistischen und völkischen Fangruppen Analyse durch Kriegshetze zu ersetzen.

    Welche Interessen treiben die verschiedenen Staaten und Regierungen an? Das hat ein ukrainischer Fahnenträger genau so wenig zu diktieren wie ein russischer oder deutscher Fahnenträger.

  • Na davor, dass der Taz irgendeine "Russlandnähe" vorgeworfen wird, ist sie ja weit entfernt.



    Also keine Sorge, der Ukrainische Botschafter wird sich schon nicht über die Taz beschweren.

    Die Berliner Zeitung lese ich übrigens neben der Taz auch täglich.







    Ich finde es geradezu für den "Geist erfrischend" , dass in der BLZ die unterschiedlichsten Positionen Raum finden.



    Ob die nun immer ausgewogen sind, um nur bei niemandem anzuecken, mag jede*r für sich selbst entscheiden.

    Traurig finde ich schon, dass Steffen Grimberg unbedingt meint, den Verleger der BLZ in die Reihe der "hartgesottenen proputinschen Lakaien" einordnen zu müssen. Das sagt mehr über Haltung und Position des Autors als über den so bezeichneten aus. Schade eigentlich.

    Wenn man sich über den rüden Umgangston in den sozialen Medien beklagt, kann es schon hilfreich sein, gelegentlich selbstkritisch die eigene Tonlage zu überprüfen.

    • @Bürger L.:

      >> Ich finde es geradezu für den "Geist erfrischend" , dass in der BLZ die unterschiedlichsten Positionen Raum finden.

      Nanu? Wo kriegen Sie denn Ihre BLZ her? In der, die ich kenne und verstohlnen und angewidert am S-Bahn-Kiosk anschaue, ist von einer Bandbreite der Positionen echt keine Spur! Die Putintreue ist etwas worin das Blatt regelrecht getränkt ist. Ganz abgesehen von Zeugs, dass eher in den Postillen der Verschwörungsschwurbler zu vermuten wäre, denn in einer ehedem respektablen Tageszeitung. Wie also, ist es Ihnen entgangen — vor lauter geisterfrischender Diversität, etwa? — das hier Friedrichs Führungsoffizier mitredigiert?

      • @Chris Demian:

        Da tut mir wirklich sehr leid, dass sie so leiden müssen, wenn Sie an S-Bahn Kiosken vorbeigehen und - sicher unbeabsichtig - immer wieder verstohlene Blicke auf das für sie widerliche Presseerzeugnis werfen müssen.

        Mein Tipp: lassen sie sich bloß nicht dazu hinreißen, diese Zeitung auch noch zu lesen...

  • Nun, die Berliner Zeitung ist gelegentlich schon komisch, als Abonnent weiß ich das ;-) Da wird auch gerne mal Egon Krenz eine Seite freigeräumt, damit er seine Sicht der Dinge darstellen kann. Im Großen und Ganzen bin ich aber zufrieden, denn sie ist wirklich vielfältig.

    Aber es gibt hier keinen Ärger "bei" der Berliner Zeitung. Ist es nicht eher so, dass andere sich *über* sie ärgern?

  • Man braucht einfach nur die Berliner Zeitung zu lesen - die Affinität zu Russland ist völlig unverkennbar.

    Desgleichen sieht es übrigens mit der Nähe zu den Querdenkern aus. Und darüber hinaus ist man auch gerne mal recht nahe an der AfD.

    Das Blatt ist quasi ein Sprachrohr des BSW.

    Wer sich völlig überzeugen will, schaue sich auf der Facebookseite der Berliner Zeitung um - die Leserkommentare sind eine regelrechte Kloake aus Druschba, offenem Rechtsextremismus und Ostalgie.

    • @Suryo:

      Danke!

  • Sehr schön auch war zu beobachten, wie diejenigen, die immer gerne jedes Märchen, jede Desinformation, jede verzerrte Darstellung, die die Ukraine in irgendeiner Weise schlecht dastehen und den russischen Krieg als nicht ganz so schlimm oder gar gerechtfertigt erscheinen lässt, anfangs ihre "alternativen Informationen" gerne mit links zu RussiaToday oder zur Jungen Welt untermauert, dann aber, als das doch zu peinlich wurde, bevorzugt die Berliner Zeitung verlinkt haben.

    • @dites-mois:

      Früher war das mal eine respektable Zeitung. Seit der Übernahme durch den Ex-MfS-Mitarbeiter wird sie immer unappetitlicher. Man fragt sich, ob das nicht auch vielen Redakteuren unangenehm ist.