Olaf Scholz in China: Kanzler äußert überraschend Kritik
Chinas Staatsführung hat sich einen Wohlfühlbesuch vom Bundeskanzler erhofft. Doch der sprach über Menschenrechte und Marktzugänge.
Natürlich: Dabei handelt es sich um keinen diplomatischen Durchbruch für das Ende des Ukraine-Kriegs. Doch immerhin war das Chinas bislang deutlichste Warnung an Russlands Präsident Wladimir Putin. Dass Xi Jinping sie an Scholz' Seite aussprach, dürften viele in Europa als Erfolg des Kanzlerbesuchs werten.
Zugegebenermaßen waren die Erwartungen vor der Reise ziemlich niedrig. Noch am Freitagmorgen schien Scholz' zwölfstündiger Kurzaufenthalt in Peking nicht mehr zu sein als ein substanzloser Austausch diplomatischer Floskeln.
Die deutsche Delegation bewegte sich in einer vollständig abgeriegelten Corona-Blase mit einem Radius von wenigen hundert Metern. Auf dem Flug parkte die Regierungsmaschine zwischenzeitlich in Südkorea, wodurch die Crew die zehntägige Zwangsquarantäne in der „Null Covid“-Bastion China umging.
China soll Menschenrechte einhalten
Am Flughafen der chinesischen Hauptstadt rollten Seuchenschutzmitarbeiter in weißen Ganzkörperanzügen den roten Teppich aus. Als der Kanzler in der Großen Halle des Volkes Xi Jinping und den scheidenden Premier Li Keqiang traf, die zwei wichtigsten Politiker des Landes, nahmen sie ihre Gesichtsmasken allerdings ab.
„Es ist gut und richtig, dass ich heute hier in Peking bin“, leitete Scholz seine Erklärung ein. Dem dürften spätestens gegen Ende des Tagesprogramms selbst einige Skeptiker zustimmen: Der massive Unmut wegen der Reise des Kanzlers – auch unter europäischen Diplomaten – stellte sich teilweise als unbegründet heraus.
Scholz fand gegenüber der chinesischen Staatsführung direktere Worte, als viele Kritiker erwarteten. Mit Blick auf die Situation der Uiguren in Xinjang erinnerte er die chinesische Regierung daran, dass sie sich zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet hat. Das zu erwähnen sei zudem „keine Einmischung in innere Angelegenheiten“, wie Peking ansonsten unterstelle.
Zur Taiwan-Frage sagte Scholz, jedwede Veränderung des Status quo dürfe „nur friedlich und im gegenseitigen Einvernehmen“ erfolgen. Ebenfalls bat er Xi Jinping darum, seinen Einfluss auf Russland zu nutzen. Dazu sagte Li Keqiang zumindest in einer vagen Stellungnahme: „Wir können uns keine weitere Eskalation leisten.“
Um einen reinen Wohlfühlbesuch, wie ihn sich Chinas Staatsführung erhofft hatte, handelte es sich also nicht. Gegen Ende des gemeinsamen Pressetermins, bei dem die chinesische Seite keine Fragen zuließ, verfinsterte sich sichtlich Premier Li Keqiangs Miene. Hochrangige Parteikader sind es nicht gewohnt, dass Reporter unangenehme Themen ansprechen.
Scholz äußerte auch bei wirtschaftlichen Fragen Kritik – etwa zum Marktzugang ausländischer Unternehmen in China. Seine Worte dürften Balsam für die unternehmerische Seele der mitgereisten Wirtschaftsdelegation gewesen sein. Insgesamt zwölf Vorstandschefs – von Adidas über BASF bis zu Volkswagen – begleiteten den Kanzler.
Kontakte für China wichtig
Aber vermutlich reisten die deutschen Spitzenmanager ohne voluminöse Deals zurück. Schon die Corona-Blase machte Verhandlungen für Chinesen unattraktiv. Lediglich Biontech bekam zugesichert, dass ausländische Expats in China endlich MRNA-Impfstoff auf legalem Wege erhalten dürfen. Die Volksrepublik hat bislang nur ihre heimischen Totimpfstoffe zugelassen.
Chinesische Zeitungen hielten sich mit Bewertungen des Besuchs auffällig zurück. Im Vorfeld hofften sie, Olaf Scholz emanzipiere sich vom Druck der USA und führe den pragmatischen Kurs Angela Merkels fort. Gemessen an daran, dürfte die chinesische Staatsführung wohl nur mäßig erfreut sein.
Chinas Beziehungen gegenüber dem Westen verschlechterten sich in der Pandemie dramatisch. Die wirtschaftliche Lage des Landes ist nach zweieinhalb Jahren „Null Covid“ überaus angespannt. Für Xi Jinping ist es deshalb wichtig, den Kontakt nach Deutschland zu erhalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört