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Propalästinensische Proteste in BerlinDie Freude an der Repression

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Der Senat gibt im Umgang mit der Pro-Palästina-Bewegung den harten Hund. Dass das so wenig Widerspruch erfährt, liegt auch an den Aktivisten selbst.

Wenig zimperlich: Räumung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der HU in der vegangenen Woche Foto: Sören Stache/dpa

D ass und wie der Senat propalästinensische Proteste unterdrückt, ist hochgradig verstörend. Denn Schwarz-Rot scheint kein Problem damit zu haben, rechtsstaatliche Prinzipien zu missachten. Das zeigte jetzt auch noch einmal die Antwort der Innenverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken zur Auflösung des umstrittenen „Palästina-Kongresses“ im April. Fazit: Die rechtliche Begründung hierfür war komplett konstruiert.

Auch der Umgang mit den Besetzungen an der Freien Universität und der Humboldt-Universität in den vergangenen Wochen verdeutlicht, dass das Versammlungsrecht in Berlin keinen allzu hohen Stellenwert genießt.

So wurde HU-Präsidentin Julia von Blumenthal, die anfangs den Dialog suchen und nicht direkt räumen lassen wollte, von Berlins Regierendem Kai Wegner (CDU) und Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) zurückgepfiffen, die Polizei räumte umgehend, und das wenig zimperlich. Auf einer Pressekonferenz am Donnerstag beklagten die Be­set­ze­r:in­nen Übergriffe durch Polizist:innen, hinzu kamen ein verhafteter Anwalt und Angriffe auf Journalist:innen.

Im Hinblick auf die rechtsstaatliche Enthemmtheit, die Staat und Polizei gegenüber propalästinensischen Ak­ti­vis­t:in­nen zunehmend an den Tag legen, gibt es in der Zivilgesellschaft und der Medienöffentlichkeit nur wenig Widerspruch. Auch in der taz wird lediglich diskutiert, ob mit den Uni-Besetzungen nicht die Grenzen des legitimen Protests erreicht sind.

Selbstisolierung der propalästinensischen Bewegung

Doch die Gründe für diese Entsolidarisierung liegen weniger in vermeintlichen kollektiven deutschen Zwangsneurosen als vielmehr im Auftreten der propalästinensischen Bewegung selbst. Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober gelingt es vielen Ak­ti­vis­t:in­nen nicht, sich glaubhaft mit den antisemitischen Teilen ihrer Bewegung auseinanderzusetzen, gar davon abzugrenzen.

Kompromissbereit gibt sich die Bewegung kaum – wer Israel als legitimen Staat anerkennt, gilt als Zio­nis­t:in und somit als Gegner:in, wie der jüngste Boykottaufruf des Fusion Festivals durch die Gruppe Palästina Spricht zeigt. Statt Bündnisse zu schmieden, isoliert sich die Bewegung lieber selbst durch das Beharren auf Maximalpositionen.

Das macht die propalästinensische Bewegung zu einem Geschenk für konservative Po­li­ti­ke­r:in­nen wie Senatschef Wegner & Co., die hier ihre autoritären Fantasien ausleben können. Auf ihrem Repressionstrip haben sie quasi einen Freifahrtschein, auch weil viele linke Gruppen und große Teile der Zivilgesellschaft den Krieg in Gaza weiterhin ignorieren.

Dabei ist Protest gegen Israels Militäreinsatz in Gaza notwendiger denn je. In immer kürzeren Abständen erscheinen Medienberichte über zerbombte Zeltlager, gefolterte Kriegsgefangene und eine sich rasch ausbreitende Hungerkatastrophe. Deutschland ist der zweitgrößte Waffenlieferant Israels und könnte deutlich mehr tun, um das Land zum Einlenken zu bewegen.

Die Lösung wäre also, eine Alternative zu schaffen: eine Bewegung, die sich für einen sofortigen Waffenstillstand, Freilassung aller Geiseln und Stopp der Waffenlieferungen einsetzt, ohne die Hamas zu romantisieren und ohne antisemitische Ausfälle zu dulden. Man wird ja noch träumen dürfen.

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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31 Kommentare

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  • "Das Beharren auf Maximalpositionen" klingt hier so als handele es sich um eine rationale politische Aktivität.



    Im Gegenteil: alle diese "Gaza-Aktivitäten" haben ihren Auslöser im Hamas-Massaker und dessen Ausblendung oder Rechtfertigung. "Standing Together" in Israel wird genauso boykottiert. Es geht nur um Sieg und Vernichtung.



    Bei der kürzlich erlebten Veranstaltung: 45 Jahre Nicaragua-Solidarität rekapitulierte die Regisseurin Petra Hoffmann eine "Revolution, humanistischer als auf Cuba".



    Einige der Santinistas verziehen selbst den Schergen Somozas und sannen nicht auf Rache. Ich empfehle den Film allen Internationalist:innen: "Ein Traum von Revolution" D 2024, Buch, Regie: Petra Hoffmann; 95 min., der auch den Weg Ortegas in die Familiendiktatur zeigt.

  • Tatsache ist, dass ALLE jüdischen Einrichtungen rund um die Uhr Polizeischutz brauchen und es einen massiven Anstieg antisemitischer Straftaten gibt.

    Könnte das eventuell ein ganz kleines bisschen mit der „Enthemmtheit“ von Polizei und Justiz zu tun haben?

  • Es liegt einzig und allein an den Protestierenden, ob sie in ihren Reihen Straftaten, antisemitische Parolen und und Symbolik zulassen. Eine friedlicher Protest, ohne saudumme Parolen, rote Dreiecke und Niederbrüllen anderer Meinungen würde mit Sicherheit anders beantwortet werden.



    Da man sich aber nicht klar distanzieren möchte und weder gesprächs- noch kompromissbereit ist, wird man so behandelt und nicht weil der Staat hier unverhältnismäßig gegen friedliche Protestierende vorgeht.



    Wären das hier Leute aus dem rechten Lager, die antisemitische Parolen schreien, keiner hier würde von Repression sprechen, ganz im Gegenteil, man würde die Räumungen bejubeln.

    • @Deep South:

      Na aber hoffentlich ganz sicher doch würde und sollte man das tun!



      Denn Rechte, die antisemitische Parolen schreien, entspringen der gleichen Quelle des deutschen Gesinnungstums, die den Holocaust, die Ermordung von Millionen Juden überhaupt erst ermöglicht hat.



      Da sollte man als deutscher Nazi mit dem Schreien von antisemitischen Parolen tatsächlich die Füße still halten und wenn nicht, geht selbstverständlich der Staat mit voller Härte dagegen.

      Es ist erschreckend, dass Ihnen in dem Gleichnis der Unterschied nicht klar ist.



      Propalästinensische Proteste richten sich gegen eine rechtsextreme und religiös-fanatische Regierung eines Landes, die gerade einen grauenvollen Terrorangriff als Freifahrtschein missbraucht, um endlich ihre nationalistischen Ziele, die es schon lange vor dem 7. Oktober hatte, durchsetzen zu können, mit der Absicht, einen palästinensischen Staat weiterhin zu verhindern und, zumindest, wenn es nach einem nicht minderen Teil der israelischen Regierung geht, den Hamas-Angriff zu nutzen, um endlich am liebsten alle Palästinenser aus der Westbank und dem Gaza zu vertreiben. Und das jetzt schon seit über 30000 palästinensischen Toten, nicht israelischen!

      • @Edda:

        Siehste, genau das ist das Problem bei dem ganzen Thema hier. Du hast gar nicht verstanden, was ich geschrieben habe und sortierst mich gleich im "pro-israelischen" Lager ein.



        Ich hab gar kein Problem mit propalestinänsischen Protesten, halte sie teilweise sogar für angebracht und das Vorgehen der IDF für mehr als nur fragwürdig.



        Antisemitische Parolen, das Anbrigen von "Judendreiecken" und Hamas Symbolik hat damit aber nichts zu tun. Das ist Antisemistismus pur und wer sich nicht davon distanzieren möchte ist genauso unterwegs wie ein besorgter Bürger auf einer Nazi-Demo.



        Und da gibts nicht dran zu deuteln.

  • Gestern bin ich zufällig einer Palestina-Demo vor der Oper in Frankfurt begegnet. Der Hass und der Vernichtungswille gegenüber Israel war nicht zu übersehen. Ich bin mir sicher, das ein erkennbarer Jude hier einige Probleme bekommen hätte.

    Ist es Repression, Juden und die Ganze Gesellschaft vor diesem Hass zu schützen?

    Wären die Linken auch so tolerant, wenn die Teilnehmer einer AfD Demo „Smash Israel“ brüllen würden?

  • Protest muss nicht immer brav sein. Rosa Banks und Martin Luther King waren auch nicht brav.



    Was zu verlangen ist, ist Universalität und also Stimmigkeit - in diesem Fall auch ein Grundverständnis für jüdische oder israelische Positionen zum Thema, gemessen an universalen Prinzipien.

