Nachrichten in der Coronapandemie: Schulschließung als letztes Mittel

Karl Lauterbach verhandelt mit Justizminister Buschmann über die neuen Coronamaßnahmen. Amtsärzte fordern, Abwasser auf Corona zu analysieren.

Karl Lauterbach im Gespräch

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach muss die Coronamaßnahmen für den Herbst planen Foto: Kay Nietfeld/dpa

Lauterbach schließt Schulschließungen nicht aus

Anders als der Kanzler und die FDP möchte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bei der anstehenden Vorbereitung auf eine große Coronawelle im Herbst auch Schulschließungen nicht völlig ausschließen. „Ich halte sie für sehr, sehr unwahrscheinlich. Sie wären dann das allerletzte Mittel. Aber sie kategorisch auszuschließen, da wäre ich vorsichtig, weil: Wir wissen ja nicht, welche (Virus-)Varianten kommen“, sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Anne Will“ auf wiederholte Nachfrage. Eine weitgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens durch einen Lockdown hält er als Schutzinstrument dagegen nicht mehr für nötig. „Dafür haben wir einfach einen zu guten Immunstatus in der Bevölkerung“, erklärte er.

Lauterbach verhandelt mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) über die künftig grundsätzlich möglichen Maßnahmen. Denn im September läuft die Rechtsgrundlage für die inzwischen stark eingeschränkten Basis-Maßnahmen aus – und zugleich wird ein erneuter starker Anstieg der bereits derzeit zunehmenden Infektionszahlen befürchtet. Buschmann hat bereits eine Reihe früher möglicher Schutzmaßnahmen ausgeschlossen, darunter Schulschließungen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Sonntag gesagt: „Schulschließungen sollte es nicht mehr geben.“

Lauterbach sagte, die geplanten Maßnahmen sollten den Ländern die Instrumente geben, um verschiedene Szenarien abzudecken. „Wir müssen auch auf sehr schwere Varianten vorbereitet sein“, sagte er. „Das muss ein umfänglicher Instrumentenkasten sein, also es kann keine Schmalspurangelegenheit sein.“

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Politiker mehrerer Parteien fordern außerdem, sich künftig eher auf Tests zu konzentrieren als auf erneute Zugangsbeschränkungen wie 2G oder 3G (geimpft, genesen, getestet). Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Sonntag bereits im ARD-Interview gesagt, dass für den Herbst und Winter nicht mehr so drastische Maßnahmen wie in den Jahren zuvor nötig seien. Die bundesweite Rechtsgrundlage für die Corona-Maßnahmen läuft am 23. September aus.

Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen sprach sich für eine Testpflicht aus, sollten Maskenpflicht und Impfkampagne nicht ausreichen. „Sollten wir feststellen, dass trotz der Masken im Innenraum und Auffrischungsimpfungen die Infektionsdynamik wieder stark zunimmt, kann es sein, dass man erneut auch effektive Hygienekonzepte einschließlich Zugangskontrollen braucht“, sagte er der „Welt“. In diesem Fall sei eine allgemeine Testpflicht sinnvoll, unabhängig davon, ob jemand geimpft oder genesen sei. „Denn auch Geimpfte und Genesene können sich – wenn auch weniger häufig – infizieren und andere anstecken.“ Es gelte nun, die rechtlichen Grundlagen für so einen Schritt zu schaffen.

Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, sprach sich in der „Welt“ dafür aus. „Leider schützen die aktuellen Impfstoffe nicht vor einer Infektion“, sagte er. Tests würden im nächsten Herbst vielerorts Sicherheit schaffen. Der Augsburger Allgemeinen sagte Sorge: „Dort, wo Tests erforderlich sind, um die vulnerablen Gruppen zu schützen, müssen sie auch weiterhin kostenlos verfügbar sein.“ Anlasslose, milliardenteure und missbrauchsanfällige Bürgertests lehnte er aber ab.

