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Nach Russland-„Manifest“Ralf Stegner soll Parlamentarisches Kontrollgremium verlassen

Er unterzeichnete das Abrüstungs-Manifest und traf sich mit Vertretern Russlands. Nun soll der SPD-Politiker das Kontrollgremium der Geheimdienste verlassen.

Hier im Bundestag statt in Baku: Der SPD-Politiker Ralf Stegner Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin rtr/dpa | Der SPD-Linke Ralf Stegner muss nach Angaben aus Fraktionskreisen das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestages verlassen. Die Fraktionsspitze wolle ihn nicht mehr nominieren, sagten mit dem Beschluss Vertraute am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. Mit ihm zusammen scheide dann auch Marja-Liisa Völlers vom konservativen „Seeheimer“-Flügel aus dem sensiblen Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste aus.

Dafür sollen Fraktionsvize Sonja Eichwede und der Abgeordnete Daniel Baldy die SPD-Fraktion vertreten. Die Personalien soll die Fraktion am Dienstag beschließen. Entsendet werden sämtliche Vertreter auch anderer Fraktionen auf Beschluss des Bundestages. Hier gilt ein Ja zusammen mit der Union als sicher, die Abstimmung findet am Donnerstag statt.

Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) ist für die Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes zuständig und überwacht den Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Die Bundesregierung ist verpflichtet, das Gremium über Tätigkeiten der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung zu unterrichten. Diese sind häufig brisant, die entsandten Parlamentarier müssen daher besonders vertrauenswürdig sein.

Stegner war innerhalb der Koalition und auch innerhalb der SPD zunehmend in die Kritik geraten. Zum einen ist er einer der prominenteren Unterzeichner eines Manifests, das unter anderem eine Wiederannäherung an Russland fordert sowie Kritik an der Aufrüstung in Europa und Deutschland äußert. Zudem hatte auch ein Treffen mit russischen Vertretern in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, für Unmut gesorgt. Die Personalien haben für die SPD auch Brisanz, da sie kurz vor dem Parteitag am Wochenende kommen und Stegner im linken Parteiflügel verankert ist.

Ohne Linke keine Zwei-Drittel-Mehrheit

Die Linke verknüpft derweil die Wahl ihrer Fraktionschefin Heidi Reichinnek ins Parlamentarische Kontrollgremium mit der Zustimmung ihrer Fraktion bei anderen Abstimmungen. Auf die Frage eines Journalisten, was die Partei unternehmen würde, falls Reichinnek bei der Wahl der Mitglieder des Gremiums durchfallen sollte, antwortete der Parteivorsitzende, Jan van Aken: „Dann würde ich mal laut darüber nachdenken, wie die CDU sich eigentlich vorstellt, in den kommenden vier Jahren hier Beschlüsse mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament zu fassen.“

CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann hatte dem Spiegelgesagt: „Dieses hochsensible Gremium braucht passendes Personal statt parteipolitischer Provokation. Die Nominierung von Frau Reichinnek ist das genaue Gegenteil.“

Van Aken verwies darauf, dass die Linke, als Friedrich Merz (CDU) im ersten Wahlgang nicht zum Kanzler gewählt wurde, mit ihren Stimmen einen erneuten Wahlgang am selben Tag ermöglicht hatte. Er fügte hinzu: „Wenn die CDU jetzt wirklich will, dass es zum Chaos kommt, dass es keine vernünftige Kontrolle der Geheimdienste gibt, weil die Linke nicht mit kontrolliert, dann muss sie sich das sehr gut überlegen.“ Eine solche Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag könne schon bald wieder notwendig werden – etwa bei der Nachbesetzung einer Richterstelle am Bundesverfassungsgericht.

Gremium wird kleiner

Die Wahl der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist für diesen Donnerstag geplant. Es ist vorgesehen, die Zahl der Mitglieder des Gremiums von bisher 13 auf 9 zu senken – eine Konsequenz aus der durch die Wahlrechtsreform bedingten Verkleinerung des Bundestages. Dabei ist folgende Sitzverteilung vorgesehen: Union drei Sitze, SPD und AfD je zwei Sitze sowie jeweils ein Sitz für Grüne und Linke.

Im Jahr 2018 hatte der Bundestag den damaligen AfD-Abgeordneten Roman Reusch in das Gremium gewählt. Später erhielt kein AfD-Kandidat mehr die erforderliche Mehrheit. Die Linke war bis zur Auflösung ihrer Fraktion im Dezember 2023 in dem Gremium vertreten. Mit dem Verlust des Fraktionsstatus der Linken wurde André Hahn nicht mehr zu den Sitzungen eingeladen.

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32 Kommentare

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  • Man mag seine Positionen nicht teilen. Aber für integer halte ich Stegner auf alle Fälle.

    • @Rudolf Fissner:

      Da ist man in Schleswig-Holstein ganz anderer Meinung. Heide Simonis lässt grüßen.

  • Für viele war die Wahl der SPD mit der Hoffnung auf eine soziale und friedensorientierte Politik verbunden.



    Leider entwickelt sich die Partei, ähnlich wie vor ihr die Grünen, immer mehr zu einer rechtskonservativen Miniatur der Union und AfD.



    Mützenich und Stegner waren neben anderen aufrechte Sozialdemokraten, die ihre Wurzeln nicht vergessen haben.



    Sie stören offenbar den Frieden der Seeheimer.

    Nun kehrt die Partei unter dem Schröder’s Ziehsohn offenbar wieder ins Neoliberale zurück.



    Und wird damit, uA auch wegen des völligen Ausfalls beim Klima- und Naturschutz, wieder unwählbar.

    Ich hoffe die Linkspartei fährt einen konsequenten Kurs dagegen.

    • @hsqmyp:

      Also wenn Sie "Aufrichtigkeit" damit verknüpfen, der russischen Propaganda nach dem Mund zu reden und dies als "friedensorientierte Politik" zu verkaufen, mögen Sie recht haben.

    • @hsqmyp:

      Es ist jetzt schon rechtskonservativ, die Freiheit eines Volkes mit der Waffe zu verteidigen?

      Wenn das die Internationalen Brigaden im spanischen Bürgerkrieg wüssten.

  • Herr van Aaken hat seiner Partei mit dieser Aussage einen Bärendienst erwiesen. Man stelle sich das mal andersrum vor: Die CDU sagt: "IHR (die Linke) wählt jetzt Person XY in das entsprechende Gremium, ansonsten verweigern wir uns ab sofort bei entscheidenden Abstimmungen (der Inhalt ist egal, wir verweigern uns aus Prinzip)." Welche Partei lässt sich nach so einer (öffentlichen!) Aussage denn noch auf irgendeine Art von "Deal" ein?! Da merkt man dann leider, dass Herr van Aaken zwar sehr gut in eins-zu-eins-Podcasts argumentieren kann, aber immer nur ausschließlich Oppositionsarbeit gemacht hat... Selbst wenn die CDU Frau Reichinnek nun in das Gremium wählt, dieser Erpressungsversuch wird sich irgendwann massiv rächen.

  • Das ist die richtige Entscheidung. Herr Stegner überblickt die aktuelle Gefahrenlage nicht mehr. Frieden muss erarbeitet werden und kann nicht ideologisch herbeigeführt werden.

  • Ein völliger Unsinn. Stegner ist einer der ganz wenigen Erscheinungen in der SPD (und in der Politik überhaupt), die noch annähernd klar denken können. Wenn man sich das mal überlegt: Vor Jahren war mir der Stegner noch einigermaßen zuwider, weil er mir letztlich doch zu nah "am Kapital gebaut" war. Heute ist der Stegner eine der wenigen verbliebenen Figuren, die man politisch noch gebrauchen kann. Zumindest in meinen Augen. Wie kaputt kann Politik eigentlich noch werden?! Jedenfalls tut es gut, wenn in einer Demokratie nicht jeder und alle das selbe denken. Dass Stegner auf Grund seiner kritischen Meinungen jetzt aus dem Kontrollgremium entfernt wird und er damit zwar nicht wörtlich, aber durch die Hintertür sehr, sehr deutlich zum Sicherheitsrisiko erklärt wird, ist -in meinen Augen- schlicht hanebüchen, sagt aber viel über die politische Kultur in der wir leben.

    • @Einfach-Jemand:

      Wer nach 3,5 Jahren Krieg in der Ukraine, nach Butcha, Sumy, unzähligen Versuchen für eine diplomatische Lösung und angesichts des russischen Imperialismus mehr Diplomatie fordert, kann klar denken? Steile These, aber es herrscht ja Meinungsfreiheit.

  • Ein so überaus wichtiges Gremium von 13 Mitglieder auf 9 Mitglieder zu reduzieren ist per se schon recht fragwürdig, unabhängig jetzt einmal von der Personalie betrachtet. Könnte man doch unter unseren Verteidigungskosten verbuchen.



    Zugegeben, Stegner hat seine Eigenheiten aber grundsätzlich teile ich seine Ansicht in der Sache, um die Wichtigkeit und Unablässigkeit der Gesprächsführung mit Russland.

    • @Alex_der_Wunderer:

      Ich denke niemand verkennt die Wichtigkeit und Unablässigkeit der Gesprächsführung mit Russland, nur ist es stets Putin, der sich solchen Gesprächen verweigert. Es darf sich also mit Recht gefragt werden, wem Stegner mit seinen Aktivitäten eigentlich einen Dienst erweisen wollte.

    • @Alex_der_Wunderer:

      Da ist die Frage wer Russland vertritt, das ist doch letztlich nur Putin, sonst hat da doch keiner was zu sagen, da war in Zeiten der Sowjetunion im Politbüro mehr Vielfalt an Ansichten und es gab verschiedene Kanäle. Jetzt gibt es einen Kanal der von einem Autokraten verstopft ist.

  • Eine richtige Entscheidung.

  • Sehr gut. Der Mann ist ein massives Sicherheitsrisiko.

  • In den letzten Monaten und spätestens mit dem Debattenbeitrag "Manifest" haben Stegner und Mützenich gezeigt, dass sie die aktuelle Lage nicht wirklich überblicken. Das permanente selektive Rekurrieren auf die Politik zu Zeiten des Kalten Krieges war stellenweise so absurd, dass man sich gefragt hat, ob die beiden überhaupt noch die intellektuelle Kapazität haben, in diesen wichtigen Gremien zu arbeiten. Gut, dass die Fraktionsspitze der SPD das endlich erkannt und gehandelt hat.

  • Es ist sehr wichtig das sensible Information und Vorgänge des Staates vertraulich behandelt werden und nicht anderen Staaten zugänglich werden. Deshalb muss jede Person die Zugang hat vertrauenswürdig sein.

    Das mal wieder typische Antidemokratie in Deutschland. Wer eine eigene Meinung oder politische Ansicht hat wird ausgeschlossen. Wenn ein Politiker durch sein Verhalten nachweislich dem Staat schadet ist er in keinem Amt tragbar. Die Begründung darf aber nicht sein das er eine eigene Meinung hat und sich entsprechend betätigt.

    • @Conrad:

      Es wird ihm ja nicht von der Bundestagsverwaltung oder irgendwelchen Sicherheitsbehörden verboten, sondern seine eigene Fraktion vertraut ihm nicht mehr und will ihn deshalb nicht mehr für dieses Gremium nominieren. Das nennen Sie undemokratisch?

  • Besser vorbeugen, als später ein Nachsehen haben. Das dieses Gremium keinesfalls dicht hält ist schon einige male aufgefallen. So sind in der Vergangenheit schon Dinge die dort in geheimer Sache besprochen wurden an die Öffentlichkeit gelangt. Wer so eine Naivität an den Tag legt und Kontakte zu denjenigen hat, die uns keinesfalls freundlich gesinnt sind, darf so einem Gremium auch nicht angehören.

  • Spätestens jetzt können alle Schlauberger in CDU und SPD erkennen, welchen Fauxpas sie mit der Wahlschlappe für Herrn Merz im ersten Wahlgang begangen haben.



    Die Regierung wird von der Linken erpresst. Ich bin gespannt, wie das ausgehen wird. Eigentlich dürfte nach der Aussage von Herrn van Aken Frau Reichinnek niemals in das Gremium gewählt werden.

    • @Dirk Osygus:

      Erpresst? Hat die Opposition jetzt der Regierung zu gehorchen oder was?

    • @Dirk Osygus:

      Man ist gut Beraten unsere Regierung, mit den über 600 Abgeordneten in unserem Parlament, als Ganzes zu betrachten...

    • @Dirk Osygus:

      Wie gut das CDU/CSU und SPD frei von Sünde ist?

  • Ich zweifle immer mehr an das Demokratieverständnis des Bundestages, kritische Stimmen aus den Gremien herauszuhalten und nur in der eigenen "Blase" zu diskutieren. Sehr traurig!

    • @Odysseus L:

      Ja, Ralf Stegner weiß noch wie man außerhalb der Blase tickt. Viele wissen gar nicht, dass der erst seit 35 Jahren in der Politik ist. Ein echter Mann des Volkes.

    • @Odysseus L:

      Was hat die SPD-Fraktionsspitze mit dem BT zu tun? Vielleicht informieren Sie sich erst einmal, wer wen nominiert und wie sich die Gremien zusammen setzen. Ihr "Argument" ist schlicht Quatsch.

  • Na prima! Die SPD ist auf geradem Weg nach unten. Hat sie mal einen charismatischen Menschen, der es wagt eine eigene Meinung zu haben, so wird der schellstmöglich abgesägt. Wer sich nicht dem konservativen Mainstream innerhalb des Ladens anpasst, hat schlechte Karten. Auch Saskia Eskens ist dafür ein Beispiel. Es ist so entsetzlich traurig diese Traditionspartei zerbröseln zu sehen....

    • @Perkele:

      Stegner wäre mit seiner Haltung zu Russland beim BSW, den Linken oder der AFD deutlich besser aufgehoben - dann hätte die SPD sogar wieder eine Zukunftsperspektive!

      • @Demokratischer Segler:

        Ich sehe das etwas differenzierter. Wenn ich Stegners Aussagen zum russischen Terrorkrieg höre, habe ich den starken Drang, schreien wegzulaufen und meinen Fernseher zu zertrümmern. Wenn er aber über Sozialpolitik redet, haben seine Aussagen Hand und Fuß und treffen den Nagel auf den Kopf. Von daher hat er weder beim BSW noch bei der gesichert rechtsextremen AfD irgendetwas zu suchen. Überdies würde er bei den beiden Putin-Fan-Parteien sofort wieder rausfliegen, da Stegner deutlich sagt, dass Putin der Alleinschuldige für den Angriffskrieg ist. Würde Stegner sich nur über Themen äußern, von denen er Ahnung hat, dann wäre er wahrscheinlich ein richtig guter Politiker.

    • @Perkele:

      Sie reden aber nicht von Stegner oder?



      Das ist der größte Unsympath der ganzen Partei.

    • @Perkele:

      Sorry, aber man kann von Esken und Stegner halten was man will, aber charismatisch sind beide nun wirklich nicht!!

  • "Ralf Stegner soll Parlamentarisches Kontrollgremium verlassen"



    Konsequent. Wenn völlig zurecht keine russlandaffinen AfD'ler im PKG geduldet werden, ist dort auch kein Platz für einen SPD'ler auf Abwegen.

  • Ohne Baku und Subkow kein Manifest.