Steigender Meeresspiegel: Wann Düsseldorf versinkt

Ob die Meere steigen und die Städte bis in die rheinische Tiefebene versinken, hängt auch vom Klimaschutz dieser Tage ab.

Buhne an der Nordseeküste, Zwei Menschen stehen mit den Füssen im Wasser

In Cuxhaven steht der Pegel heute 40 Zentimeter höher als bei Messbeginn Foto: Günter Franz/imageBROKER/imago

Wie verzweifelt die Situation ist, macht die Arbeit eines niederländisch-deutschen Forscherteams deutlich: Im Kampf gegen den Anstieg des Meeresspiegels fordern sie, die Nordsee einzudeichen. Nötig wäre ein 161 Kilometer langer Damm von Frankreich nach Südengland und 476 Dammkilometer von Schottland nach Norwegen – was die 15 Anrainerstaaten von Nord- und Ostsee wesentlich billiger käme, als wenn jedes Land einzeln gegen den Anstieg der Ozeane kämpft. Das „Northern European Enclosure Dam“-Projekt müsse allerdings zügig umgesetzt werden. Erstens dauert der Bau einige Jahre. Zweitens steigt der Meeresspiegel ja bereits: In Cuxhaven steht der Pegel heute 40 Zentimeter höher als bei Messbeginn. Drittens hat sich der Anstieg in den letzten Jahren rasant beschleunigt, das Zeitfenster zu reagieren schließt sich also.

Bislang lag das Augenmerk der Wissenschaft hauptsächlich auf Grönland: Der dortige Eispanzer ist 3.300 Meter stark. Wer in die Berge wandern geht, packt sich einen Pullover ein, denn oben ist es kühler als unten im Tal. Das ist auf Grönland ganz genau so: Wenn der Eispanzer anfängt zu schmelzen, wandert seine Oberkante immer weiter nach unten in immer wärmere Schichten. Einmal angefangen, lässt sich dieser Tauprozess nie wieder stoppen, und die Wissenschaft warnt, dieser Anfang, der ist jetzt: Taut das Grönlandeis, steigt der Meeresspiegel allein aus dieser Quelle um sieben Meter an. Emden liegt ein Meter hoch.

Wissenschafter haben jetzt die Gletscher des Westantarktischen Eisschildes untersucht: Selbst wenn es die Staatengemeinschaft schaffen würde, die globale Klimaerhitzung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, wird dort das Schelfeis abtauen – jener Gürtel, der dafür sorgt, dass sich die Glescher nicht ins Meer ergießen. Ohne Schelfeis werden diese Eismassen die Ozean um weitere fünf Meter ansteigen lassen, wenn sie vollständig abgeschmolzen sind. Dazu kommen die Wassermassen der Inlandsgletscher, die Alpen beispielsweise werden Ende des Jahrhunderts nahezu komplett abgetaut sein. Selbst die Gletscher in der Ostantarktis, die lange Zeit von der Wissenschaft als stabil eingeschätzt wurden, verlieren mittlerweile Eis: Der Meeresspiegel wird um 60 Meter höher liegen, wenn der Klimawandel nicht gestoppt wird. Auch Düsseldorf liegt dann unter Wasser.

Das wird nicht bis Ende des Jahrhunderts, auch nicht bis Ende des Jahrtausends passieren: Physikalisch kann der Meeresspiegel nur um ein bis zwei Meter pro Jahrhundert ansteigen. Ob es aber 60 Meter werden, entscheidet sich dieser Tage: Ohne Klimaschutz werden Kippelemente auf Grönland, in den Anden, im Tientschan, im Himalaja oder in der Antarktis in Gang gesetzt, die nie wieder gestoppt werden können. Statt jetzt aber anzufangen, Klimaschutz zu leben, diskutieren wir lieber über Wärmepumpen, Tempolimit, „Veggieday“ und Industriestrompreis.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Seit 1998 bei der taz (mit Unterbrechungen), zunächst als Korrespondent in Dresden, dann als Wirtschaftsredakteur mit Schwerpunkt Energie, Klima und Landwirtschaft, heute Autor im Zukunftsressort.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.