    A propos: Behörden sollten nie Bauern durchgehen lassen, was sie Klimaprotestierenden abschlagen. Sie sollten nie das eine unterbinden und das andere vergleichbare nicht, außer es gäbe universal zu verargumentierende festgelegte Gründe.

    Bei allem Verständnis für Hinweise auf die Not der Palästinenser: Müsste die Universität nun auch Besetzungen durch Tibeter, Westsaharaouis, ... dulden, und in welchem Umfang? Vielleicht wäre die Überlegung hierzu ein Beginn universaler Kriterien.

  • Der Kommentar unterstellt den Behörden eine irgendwie geartete Bösartigkeit - das finde ich absurd.

    • @Land of plenty:

      Naja. Ich würde sagen, in vielen Behörden herrscht eine Dummheit, die in ihrer Wirkung kaum von Bösartigkeit zu unterscheiden ist.

      • @Wurstprofessor:

        Da frage ich mich aallerdings, warum Hanlons Rasiermesser nicht bemüht wird.

        de.wikipedia.org/w...on%E2%80%99s_Razor

        • @metalhead86:

          Ich finde Hanlon fast so relevant wie Occam, wenn es um Rasiermesser geht, aber man darf das Wort "adequately" nixht überlesen! D.h., um im Bild zu bleiben, selbst wenn der Barbier nicht Sweeney Todd ist kann er sich so dumm anstellen, dass er von diesem es Post nicht zu unterscheiden ist.

  • Um die Besetzung einer Universität zu beenden braucht man keine "richtige rechtliche Lösung". Es gibt kein Grundrecht darauf ein Gebäude zu besetzen. Es gibt das Grundrecht sich "friedlich unter freiem Himmel zu versammeln".

    • @Martin Sauer:

      Und das gilt auch für den Universitätscampus.

      • @Francesco:

        Schließt der Begriff "Campus" für Sie automatisch die Gebäude und Räume der Universität ein?

        Hier in Mainz gibt es gegenüber dem alten Audimax einen großen Platz. Dort könnte man eine "Protestcamp" einrichten und hätte sogar reichlich Aufmerksamkeit, da sehr viele Leute auf dem Weg zu den Hörsälen und Instituten dort vorbeikommen.

        Es gäbe also keine Notwendigkeit, Räume zu besetzen und Wände mit Parolen zu beschmieren. Aber für manche gehört das offenbar zu einer widerständigen Protestkultur, leider

      • @Francesco:

        Falsch, der Universitaetscampus, eingezäunt oder nicht, ist nicht öffentliches Gelände. Der Eigentümer genießt Hausrecht. Es liegt in seinem Ermessen, wen er aufs Grundstück lässt und wen nicht.

  • Im Grundgesetz steht eine massive Einschränkung der Versammlungsfreiheit: "friedlich und ohne Waffen". Für viele sogenannte Aktivisten ist das eine zu starke Hürde.



    Je mehr Restriktionen die Aktivisten den anderen 99,99% der Menschen in Deutschland auferlegen, desto unpopulärer werden Demonstrationen. Man darf dann nicht mehr studieren, Reisen, Transporte durchführen, pünktlich zu Terminen kommen.



    Das Anliegen der Demonstrationen wird eher in Miskredit geraten. Die anderen 99,99% werden dann eher das Gegenteil einfordern.

    In der modernen Gesellschaft sind Versammlungen eine veraltete Methode: Wir sollten stattdessen glaubwürdige Online- Demonstrationen einführen.

  • "Boykottaufruf des Fusion Festivals" is nu leider kein Deutsch. Es geht um einen"Aufruf zum Boykott des Fusion Festival"[1] Auch Journalistensprech sollte gewisse Ansprüche erfüllen an sprachliche Qualität und Genauigkeit. Gerade der.

    [1] (oder "... des Fusion-Festivals" mit deutschem Genitiv, dann aber auch deutschem Bindestrich)

    • @lesnmachtdumm:

      Vielleicht ist das Inhaltliche sogar noch spannender, doch beipflichten will ich Ihnen lauthals.



      Bindestriche für die Welt! Das unverdaute Anglisieren ist Augenpein.

  • Wer mit einer Besetzung eines Universitätsgebäudes zwecks Protest den Betrieb stört, der verletzt damit z. B. des Recht Jener, die dort ihr Recht auf Bildung (Art. 26 der Allg. Erklärung der Menschenrechte) wahrnehmen wollen.

