Prognose zur Gasversorgung im Winter: Es läuft doch
Die Prognose der Bundesnetzagentur zur Gas-Versorgungslage stimmt optimistisch. Von wegen, German Angst! Dennoch ist Misstrauen angebracht.
D ie Nachrichten der Bundesnetzagentur zur Lage der Gasversorgung lassen sich auf zwei Arten lesen. Die eine Lesart stimmt optimistisch. Die zuerst.
Die Bundesrepublik kann auf existenzielle Krisen kräftig und trotzdem unaufgeregt reagieren. Den Gasmangel im vergangenen Winter, verursacht durch den russischen Angriffskrieg und die jahrelange Schlafmützigkeit der Wirtschaftsminister, hat die Bundesregierung entschlossen beantwortet. Zupackend und pragmatisch hat das grün geführte Wirtschaftsministerium alternative Gasquellen erschlossen.
Die Industrie hat effektiv russisches Gas ersetzt; zwar leidet sie unter gestiegenen Energiepreisen, aber angesichts von Krieg und Inflation hält sie sich und damit den Arbeitsmarkt erstaunlich stabil. Demgemäß nimmt die Bevölkerung die Abwendung der Gasmangellage mit Gelassenheit wahr. Laut Umfragen fürchten nur die wenigsten Deutschen Versorgungsprobleme. Von wegen „German Angst“ – wenn’s drauf ankommt, drehen sie an der Raumtemperatur und fertig.
Klingt gut. Doch es gibt eben eine zweite Lesart, und nach der fällt diesem Land angesichts einer tiefen Bedrohung nichts anderes ein als eben das: Weitermachen wie bisher. Jeder, der es sich finanziell irgendwie erlauben kann und bei dem es technisch sinnvoll ist, baut sich eine Wärmepumpe ein? Nö, lieber ein neues Auto kaufen. Die Unternehmenschefs erkennen die Sackgasse, in die ihr stetig wachsender Hunger nach Energie und Rohstoffen führt, und suchen innovativ nach Auswegen? Vor allem große Firmen drohen lieber mit Produktionsverlegungen ins Ausland. Und der kleinmütige Kanzler stellt sich nicht mal hinter eines der wenigen Gesetze, das die Gaskrise langfristig anpacken wollte: das Heizungsgesetz.
In Bezug auf die überschaubare Krise eines Gasmangels sind beide Lesarten möglich. In Bezug auf die Fähigkeit, die systemischen Krisen des Klimas und der Biodiversität anzupacken, stimmen beide Lesarten misstrauisch.
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