Neue Klima-Sonderberauftragte: Eine exzellente Wahl
Die Ex-Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan ist genau die Richtige: Sie weiß, wie dringend Klimaschutz ist. Und wie man dafür breite Bündnisse schafft.
I st das jetzt ein Personal-Coup oder ein Fall von krassem Lobbyismus? Die neue deutsche Klimabeauftragte Jennifer Morgan, die von der grünen Außenministerin Annalena Baerbock berufen wurde, hat die letzten Jahre als Chefin von Greenpeace International gearbeitet. Das führt zu Fragen: Darf die das? Und: Muss es ausgerechnet Greenpeace sein?
Greenpeace ist wie jede andere Umweltgruppe eine Interessengruppe. In jeder Regierung arbeiten Menschen, die ihre Expertise bei Interessengruppen erworben haben: in Wirtschafts- oder Sozialverbänden, bei Unternehmensberatungen und Konzernen, Umwelt- oder Menschenrechtsgruppen. Daran ist nichts verkehrt, wenn sie in der Politik die Interessen der Allgemeinheit im Auge haben und nicht nur ihrer Klientel – was übrigens genauso für ParteipolitikerInnen gilt. Und beim „Lobbyismus“ gibt es einen Unterschied zwischen Menschen, die sich für besseren sozialen Schutz, Menschenrechte oder die Umwelt einsetzen und denen, die nur das Bankkonto ihrer Auftraggeber im Auge haben.
Greenpeace ist dafür bekannt geworden, mit spektakulären Aktionen auch mal die Gesetze zu brechen. Wer das als Grund gegen Morgan anführt, ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Greenpeace ist inzwischen ein internationaler Öko-Multi. Die Mitarbeitenden beraten informell Regierungen, schreiben exzellente Gutachten, arbeiten mit der Industrie an neuen Produkten. Die Rolle des kompromisslosen Widerstands hat die neue Generation, etwa Extinction Rebellion übernommen.
Jennifer Morgan ist eine exzellente Wahl. Sie weiß, wie dringend gehandelt werden muss, und steht gleichzeitig für die Suche nach gemeinsamen Lösungen. Sie kann die deutsche Klimapolitik wieder nach vorn bringen und wichtige Bündnisse anstoßen. Genau das ist es, was die Klimapolitik weltweit dringend braucht: ein breites Bündnis von Politik, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft, um die Kurve Richtung 1,5 Grad zu schaffen. Eine riesige Aufgabe. Man kann der neuen Klimabotschafterin – und uns allen – dabei nur viel Erfolg wünschen.
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