    Freiheiten haben ihre Grenzen, und das sind die Freiheiten und Rechte der anderen.

    Da Frage ich mich, ob diese beim Autor keinen ebenso hohen Stellenwert genießen?

    Gibt es denn irgendeinen Grund, weswegen die Protestierenden ihre Anliegen in keiner Weise vortragen konnten, ohne dabei die Rechte Anderer zu verletzen?

    • @Socrates:

      Besetzungen gehören seit Jahrzehnten zur Protest-Folklore an Universitäten - das mag man nun für sinnvoll halten oder nicht, es als Menschenrechtsverletzung zu beschreiben ist aber grotesk übertrieben - und potentiell gefährlich, weil man so den Bildungssektor insgesamt gegen jede Form von Protest immunisiert, die den regulären Betrieb stört (nur zur Erinnerung: es geht hier um ein paar ausgefallene Lehrveranstaltungen, nicht um ein generelles Bildungsverbot). Die erhitzte Rhetorik macht wohl manchmal blind für die Konsequenzen der eigenen Forderungen.

      • @O.F.:

        Gehört es für Sie auch zur "Protest-Folklore", wenn dann Wände mit Parolen beschmiert und, wie offenbar in Berlin passiert, Räume verwüstet werden?

        Ich finde @Socrates' Wort vom "Bildungsverbot" auch übertrieben, aber zu einer solidarischen und demokratischen Gesellschaft gehört für mich auch, daß Minderheiten keinen Anspruch darauf haben, sich ohne Rücksicht auf andere ausleben zu können, egal, ob das Bauern sind, religiöse Fanatiker oder politische Kleingruppen.

      • @O.F.:

        "Die erhitzte Rhetorik macht wohl manchmal blind für die Konsequenzen der eigenen Forderungen."

        Dafür ist eigentlich die Uni zuständig, den jungen Menschen beizubringen, nicht auf so plumpe Slogans hereinzufallen und die möglichen Folgen ihrer Forderungen zu bedenken. Aber wer lieber die Uni besetzt und streikt, kanb halt nicht lernen.

        • @BrendanB:

          Ich habe mich an dieser Stelle nicht auf die Studenten bezogen. Demonstrierenden Studenten vorzuwerfen, sie hätten nichts gelernt, klingt übrigens unangenehm nach konservativem Stammtisch – auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, lege ich der sog. Mitte ans Herz, ab und an über die eigene Radikalisierung nachzudenken.

          • @O.F.:

            "Ich habe mich an dieser Stelle nicht auf die Studenten bezogen."

            Das ist mir schon klar. Nur passt dieser Satz besser auf die "Studenten" als auf diejenigen, die diese kritisieren.

  • Was des Besetzen von Universitätsgebäuden mit dem Versammlungsrecht zu tun hat, bleibt das Geheimnis des Autoren. Hier wurde ein Hausrecht ausgeübt und zwar sehr viel milder als möglich gewesen wäre.

  • also ich wär dabei...

  • Blumenthal hat den Dialog gesucht - der gescheitert ist. Wie kann es sein das selbst ein Dialog in der HU scheitert - der lediglich beinhaltet hätte Positionen auszutauschen - und eventuell dazu geführt hätte das Thema Palästina stärker in das Curriculum einzubauen - was ja eigentlich die Aufgabe einer Universität ist?

    Wo ist das überzeugende Narrativ der sogenannten Pro-Palästina Fraktion? Mit welchen Argumenten würde die Pro-Palästina Bewegung andere überzeuegn wollen?



    In welcher Form nimmt die Pro-Palästina Fraktion am Curriculum an der FU und an der HU teil?

    Eindeutig sind die verwüsteten und eindeutig beschrifteten Räumlichkeiten



    des sozialwissenschaftlichen Instituts an der HU die bis auf weiteres geschlossen sind.

    Was war die Idee? Allerweltsforderungen aus dem hohlen Bauch aufzustellen kann jeder - aber ein Narrativ zu entwickeln welches einschliesst, das Gaza seit 2005 eine selbstständige Einheit war und vor dem 7. Oktober 80.000 Palästinenser in Israel gearbeitet haben - dabei wird es schon ein bißchen schwieriger.

    Sich lediglich als Opfer polizeilicher Willkür darzustellen als Erklärung, was in den letzten Wochen passiert ist, reicht definitiv nicht. -

    • @zartbitter:

      Danke! Sehr gut beschrieben.

    • @zartbitter:

      Sehr schön zusammengefasst.