Chinas Haltung gegenüber Russland: Heuchlerisches Doppelspiel

Viele Experten behaupten, dass Peking seinen Kurs gegenüber Moskau korrigiert habe. Doch die Fakten sagen etwas anderes.

Putin und Xi stehen vor den Flaggen ihrer Länder.

Im Zweifel an Moskaus Seite: Chinas Präsident Xi (re.) und Russlands Präsident Putin Foto: Alexei Druzhinin/Sputnik/Kreml/ap

Als Olaf Scholz in Peking war, haben viele Beobachter lobende Worte an Chinas Staatschef Xi Jinping gerichtet: Der hatte erstmals seit Beginn des Ukrainekriegs den „Gebrauch und den Einsatz von Atomwaffen“ öffentlich abgelehnt. Es handelte sich immerhin um die bis dato deutlichste Kritik Chinas an Russland.

Doch dass die Volksrepublik ihren Kurs gegenüber Moskau korrigiert habe, wie viele Experten behaupteten, ist reines Wunschdenken und entbehrt jeder faktischen Grundlage.

Nach wie vor versucht sich die Volksrepublik an einem heuchlerischen Doppelspiel: Nach außen gibt man sich als neutrale Friedensnation, die sich für Verhandlungen und Gespräche einsetzt. Effektiv jedoch hat man sich auf die Seite Russlands geschlagen. Denn während sich Xi und Putin nur wenige Tage vor der russischen Invasion „grenzenlose Freundschaft“ versprachen, hat Chinas Staatschef mit Wolodimir Selenski seit Kriegsbeginn nicht einmal telefoniert.

In den offiziellen Staatsmedien wird fast ausschließlich die russische Propaganda übernommen. Als die Vereinten Nationen über eine Resolution abstimmten, um „eine Grundlage für künftige Reparationszahlungen von Russland an die Ukraine zu schaffen“, stimmte China – mit Syrien, Nordkorea und Iran – dagegen. Und erst am Dienstag begrüßte Chinas Außenminister Wang Yi seinen russischen Amtskollegen mit herzlichem Lächeln und versprach, „die pragmatische Zusammenarbeit mit Russland vertiefen“ zu wollen.

Natürlich ist Chinas Haltung gegenüber Russland nicht in Stein gemeißelt. Doch über kurzfristige Verstimmungen steht weiterhin Pekings strategisches Interesse, die Weltordnung nach den eigenen Vorstellungen umzugestalten. Und um die westliche Hegemonie zu durchbrechen, braucht es nach chinesischer Logik unbedingt Russland als Partner.

Dass der Einsatz von Atomwaffen eine rote Linie für das Zweckbündnis darstellt, ist natürlich gut. Doch eine solche Haltung sollte eine Selbstverständlichkeit sein – und verdient keinen internationalen Beifall.

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Seit 2019 China-Korrespondent mit Sitz in Peking. Arbeitete zuvor fünf Jahre lang als freier Journalist für deutschsprachige Medien in Seoul, Südkorea. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.

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