Niedriglöhne im Versandhandel: Sackgasse Amazon
Migrant:innen werden gezielt für prekäre Hilfsjobs angeworben, ihr Anteil steigt.
D ie Werbung hat etwas Weitläufiges, Inklusives, Fortschrittliches – und sie fängt mit einer Irreführung an: Die Zeitarbeitsfirma Randstad wirbt für ihren Kunden Amazon um Mitarbeiter:innen für Versand und Lager. „Sie möchten für Amazon, den weltweit größten Onlinehändler arbeiten? Wir suchen genau Sie …“ heißt es. Die Arbeitskräfte sind dann aber nicht bei Amazon angestellt, sondern bei Randstad, einer Zeitarbeitsfirma, die nur an den US-Versandgiganten entleiht – mit geringerer sozialer Absicherung.
In der Anzeige werden Männer und Frauen in Arbeitskleidung gezeigt, mit einem Scanner in der Hand, bei denen man in der Mehrzahl einen Migrationshintergrund in arabischen oder asiatischen Ländern vermutet und wohl auch vermuten soll. Randstad wendet sich gezielt an Mitgrant:innen in der Personalrekrutierung für Helferjobs.
Es stimmt ja: Viele Geflüchtete fanden solche Jobs in der Systemgastronomie und im Versandhandel. Teilweise sind es Helferjobs, für die man nicht viele Deutschkenntnisse braucht, wo aber ein jüngeres Alter und körperliches Durchhaltevermögen willkommen sind. Das hat für die Betroffenen gute, aber auch sehr dunkle Seiten. Die Leute nehmen diese Anlern-Jobs ja deswegen an, weil mit fehlenden Sprachkenntnissen oder beruflichem Vorwissen, das hier nichts gilt, für sie keine bessere Arbeit zu finden ist. Auch eine lange Berufsausbildung ist oft nicht zu stemmen, die Berufsschule mit ihren deutschen Fachbüchern wird zum unüberwindbaren Hindernis.
Die globale Migration und die sprachlichen Barrieren für die Zugewanderten sorgen solcherart für den Nachschub an billigem Personal in der Paketzustellung, in der Gastronomie, in der Pflege, wovon die Konsument:innen profitieren. Der Anteil von Migrant:innen im sogenannten unteren Entgeltbereich hat erheblich zugelegt, zeigen neue Zahlen des gewerkschaftsnahen WSI-Instituts. Wie man für die Angelernten Bedingungen verbessert und Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten schafft, wird politisch zu wenig diskutiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag