Programm der Starmer-Regierung: Securonomics statt Kindergeld
Nach 16 Jahren Tories könnte die Starmer-Regierung ein Befreiungsschlag sein. Bei der Kinderarmut setzt sie aber schon jetzt die falschen Prioritäten.
E igentlich sollte im Königreich mit der Keir-Starmer-Regierung eine Partei an der Macht sein, die sich für soziale Anliegen, Gerechtigkeit und die Rechte von Arbeiter:innen einsetzt. Doch die neuen Slogans aus der Partei lauten „Securonomics“ und Wachstum. Unter Jeremy Corbyn vor fünf Jahren klang das noch anders: „For the many, not the few.“
Immerhin will sich die Partei des Menschenrechtsanwalts Starmer nicht nur hinter das europäische Menschenrecht stellen, sondern ist auch an der Aufarbeitung von Unrecht und an entsprechender Entschädigung interessiert: etwa der Opfer des „Blutskandals“, der Angestellten im „Post-Office-Skandal“, der Geschädigten des „Windrush-Skandals“, als Überlebende der britischen Kolonialherrschaft aus der Karibik in Großbritannien kriminalisiert wurden, sowie der Opfer und Überlebenden des Infernos vom Grenfell Tower.
Auch sind viele von Gewerkschaften geforderte Schutzmaßnahmen für Arbeitnehmer:innen groß im Programm: das Ende der Nullstundenverträge und der Hire-and-Fire-Praxis sowie ein Verbot von Lohnunterschieden zwischen Menschen mit unterschiedlichen Identitätsmerkmalen. Das Pflegepersonal soll künftig „faire Gehälter“ erhalten.
Im Sinne progressiver Politik ist auch das Vorhaben, häusliche Gewalt bis Regierungsende zu halbieren, Änderungen im Baurecht, die 1,5 Millionen Wohnungen liefern sollen, sowie ein verstärkter Mieterschutz für Millionen von Menschen, die auch auf eine bessere, bald verstaatlichte Bahn hoffen können. Die mentale Gesundheitsversorgung soll aufgewertet werden und Frühstücksprogramme in allen Schulen sollen weitere Barrieren abbauen und gegen Kinderarmut helfen.
Austerität statt Armutsbekämpfung
Doch gerade die Politik zur Kinderarmut ist es, die der neuen Labour-Regierung schon jetzt zum Verhängnis geworden ist. Viele Hilfsorganisationen und Vertreter:innen nahezu aller Parteien fordern die Abschaffung der von den Tories eingeführten Begrenzung des Kindergelds auf nur zwei Kinder. Würde diese abgeschafft werden, könnten Expert:innen zufolge fast eine halbe Million Kinder aus der Armut gehoben werden.
Doch die Labour-Führung Starmers glaubt, sie könne die Kosten dafür, umgerechnet drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr, derzeit aufgrund der Staatsverschuldung nicht verantworten.
Bei der Wahl zwischen sich selbst aufgezwungenen Wirtschaftsregeln und eindeutigen Maßnahmen gegen Kinderarmut hätte gewissenhafte Politik keine Probleme, die richtige Entscheidung zu treffen, glaubt der renommierte britische Journalist Andrew Marr im New Statesman und stellt deshalb die berechtigte Frage: Woran glaubt Labour überhaupt noch?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Anschlag von Magdeburg
Aus günstigem Anlass