Neue linke Volkspartei: Die rätselhafte Frau W.
Was will die Linke-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht – ihre Partei stärken oder spalten? GenossInnen aus allen Flügeln fordern Antworten.
Was denn nun? Will Sahra Wagenknecht die Linkspartei verlassen und etwas Neues wagen? Oder will sie das nicht? Wenn nicht, was will sie dann? Fragen, die nur Wagenknecht selbst beantworten kann. Aber ihr Sprecher richtet auf taz-Anfrage aus: „Frau Wagenknecht steht nicht für das gewünschte Telefonat zur Verfügung.“
Die taz ist nicht die Einzige, die ohne Antwort bleibt. Auch in der Partei herrscht Ratlosigkeit. Und Frust. „Ich finde es problematisch, dass Sahra das Gespräch über ihre Idee einer linken Volkspartei bisher nie in der Partei gesucht hat“, sagt die bayerische Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke der taz. Sie gehört zu den Erstunterzeichnerinnen eines Aufrufs, der seit Freitag unter bewegungslinke.org online ging.
„Ein medialer Wahlverein kann keine Alternative zu einer pluralen und demokratisch verfassten Partei sein, die verschiedene Milieus verbindet“, heißt es da. Stattdessen plädieren die Unterzeichner für eine Linkspartei, die selbst Zentrum einer linken Bewegung ist und unter anderem für „offene Grenzen für alle“ steht.
Linker Flügel rebelliert
Der Aufruf ist keine direkte Replik auf das Spiegel-Interview, vielmehr erschien er zur selben Zeit und ist somit Ausdruck eines generellen Unbehagens. Seit Wochen werben Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht sich gegenseitig verstärkend für eine neue linke Sammlungsbewegung.
Neuester Dreh: eine Parteineugründung, die Teile von SPD und Grünen einschließt und nach dem Vorbild der Bewegung „La France insoumise“ des französischen Präsidentschaftskandidaten Jean-Luc Mélenchon organisiert ist. Eine solche, auf eine starke Führungsfigur zugeschnittene Bewegung fände sie schwierig, sagt Gohlke und überhaupt: „Welches wären denn die Zugeständnisse an SPD und Grüne?“
Was bemerkenswert ist: Hier rebelliert der linke Flügel der Linken gegen ihre einstige Führungsfigur. Viele Unterzeichnerinnen kommen, wie Gohlke, aus den westlichen Bundesländern, hinter etlichen Namen steht Nordrhein-Westfalen, der Landesverband Wagenknechts, der traditionell wie eine Eins hinter der populären Spitzenfrau stand.
Wenn Wagenknechts Vorschlag einer neuen linken Volkspartei ein Testballon ist, um zu sehen, wer ihr folgen würde, dann ist er gleich nach dem Start abgestürzt. Wenn es der Versuch ist, die Parteibasis zu spalten und das verhasste Führungsduo Katja Kipping und Bernd Riexinger zu schwächen, dann erweist er sich als Rohrkrepierer.
Denn diesmal reicht es auch den Reformern in der Bundestagsfraktion, die sich aus machttaktischen Gründen mit den Wagenknechtianern zum Hufeisen verbündet haben und üblicherweise jede irritierende Äußerung Wagenknechts schweigend zur Kenntnis nehmen.
Die Parteiführung schweigt
Auch das Forum Demokratischer Sozialismus, fds, die Hausmacht von Wagenknechts Kovorsitzenden Dietmar Bartsch, reagierte mit ungewohnter Deutlichkeit: „Neue Politische Aufbrüche werden immer wieder mal gefordert und angekündigt, auch in der Linken“, heißt es in einer Stellungnahme die die sächsische Landesvorsitzende Antje Feiks gemeinsam mit dem fds verfasste. „Wie der einer neuen linken Volkspartei, einer ‚linken Sammelbewegung‘, gelingen soll, bleibt dabei absolut im Dunkeln. Es stellt sich sogar die Frage, was daran links sein soll.“
Denn gerade die immer wieder erwähnte Mélenchon-Bewegung zeige doch: „Solche ‚Bewegungen‘ kommen auch gern nationalistisch, antieuropäisch, in Bezug auf Geflüchtete durchaus fremdenfeindlich und in der Tendenz autoritär daher.“
Die Parteiführung, die am Wochenende noch überlegt hatte, ob sie Wagenknecht mit einer scharfen Replik antworten sollte, schwieg fein still und entspannte sich. „Es gibt für das Projekt einer Abspaltung keine Unterstützung in der Partei“, sagte Parteichefin Katja Kipping der taz.
Auch einige mahnende Worte an die renitente Fraktionsvorsitzende ließ Kipping, die sich sonst jede Kritik verkneift, fallen. „Gerade wenn man so wichtig für die Partei ist wie Sahra Wagenknecht, muss man dieser Verantwortung auch gerecht werden und eine solche Idee zuerst mit Partei und Fraktion diskutieren.“ Am Dienstag wird Wagenknecht zunächst im Fraktionsvorstand und dann in der Fraktion Fragen beantworten müssen.
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