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Ökonom über drohenden Handelskrieg„Weniger China, mehr USA“

Eine Abkopplung von China würde Deutschland sechsmal so viel kosten wie der Brexit, sagt Ifo-Ökonom Florian Dorn.

Abhängig: Volkswagen erwirtschaftet fast die Hälfte seines Umsatzes in der autoritären Volksrepublik Foto: Alex Plavevski/epa
Felix Lee
Interview von Felix Lee

taz: Herr Dorn, Ihrer Studie zufolge würde ein Handelskrieg mit China die Deutschen fast sechsmal so viel kosten wie der Brexit. Die deutsche Wirtschaft büßte im Zuge des Brexits rund 0,14 Prozent an Wirtschaftsleistung ein. Warum halten Sie einen BIP-Verlust von knapp 0,9 Prozent im Falle eines Handelskriegs mit China dennoch für dramatisch?

Florian Dorn: Das klingt zwar wenig. Die Prozentwerte beziehen sich aber auf einen langfristige Niveaueffekt der Wirtschaftsleistung. Die realen Wachstumsverluste in der Übergangsphase im Falle eines Handelskriegs mit China würden weitaus größer ausfallen. Deutschland als Exportnation müsste sein Geschäftsmodell neu ausrichten. Ganze Branchen würden Einbrüche erleben.

Welche Branchen wären besonders betroffen?

Insbesondere Branchen im verarbeitenden Gewerbe, die stark im internationalen Handel verflochten sind. Der größte Verlierer wäre die Automobilindustrie. Hier würde es einen Wertschöpfungsverlust von rund 8,3 Milliarden Dollar geben, das entspricht einem Minus von rund 8,5 Prozent. Auch die Maschinenbauer, die Transportausrüstung herstellen, wären mit einem Minus von über 5 Milliarden Dollar und Unternehmen massiv betroffen. Sie müssten auf günstige Vorleistungsgüter aus China verzichten, die sie dann teurer aus anderen Ländern beziehen müssten. Zugleich würde der große Absatzmarkt China für sie wegbrechen.

Im Interview: Florian Dorn

Florian Dorn, 36, ist Ökonom am ifo Institut, Direktor von EconPol Europe, und lehrt an der Ludwig-Maximillians-Universität München Finanzwissenschaften und Wirtschaftspolitik.

VW, BASF oder Siemens produzieren für den chinesischen Markt zum großen Teil vor Ort. Würde ein Handelskrieg wirklich so viele Arbeitsplätze hierzulande vernichten?

Zwar produzieren diese Unternehmen in China. Aber trotzdem beziehen sie viele Vorprodukte von Fabriken und Zulieferern hier in Deutschland. Fallen diese Aufträge weg, würde das auch hier viele Arbeitsplätze kosten.

Für wie wahrscheinlich halten Sie das Szenario eines Handelskriegs?

Darüber mag ich nicht spekulieren. Was wichtig ist – und das hat nicht zuletzt der Ukraine-Krieg gezeigt: Dass wir auf unterschiedliche Szenarien vorbereitet sind. Die aktuellen Spannungen zwischen China und Taiwan, sowie China und den USA zeigen, wie groß das Konfliktpotenzial ist. Und Deutschland und Europa könnten da schnell mit einbezogen werden. Insofern sollten die Unternehmen lieber schon jetzt mit der Diversifizierung beginnen.

Ist die Studie nicht Beleg dafür, dass die deutsche Abhängigkeit von China längst zu groß ist und wir uns deswegen auf keinen Fall an einem Handelskrieg beteiligen sollten?

Natürlich wäre es wünschenswert, Handelskriege zu vermeiden. De-Globalisierung oder Handelskriege machen immer ärmer. Aber man sollte nicht blauäugig in die Zukunft blicken und sagen: Das wird schon nicht passieren, weil das schadet ja beide Seiten. Die Entscheidung eines Handelskriegs wird aber nicht allein von Deutschland getroffen, sondern ein Handelskrieg kann auch umgekehrt von China gestartet werden. Sicherlich sollten sich Unternehmen nicht ohne Not von wichtigen Handelspartnern abwenden. Ich würde parallel dennoch bereits jetzt stärker auf Freihandelsabkommen mit gleichgesinnten Nationen wie etwa den USA setzen. Das sollte das Ziel der deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik sein.

Wäre eine Rückverlagerung vieler Betriebe aus China, also eine Nationalisierung von Lieferketten, keine Lösung?

Nein, im Gegenteil: Eine Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland, in die EU oder auch in benachbarte Regionen, würde noch deutlich höhere Kosten für die Wertschöpfung in Deutschland bedeuten. Das liegt daran, dass die Produktion dadurch deutlich teurer wird. Wir würden in Wirtschaftsbereichen die Produktion und Beschäftigung hochfahren, die im Vergleich zu anderen Branchen hierzulande unproduktiv wäre. Außerdem würden wir die Preise unserer Produkte im Welthandel nach oben treiben und an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Im Endeffekt würde es dabei zu weniger Nachfrage im In- und Ausland nach vielen dieser Waren kommen. Durch Rückverlagerung würde die deutsche reale Wirtschaftsleistung im Niveau um etwa 9,9 Prozent sinken. Wir würden also deutlich an Wertschöpfung und Wohlstand verlieren.

Was wären dann die Alternativen zu China?

In einem Szenario haben wir die Entkopplung der westlichen Länder von China simuliert, kombiniert mit einem Handelsabkommen zwischen der EU und den USA. Ein solches US-europäisches Handelsabkommen könnte die negativen Auswirkungen der Entkopplung des Westens von China zwar nicht vollständig ausgleichen. Durch die erwarteten Gewinne im Handel mit dem großen Markt der USA würden die Kosten netto aber auf einem ähnlichen Niveau liegen wie die erwarteten Kosten des Brexits. In diesem Szenario wüssten wir zumindest, was auf uns zukäme.

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25 Kommentare

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  • Nachdem die USA jahrelang Druck gemacht hat Europa möge doch ihr teures und ungleich umweltzerstörendes Fracking Gas abnehmen, sind wir nun seit der Ukrainekriese an jahrelange Abnahmeverträge gebunden. Dieses Prinzip jetzt weiter auszubauen sollte bedacht werden.

  • Wer die Kosten des Brexit für Deutschland schätzen will, der braucht genauere Zahlen, als irgendjemand heute zur Verfügung hat. Und wer über die Kosten eines Abkoppelns von der chinesischen Wirtschaft spekuliert, der muss ein begnadeter Glaskugelleser sein.

    Da spielen so viel unvorhersehbare und teils auch im nachhinein nicht feststellbare Fakten eine Rolle. Das ist so ähnlich, wenn wir den Grund des heutigen Wetters bei dem berühmten umfallenden Sack Reis in China sehen. Oder ist es der Schmetterling dort? Oder beides?

    Aber das wichtigste ist wohl eine Aussage zu machen um selbst wichtig zu erscheinen!

  • Partner der Weltwirtschaft befinden sich in gegenseitiger Vertrauenskrise, weil sich WTO, IWF mit dessem gehorteten 700 Milliarden $ Fonds an Sonderziehungsrechten außerstande erweisen, Unwuchten im asymmetrisch aufgestelltem Welthandels-, Weltwährungssystem auszubalancieren, abgebildet im USA Handelsblianzdefizit u. a. Länder, Handelsblianzüberschüssen von China, Deutschland, Japan, Südkorea, immer weniger Partner selbst in Special Relationship "Gleichgesinnter" Risiken der anderen mitzutragen bereit sind. Stattdessen durch Protektionismus, unkonditioniert unbefristete Sanktionen gegen Dritte, nicht nur in USA seit Donald Trump Ära 2016-2021, die wie Zollschranken wirken, durch Abschottung ihrer nationalen Märkte über Beschäftigung, Binnenkaufkraft in eigner Währung zu generieren. Dass jetzt Handelskrisen bis -kriege heftig eskalieren, wie in der Ukraine seit 24.2.2022 durch russischen Angriffskrieg, China-Taiwan Konflikt, täuscht darüber hinweg, dass es diese verdeckt selbst in Special Relationship Gleichgesinnter seit Jahrzehnten gibt durch massiv staatliche Subventionierung eigener Exportwirtschaft zulasten Binnenkaufkraft, staatliche Haftung politischer Risiken der Exportwirtschaft in aller Welt selbst bei Vergabe von Verbraucherkrediten an ausländische Kunden zum Erwerb amrikanischer, chinesischer, aber eben auch deutscher Produkte auf DM, seit 2002 auf € Basis, über die Hermeskreditversicherungsanstalt. Wenn sich jetzt Bedeutungsrang der Exportwirtschaften der Länder zurückgeht, werden auch arhebliche Mittel staatlicher Subventionierung frei, die Binnekaufkraft zu stärken bei sicher nicht zu unterschätzendem Risiko die Alimentierung von Unternehmen flächendeckend auszuweiten, die über bisherig anlasslose Lohnsubvention zugunsten privater, staatlicher Arbeitgeber zulasten Arbeitnehmern hinausgeht, notgedrungen zur Stärkung der Binnenkaufkraft Anteil der Alimentierung von Privathaushalte in der Breite und Schichtung der Leistungsbezieher*nnen zu erhöhen

  • Können wir solche "Abhängigkeitsstudien" auch mal für USA, Emirate und Co. machen? Und dann sowas sagen ,wie wir bei Geheimgefängnissen, Kriegen reagieren würden und was uns das kosten würde. Ach nein, USA und speziell die Emirate würde uns ja nie verraten oder? ;)

    • @Daniel Drogan:

      Es gilt, wie immer, sich zuerst mit denen zu beschäftigen, die von ihrem Wertegebäude oder Demokratieverständnis weit von uns selbst entfernt stehen. Denn da ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass man getrennte Wege geht. Die USA da gleichzusetzen ist also wenig sinnvoll; Sie könnten sobst auch die Folgekosten fordern falls sich Bayern von DE unabhängig erklärt oder so.



      Bei den Emiraten bin ich aber bei Ihnen. Man hofft wohl, dass die zu klein sind uns zu erpressen und wirklich zu schaden. Charakterlich schwach von uns; mal wieder.

      • @Tom Farmer:

        Der Kommentar wurde entfernt. Unsere Netiquette können Sie hier nachlesen: taz.de/netiquette

        Die Moderation

      • @Tom Farmer:

        Die USA mit ihren vielen Angriffskriegen, Einmischungen, ihren über 800 weltweiten Militärbasen (allein, was die an CO2 produzieren), den Todesstrafen und der aufgerüsteten Bevölkerung teilen also unsere Werte? Da muss man schon die Augen zumachen, um damit leben zu können. Und wir wissen nicht, wie die nächsten Wahlen dort ausgehen: Plötzlich kann dann sowieso wieder alles anders sein.

        • @resto:

          Ob Ihnen derlei Details gefallen oder nicht, so stehen uns die USA in den Hauptrichtungen (Freiheit, Demokratie, Wirtschaftsform) doch sehr nahe.



          Wie sich die anderen Großmächte einmischen (China und Russland) sehen wir derzeit täglich im TV. Da scheinen mir die USA schon fast defensiv, derzeit (!).

          • @Tom Farmer:

            "Freiheit, Demokratie, Wirtschaftsform"



            Freiheit wie bei Assange? Ahja,



            Demokratie? Bei einem Zwei-Parteien-System was andere Parteien regelrecht ausbootet? Ahja na klar.



            Wirtschaftsform, die auf Verdrängung, Ausbeutung und co. beruht, die man dann mit Krieg noch durchsetzt. Ja genau unser Ding. LoL.

            "Wie sich die anderen Großmächte einmischen (China und Russland) sehen wir derzeit täglich im TV." Würde die USA nie machen, nie in Afghanistan, nie im Irak, nie im Iran, nie in Libyen, nie in Syrien, nie.......

            Der Kommentar wurde gekürzt. Unsere Netiquette können Sie hier nachlesen: taz.de/netiquette

            Die Moderation

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "VW, BASF oder Siemens produzieren für den chinesischen Markt zum großen Teil vor Ort. "

    Und genau das war der Fehler. Waren die alle blind oder hat man einfach diesen Terrorstaat akzeptiert, weil die Profite halt so geil waren und sind?

    Wie immer - abgerechnet wird zum Schluss.



    Mit Xi`s Neuer Seidenstraße sollten wir Schluss machen.



    Es kann nicht sein, dass Xi sich Taiwan einverleibt inkl. der wertvollen Chip-Industrie und wir schauen einfach zu.



    So nicht!

  • Inder aktuellen Wirtschaftswelt hat Herr Dorn sicher recht. Die Frage ist aber, ob sich die Art wie wir wirtschaften dauerhaft funktionieren wird. Ist die deutsche Automobilindustrie mit der aktuellen Ausrichtung (Daimler will nur noch Luxusautos bauen und alle Kleinwagen einstampfen) oder auch die gesamte auf Konsum und Ressourcenverbrauch ausgelegte Wirtschaft zukunftsfähig?



    Was scheint zukunftsfähig: Eine Anpassung an ein "reduziertes" China oder eine Neuausrichtung von Produktion und Konsum: Reparaturindustrie, Kreislaufindustrie, Klimaschutzindustrie.

    • @Tom Farmer:

      Ich würde sagen, der Passus "Industrie" müsste erst einmal für eine verständige Besprechung, die keine Zweifel offen lässt, der gemeinsamen Zukunft mit allen Bevölkerungsschichten, definiert werden.

  • Wenn wir dann erfolgreich unsere Abhängigkeit von China verringert und die Abhängigkeit zur USA entsprechend vergrößert haben, kommt Trump 2.0 mit America first. Das wird ein Heidensspaß. ;-)

  • Den Handel mit China einzuschränken ist und bleibt eine Schnapsidee.

    Den Chinesen tut das nicht weiter weh, uns dagegen sehr wohl.

  • Mehr Automatisierung wagen!

    • @Schnurringer:

      Dem Menschen eine vollbionisch elektronische Lunge! 👍

  • @GERHARD KRAUSE

    Ja, das ist dieselbe Zunft, die 2009... nicht hat kommen sehen.

    Regenmacher. Sicherlich folkloristisch wertvoll.

  • Dass in einigen Jahren eine forcierte (wirtschaftliche) Abhängigkeit von den USA ziemlich kritisch gesehen wird, halte ich sehr wahrscheinlich.

  • Info - er lehrt Wirtschaftspolitik. 🤦

    • @Gerhard Krause:

      Ich finde die Argumentation nicht schlüssig. Auf der einen Seite ist Rückholung von Produktion aus CN ganz böse, weil teurer, auf der anderen Seite soll der Handel mit USA ausgebaut werden. Vor allem wird nicht berücksichtigt, dass wir in Osteuropa vergleichsweise günstig produzieren können. Außerdem wird Effizienzsteigerung völlig außen vor gelassen.

      • @ganzjahres Reichweite:

        Yep, TTIP, ick hör dir trabsen. .. Und so ein "schönes" sinnfreies Wording hat der Herr Hochschullehrer. Bei mir wäre er durchgefallen. Prima, dass ihn Herr Lee ein wenig unter Druck gesetzt hat. Leider waren die Daumenschrauben nicht groß genug.

      • @ganzjahres Reichweite:

        "Vor allem wird nicht berücksichtigt, dass wir in Osteuropa vergleichsweise günstig produzieren können."

        Merken Sie was?



        Damit wir hier schön mit unseren SUVs aus dem Speckgürtel zum Job pendeln können, sind wir drauf angewiesen, dass in anderen Ländern der Lebensstandard signifikant unter unserem bleibt.

        • @Nansen:

          Da werden Inflationsdifferenzen beschrieben. Sicherlich haben Sie zumindest im Mittel recht. 👍💸

        • @Nansen:

          Oder vielleicht auch dafür, dass wir uns in Deutschland einen Sozialstaat leisten, den es sonst nicht geben könnte. Am Ende des Tages muss jeder Euro der verteilt wird, vorher auch verdient werden.

          • @Klaus Meier:

            Ist das dieser berühmte Whataboutism von dem alle reden?