Mietenwatch & Mietendeckel: Wie der Deckel voll durchschlägt
Eine Altbauwohnung kostet aktuell 15 Euro/qm. Kommt der Mietendeckel, sind noch 6,50 Euro erlaubt. Die Preisspirale wäre durchbrochen.
Nun wird sich nächste Woche wohl erst der Koalitionsausschuss der Streitpunkte annehmen. Im Senat würde die Vorlage dann frühestens am 22. Oktober behandelt werden.
Als unstrittig gilt bislang, dass die Mieten ab Januar fünf Jahre lang nicht mehr steigen dürfen beziehungsweise nur schrittweise bis zu definierten Höchstwerten. Je nach Baujahr liegen die Grenzen zwischen 5,95 Euro und 9,80 Euro pro Quadratmeter, Zuschläge von maximal 1,40 Euro für Sanierungen können dazukommen. Bei Wiedervermietungen müssen die Preise auf die Grenzen der Oberwerte abgesenkt werden. Welche Auswirkungen diese Regelung haben würden, zeigen die Daten von Mietenwatch eindrücklich.
Liegen die Angebotsmieten im Altbau aktuell bei durchschnittlich 14,81 Euro nettokalt, dürften es mit dem Mietendeckel nur noch maximal 6,45 Euro sein. Wer ab Januar in Berlin eine entsprechende Wohnung mietet, würde demnach 8,36 Euro weniger pro Quadratmeter zahlen als jene, die ihren Mietvertrag heute unterschreiben.
Bei 2003 bis 2013 gebauten Häusern sinken die Preise von 17,12 auf 9,80 Euro – eine Ersparnis von 7,32 Euro. Selbst die geringste Differenz bei zwischen 1991 und 2002 gebauten Wohnungen beträgt noch 4,35 Euro.
Wirksam die Mieten senken
Auch mit Aufschlägen für Sanierungen würde der Mietendeckel die Preisspirale durchbrechen – oder wie Mietenwatch schreibt: „Mietobergrenzen könnten die Mieten bei Neuvermietung tatsächlich wirksam senken.“ Das Geschäftsmodell etwa von Akelius, Wohnungen luxuriös zu sanieren und hochpreisig wiederzuvermieten, wäre durchkreuzt. Der Anreiz, Mieter aus ihren Verträgen zu drängen, entfällt. Wenn der Mietendeckel keine Rücksicht auf die Lage der Wohnungen nimmt, könnten auch derzeit nicht mehr leistbare Ortsteile wieder erschwinglich werden.
Die 40. Folge des Podcasts Lokalrunde - das Stadtgespräch aus Hamburg und Berlin beschäftigt sich mit dem Zustandekommen und den Ergebnissen des Projekts Mietenwaatch. Die Auswertung von 80.000 Wohnungsangeboten zeigt: Berlin ist für die Mehrheit nicht mehr bezahlbar. Außerdem: Die Klimabewegung Extinction Rebellion blockiert gerade Berlin, aber sie eckt auch an: Warum provoziert sie vor allem linke Aktivisten?
Die Höchstpreistabelle scheint im Senat derzeit unumstritten – und könnte damit zum Kernstück des Deckels werden. Er wäre damit so etwas wie eine schärfere Mietpreisbremse, die ebenfalls zum Ziel hatte, Wiedervermietungsmieten zu begrenzen, jedoch gescheitert ist. Anders als bei der Mietpreisbremse wäre es für Mieter durch feststehende Oberwerte und fehlende Ausnahmeregelungen einfach zu kontrollieren, ob ein Angebot rechtskonform ist.
Setzt sich die SPD mit ihrem Nein zu Mietabsenkungen in Bestandsverträgen durch, droht ein Ungleichgewicht zwischen jenen, die in den letzten Jahren überteuerte Wohnungen angemietet haben, und jenen, die ab Januar günstig anmieten können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer