Missglückte Aktion von Umweltschützern: Fliegen mit Air Greenpeace
Inzwischen ist der Sport mit Aktionen, Slogans und Gesten des Guten überfrachtet. Eine Entpolitisierung ergibt durchaus Sinn.
N euerdings etablieren sich Protestformen, bei denen die Aktivistinnen, also die Gutis, nur noch offene Türen einrennen, aber in der Öffentlichkeit und vor allem in der twitteristischen Welt so tun, als hätten sie meterdicke Wände durchbrochen. In diese Kategorie des sozial und medial erwünschten Pseudoprotests, eines Phishing for Lob gehört auch die verunglückte Greenpeace-Flugeinlage, bei der eine Person schwer am Kopf verletzt wurde.
Viele Zuschauer konnten die Aktion gar nicht zuordnen, denn wer im Rund wusste schon, ob sie nicht direkt in der Marketingabteilung der Uefa ersonnen wurde – zur Unterhaltung, fürs gute Gewissen oder die höhere Moral. Denn mal ehrlich: So sehr unterscheidet sich der attackierte VW-Konzern doch gar nicht mehr von den Zielen einer Umweltorganisation wie Greenpeace.
Die Wolfsburger stellen gerade ihren Fuhrpark so radikal auf Elektro um, dass einem potenziellen Dieselkäufer ganz anders wird und er schon mal auf Vorrat alte Technik kauft, weil er dem postmodernen Mobilitätsversprechen misstraut. In den EM-Stadien bewirbt VW auf den Banden ein reines E-Auto, und das kleine VW-Mobil, das zu Beginn der EM einen Ball in den Mittelkreis fuhr, das lief auch stramm elektrisch (Wo ist es eigentlich geblieben?).
Greenpeace schwingt den Taktstock
Greenpeace und VW stehen sich nicht mehr unversöhnlich gegenüber, nein, Konzernchef Herbert Diess hat mehr als ein Ohr am Zeitgeist, weswegen er nach einer anderen Greenpeace-Aktion – man klaute im Hamburger Hafen Hunderte VW-Schlüssel von Verbrennern – nicht Strafanzeige stellte, sondern den Diebstahl als förderlichen Beitrag in die Klimadebatte einreihte. Greenpeace gibt heute mehr oder weniger den Takt vor, nach dem Vorstände der Old Economy marschieren, weswegen die Flugeinlage von München bestenfalls einen folkloristischen Touch hatte.
Die Zuschauer im Münchner EM-Stadion waren auf Fußball geeicht, nicht auf politischen Aktivismus, und doch müssen Sportfans in den vergangenen Jahren eine immer höhere Dosis an wohlfeiler Politprosa ertragen. Vieles ist gut gemeint, kommt aber im Stil erzieherischer Dauerbeschallung daher und schließt darüber hinaus ein Sportpublikum aus, das sich eher nicht über eine Mitgliedschaft bei den Grünen definiert. Es war eine Zeit lang geboten, den Sport im progressiven Sinne zu politisieren – zu rüde war der Ton auf den Tribünen –, mittlerweile ist eher das Gegenteil vonnöten: eine Entpolitisierung des Sports.
Die politischen Schlachten mögen besser anderswo geschlagen werden, in den Parlamenten und Rederunden. Es gibt, auch wenn das für viele Politaktivisten eine Zumutung ist, ein Recht des gestressten Zeitgenossen auf Sport. Ohne Gedöns und Agitprop. Die Welt ist ohnehin voll davon.
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