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Migrationsabkommen mit GeorgienFaesers simulierte Tatkraft

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Schnellere Abschiebungen und einfachere Zuwanderung für Fachkräfte soll das Migrationsabkommen bringen. Aber in Wahrheit ist es reine Symbolpolitik.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser am 19. Dezember in Tiflis Foto: Irakli Gedenidze/reuters

D ie deutsche Grenze wird auch im Kaukasus gesichert. Diese Botschaft soll von den Bildern ausgehen, die Bundesinnenministerin Nancy Fae­ser mit ihrem Amtskollegen in Tiflis zeigen, wie sie ein gemeinsames „Migrationsabkommen“ unterzeichnen.

Anders als es der Name nahelegt, soll das Abkommen vor allem dazu dienen, Migration zu verhindern. Abgelehnte Asylbewerber sollen schneller wieder nach Georgien abgeschoben werden können. Andere sollen mit „Informationskampagnen“ davon abgehalten werden, in Deutschland überhaupt erst Asyl zu suchen.

Zudem soll der Austausch von Studierenden, Auszubildenden und Forschern verstärkt und es Saisonarbeitern einfacher gemacht werden, in Deutschland einen Job anzunehmen. Dass Fachkräfte aus Georgien in großem Stil nach Deutschland auswandern, will die Regierung in Tiflis verhindern: Sie fürchtet einen „Brain-Drain“.

Die Vereinbarung hat mehr symbolischen als praktischen Wert. Denn Georgien spielt in Sachen Migration für Deutschland eine Nebenrolle. Dass Hunderte von Menschen aus Georgien jeden Monat in Deutschland erfolglos Asyl beantragen, mag Arbeit machen.

Die meisten Asylsuchenden kommen derzeit aber aus Syrien, Afghanistan, dem Irak, dem Iran und der Türkei, und die meisten von ihnen haben ein Anrecht auf Schutz. Hinzu kommen über 1 Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die kein Asyl beantragen, aber trotzdem untergebracht werden müssen. Mit all diesen Ländern gibt es bisher keine „Migrationsabkommen“.

Neue Konzepte gegen Migration

Stattdessen suchen Scholz und Fae­ser in Nigeria und Ghana, Marokko und Tunesien, ja sogar in Kirgistan und Kolumbien nach Partnern, um weitere „Migrationsabkommen“ abzuschließen – bisher mit mäßigem Erfolg. Nur mit Indien wurde man schon einig. Beide wissen, dass sich die „irreguläre Migration“ dadurch nicht stoppen und Abschiebungen „im großen Stil“ so nicht erreichen lassen. Aber sie wollen Tatkraft simulieren: deshalb ihr demonstrativer Aktionismus.

Den Wunsch, ungewollte Einwanderung von Asylsuchenden zu begrenzen, teilt Deutschland mit dem Rest von Europa. Deshalb hat die EU auf den griechischen Inseln Auffanglager eingerichtet, in denen Flüchtlinge kaserniert werden, dafür lässt sie illegale „Pushbacks“ an ihren Außengrenzen zu. Als neue Idee kommt hinzu, Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen. Vorreiter war Großbritannien, das seine Asylverfahren nach Ruanda auslagern will. Italien folgt und verhandelt mit Albanien, um Flüchtlinge künftig dorthin zu verfrachten.

Auf der Strecke bleibt das Recht auf Asyl, das immer weiter ausgehöhlt wird: im Großen durch die EU oder durch einzelne Staaten wie in Tiflis. Grenzen zu schützen ist wichtiger geworden, als Menschen zu schützen.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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16 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • „hat mehr symbolischen als praktischen Wert. Denn Georgien spielt in Sachen Migration für Deutschland eine Nebenrolle“

    Was ist das denn für eine Argumentationslinie?



    Ich versorge schließlich bei meinen Patienten die Platzwunde am Kopf trotzdem, obwohl sie neben dem Schenkelhalsbruch „eine Nebenrolle“ spielt.

    „Dass Hunderte von Menschen aus Georgien jeden Monat in Deutschland erfolglos Asyl beantragen, mag Arbeit machen.“

    Nicht nur Arbeit sondern auch Kosten. 2021 betrug das Budget der BAMF knapp 800 mill. Euro, nahm 190 tausend Asylanträge entgegen und entschied über fast 150 tausend Asylanträge. Somit kämen auf einen einzigen Asylantrag 4-5000 Euro. Natürlich gibt es komplizierte und einfache Fälle. Man kann jedoch getrost davon ausgehen dass selbst ein einfach gelagerter Fall über 1000 € verschlingt.