Der gesundheitspolitische FDP-Fraktionssprecher Andrew Ullmann sprach sich in der „Welt“ für mehr Eigenverantwortung aus. „Persönlich wäre ich in der jetzigen Phase der Pandemie für klare und stringente Empfehlungen statt durchgehende gesetzliche Pflichten.“

Scholz hatte im ARD-Interview am Sonntag ebenfalls gesagt, er könne sich vorstellen, dass Test- und Maskenpflicht im Herbst und Winter wieder eine größere Rolle spielen werden. „Ich glaube, dass man schon davon ausgehen muss, dass die Maske im Herbst und Winter schon eine größere Rolle spielen wird als jetzt.“ Schulschließungen sollte es dagegen nicht mehr geben, „und ich glaube auch nicht, dass wir so einen Lockdown brauchen, wie wir ihn in den letzten Jahren hatten.“ Der Kanzler rief alle Menschen ab 60 Jahre zu einer vierten Impfung gegen Corona auf. (dpa)

Inzidenz bei 650,7

In Deutschland steigt nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) die Zahl der bekannten Infektionen um 2365 auf über 28,39 Millionen. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei 650,7. Den Angaben zufolge wurden drei neue Todesfälle im Zusammenhang mit dem Corona-Virus gemeldet, die Gesamtzahl liegt damit bei 141.295. Früheren Angaben des RKI zufolge übermitteln nur noch wenige Gesundheitsämter und Landesbehörden am Wochenende Daten. Die Zahl der Schwerkranken, die auf Intensivstationen in Deutschland mit Covid-19 behandelt werden, stieg nach Angaben vom Sonntag erstmals seit Mitte Mai auf 1000. (rtr)

Amtsärzte: Abwasser in allen Städten auf Coronavirus analysieren

Die Amtsärzte fordern, dass das Abwasser in allen Kommunen auf Corona-Spuren untersucht wird, um das Infektionsgeschehen besser einschätzen zu können – und nicht nur wie bisher in einigen Städten und Gemeinden. „Die Abwasseranalyse ist ein hervorragendes Instrument für die Pandemiekontrolle“, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Johannes Nießen, der Funke-Mediengruppe. In Köln sei durch die Analyse festgestellt worden, dass bei den offiziellen Corona-Meldezahlen nur die Hälfte der Infektionen erfasst würden. Nießen leitet des Kölner Gesundheitsamt und ist Mitglied im Corona-Expertenrat der Bundesregierung.

Bislang nähmen nur 20 deutsche Städte am EU-Abwassermonitoring teil, sagte Nießen. „Optimal wäre, wenn alle Kommunen mitmachen würden. Je mehr Städte daran teilnehmen, desto präziser wird unser Bild vom Infektionsgeschehen.“ Die Methode koste wenig, der Aufwand sei gering, und man bekomme ein Echtzeit-Lagebild der Pandemie.

Das Coronavirus befällt zwar hauptsächlich die Atemwege. Partikel des Erregers lassen sich jedoch auch im Stuhl und dementsprechend im Abwasser nachweisen. (dpa)

Mehr als 1,7 Millionen Menschen in chinesischer Provinz Anhui im Lockdown

n der zentralchinesischen Provinz Anhui gilt derzeit für mehr als 1,7 Millionen Menschen nach einem neuen Corona-Ausbruch ein Lockdown. Am Montag meldete die Nationale Gesundheitskommission 287 Neuinfektionen in der Provinz, 258 davon ohne Symptome. Insgesamt steigt die Zahl der Fälle damit auf über 1000. Der Gouverneur der Provinz, Wang Qingxian, forderte die Behörden am Montag auf, neu Erkrankte schnell zu melden und rasch unter Quarantäne zu stellen.

In Anhui waren vergangene Woche hunderte Corona-Erkrankungen aufgetreten. Daraufhin verhängten die Behörden in den Kreisen Sixian und Lingbi einen Lockdown. Die mehr als 1,7 Millionen Einwohner dürfen ihre Wohnungen nur noch nach einem negativen Corona-Test verlassen.

China verfolgt nach wie vor eine strikte Null-Covid-Strategie, bei der einzelne Ausbrüche sofort durch Abriegelungen und Massentests bekämpft werden. Die chinesische Wirtschaft erholt sich gerade erst von den Auswirkungen eines monatelangen Lockdowns in Shanghai und der strengen Corona-Beschränkungen in der Hauptstadt Peking. (afp)

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