    Kosten für Unterbringung und Verpflegung der Antragsteller etc. sind nicht inbegriffen.

  • Entweder man positioniert sich FÜR bedingungslose Einwanderung (status quo) oder man unternimmt wirksame Schritte dagegen.

    Wirkungslose Abkommen die nur Bewusstsein für die Problematik vortäuschen sollen, werden die AfD-Wähler nicht überzeugen.

  • Sollte Georgien nicht Mitglied von EU und NATO werden?



    Und gleichzeitig haben wir Asylbewerber, also Menschen, die nach eigenen Angaben vor Verfolgung in diesem Land, fliehen müssen.

    Ist das nicht ein Widerspruch?

    Frau Faesers Politik ist Aktionismus und Simulation, von Tag eins.



    Das politische Personal Deutschland ist einfach unterirdisch.

  • „irreguläre Migration“



    Welch zutiefst menschenverachtender Euphemismus.

    Denn "illegale Einreise", "illegale Zuwanderung" oder "illegaler Grenzübertritt" trifft ja nicht zu.

    Und jetzt braucht man einen Begriff der das legale Ansinnen auf Asylantrag in die kriminelle Ecke schiebt.

    Man muss sich natürlich fragen, wie es zu dieser zunehmend fremdenfeindlichen Stimmung auch in der Bevölkerung kommt.

    Und man findet die Antwort sehr schnell.

    Aus rein machtpolitischem Kalkül der etablierten Parteien wird eine latente Angst und eine vermeintliche Bedrohung durch Zuwanderer konstruiert. Denn Menschen mit Angst sind leichter zu "dirigieren".

    Dabei wird die zunehmende Fremdenfeindlichkeit als Kollateralschaden billigend in Kauf genommen.



    Obwohl wir dringend auf Menschen aus anderen Ländern angewiesen sind (Arbeitskräfte, Verjüngung ...).

  • Tiflis will also den Brain-Drain verhindern. Das ist schon anderen Ländern nicht gelungen, die viel zu schnell in die EU aufgenommen wurden, z.B. Rumänien. Das Land hat sich seitdem nicht wieder davon erholt und die Korruption grassiert trotzdem immer noch wie vor dem EU-Beitritt.

    Es wird also auch in Georgien kommen, wie es kommen muss: Deutschland profitiert von den gut ausgebildeten Migranten. Georgien bleibt verarmt zurück.

    Ein wirklich gutes Rezept dagegen gibt es nicht, aber Faesers "Migrationsabkommen" wird da nicht viel ändern, wenn sowieso gleichzeitig der EU-Beitritt vorbereitet wird. Also ja: reine Symbolpolitik.

  • Ich weiß, das ist jetzt unpopulär, aber ich finde die Migrationsabkommen gut. Der Spiegel des Flüchtlingsstatus ist, dass man auch wieder gehen muss, wenn man damit vorm Verwaltungsgericht scheitert und keinen anderen Aufenthaltsstatus bekommen kann. Das ist bislang nicht so und entwertet die jahrelange Arbeit von Rechtsanwälten und Richtern völlig. Richtig ist, dass in diesen Abkommen Arbeitsmigration eine große Rolle spielt. Denn deshalb kommen die Menschen ja tatsächlich oft (und wegen des funktionierenden Rechtsstaats) und ihren Wünschen könnten wir stärker entgegenkommen und selbst etwas von der kleiner gewordenen Welt profitieren. Ja, das ist brain-drain, aber das können die betroffenen Staaten oft doch gut verkraften und der Austausch von Fachkräften und -wissen birgt auch für sie neue Potentiale.

  • Der andere, teure Preis,den wir für diese beschissene Symbolpolitik bezahlen ist, dass sie genau dieses widerliche Ressentimat ernährt, das diese Politik vor sich hertreibt.

    Sie schickt denen die Message "schaut her, Migration ist die Mutter aller Probleme und wir nehmen es ernst".

    Und jetzt kommt mir nicht mit Dänemark. Das ist nur eine Zwischenstufe.

    Wenn nur (auch noch die falschen!) Symptome behandelt werden, dann braucht's eine immer höhere Dosis.

  • Soweit ich informiert bin, sollen die Migrationsabkommen mit Kolumbien und Indien die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte erleichtern. Verdienen also den Namen.



    Hier in Kolumbien wird offensiv Personal angeworben, inzwischen nicht nur medizinisches, sondern alles, was einen Abschluss hat. Da die Ausbildung vergleichsweise gut, teils besser als in D, ist.



    Die wenigsten davon werden in D glücklich und bleiben entsprechend nicht langfristig, aber das ist ein anderes Thema.



    Trotzdem ist dieser Absatz unzutreffend.

  • “Stattdessen suchen Scholz und Fae­ser in Nigeria und Ghana, Marokko und Tunesien, ja sogar in Kirgistan und Kolumbien nach Partnern, um weitere „Migrationsabkommen“ abzuschließen – bisher mit mäßigem Erfolg. Nur mit Indien wurde man schon einig. Beide wissen, dass sich die „irreguläre Migration“ dadurch nicht stoppen und Abschiebungen „im großen Stil“ so nicht erreichen lassen. Aber sie wollen Tatkraft simulieren: deshalb ihr demonstrativer Aktionismus.“

    kurz - es ist ein Elend des Humanen •

    • @Lowandorder:

      Was will die arme Nancy auch anderes machen als simulieren,



      Sie ist ja nicht umsonst in einer SIMULATIONS-KOALITION...

    • @Lowandorder:

      Nein, das ist in diesem Beitrag nicht der Punkt. Er trifft übrigens auch nur teilweise zu. In unserer Gesellschaft ist die allgemeine Verlogenheit das Problem. Die Abkommen sind wirkungslos, gegenstandslos oder gleich illegal, auf jeden Fall aber blanke Verarsche, dies nicht nur ohne jede Scham, sondern auch ganz offensichtlich. Das ist einfach nur Demokratieschädigung. Das treibt den Rechten Wähler zu und zermürbt alle, die einfach nur nicht belogen werden wollen.

    • @Lowandorder:

      kurz - ja

    • @Lowandorder:

      Ist es für Sie wirklich Humanität, wenn Menschen aus Indien oder Georgien viel Geld dafür ausgeben, um unter lebensgefährlichen Bedingungen hierher zu kommen und einen Asylantrag zu stellen, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgelehnt wird?

      Wäre es nicht humaner zu sagen:"Mit dem oder dem Beruf und etwas Deutschkenntnissen kannst Du Dir in Deutschland Arbeit suchen."?

      Dass es bei Indern und Georgiern um die großen Zahlen geht, ist offensichtlich.

      • @rero:

        Ach wissen Sie. Mit 1 1/2 Jährchen AuslR & 20 AsylR verschiedene Länder als Richter - hab ich da halt nen anderen Blick - die derzeitige Fortschreibung der Schleifung 1993 des Asylrechts - nach dem Grundgesetz - in Deutschland ist eine inhumane Verelendung!



        Und bleibe mit dem Verfassungsrichter Jürgen Kühling im Spiegel damals dazu



        “ Wir schaffen eines der Grund&Menschenrechte des Grundgesetzes ab ohne Not. Nur weil wir schlecht organisiert sind!“



        Daran hat sich nichts geändert •



        Lesens hier die Stellungnahmen



        “Einigung bei EU-Asylpolitik



        : „Der größte politische Rückschlag“



        Innenministerin Faeser und Außenministerin Baerbock loben die Einigung zur EU-Asylreform. Kritik kommt aus Grünen-Fraktion und Zivilgesellschaft.



        taz.de/Einigung-be...lpolitik/!5980977/



        Der einschlägigen Orgs wider die menschenverachtenden statemens unser schlicht unerträglich verantwortungsinaffinen Trallalafittigirls.



        Ja. Stacheldraht in Schmierseife verpacken! Da sinnse immer dabei! Woll

        • @Lowandorder:

          Es bleibt zum Mäuse melken, siehe " BUPO " und " FRONKREISCH "

    • @Lowandorder:

      Ich bin gegen ungeregelte Migration und hoffe auf eine praktikable Lösung. Die sehe ich auch in absehbarer Zeit bei dieser Regierung nicht. Das das Handlungsfähigkeitsgetue nun dazu führt, dass Menschen mit Familien ausgewiesen werden, die hier gut integriert sind, ist ein Skandal. Man greift jetzt die,bei denen es am leichtesten geht: Die Familien haben eine Anschrift, arbeiten, haben eine Wohnung, die Kinder gehen zur Schule und sie zahlen Steuern. Damit sind sie die am leichtesten erreichbare Gruppe für Abschiebungen und die Politik kann sich über steigende Zahlen freuen.