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Maßnahmen gegen TelegramHass lässt sich nicht löschen

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Dem Messaging-Dienst Telegram Grenzen aufzuzeigen, ist rechtlich kompliziert. Die Polizei kann Nut­ze­r:in­nen aber auf die Spur kommen.

ImpfgegnerInnen vernetzen sich über Telegram zum Impfstreik. Demonstration in Berlin am 11.12.2021 Foto: Stefan Boness

E s gibt sie, die digitalen Verstecke im Internet. Für Kriminelle sind sie interessant, für Demokratiefeinde, aber auch für die, die vor autoritären Regimen fliehen. Die Plattform Telegram ist einer dieser Orte. Seit Tausende Corona-Leugner:innen, „Quer­den­ke­r:in­nen“ und Rechtsextreme dort Umsturzfantasien austauschen und sich zu gewalttätigen Fackelmärschen im echten Leben verabreden, ist die Politik aufgescheucht und versucht, gegen die Plattform vorzugehen.

Das Problem: Das schwerste Schwert der alten Bundesregierung gegen Hasskriminalität im Netz ist das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Formal fällt Telegram nicht unter dieses Gesetz, da die Plattform nicht als soziales Netzwerk geführt wird. Wäre dies so, wäre Telegram verpflichtet, strafbare Inhalte binnen 24 Stunden zu löschen. Zudem wäre es leichter, den Eigentümer mit Firmensitz in Dubai zu belangen.

Die Debatte über den Messengerdienst ist nicht neu. Ein Video des Attentäters von Halle im Jahr 2019 kursierte auf Telegram, islamistische Terrorgruppen vernetzen sich über die Plattform. Und auch im Wirecard-Skandal wurde diskutiert, wie die Plattform eingeschränkt oder reguliert werden könnte, da Geldtransfers sowie ein Großteil der Kommunikation über Telegram liefen.

Seit Jahren ist die Plattform nicht mehr nur ein Messenger für die Individualkommunikation. Passiert ist trotzdem nichts. Auch das Geschäftsmodell des Telegram-Gründers Pawel Durow ist hinlänglich bekannt: grenzenlose Kommunikation und Vernetzung mit absoluter Wahrung der Privatsphäre. Eine Anpassung des Gesetzes oder eine Regulierung auf EU-Ebene dürfte Monate, wenn nicht Jahre dauern.

Davon unbenommen können Polizeibehörden fragwürdige Chatverläufe in den offenen Gruppen verfolgen und auch ahnden. Etliche Extremisten outen sich mit Klarnamen in den Chatgruppen. Die Behörden müssten sie nur finden. Die Forderungen nach Sperrungen, nach Verboten und dem sofortigen Ende Telegrams sind Ausdruck der Hilflosigkeit politischer Akteur:innen. Der Hass wird bleiben, auf der Straße und in neuen digitalen Verstecken.

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Tanja Tricarico
Ressort ausland
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Seit März 2024 im Ressort ausland der taz, zuständig für EU, Nato und UN. Davor Ressortleiterin Inland, sowie mehrere Jahre auch Themenchefin im Regie-Ressort. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
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18 Kommentare

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  • @INGO BERNABLE

    Korrektur: ich hatte 20K (nicht 200K) in erinnerung für die grösseren Schwurblergruppen auf Telegram hierzulande. Aber ich mag mich täuschen.

    Und nein, ich bin davon überzeugt, dass die Polizei erst ihre klassischen Ressourcen benutzen soll, bevor sie nach neuen schreien.

    Mein wichtigster Punkt: personell, kulturell und wissenstechnisch aufstocken bevor neues Spielzeug [1] "gekauft" wird.

    Es kann doch nicht angehen, dass investigative Journalist*innen denen bei wesentlich weniger Mitteln (personell, technisch, juristisch) immer um nasenlängen voraus sind.

    [1] Damit meine ich sowohl technisches als auch juristisches.

  • Das Problem der Regierenden ist offensichtlich nicht Telegram, sondern es sind Menschen, die sich über dieses Kommunikationsmittel austauschen und vor denen die Regierung warum auch immer Angst hat.

    Wenn Straftaten über das Telefon verabredet werden ist auch nicht die Telekom schuld.

  • Die autoritären Opportunisten werden keine Gelegenheit auslassen, für ihr technisches Überwachungsspielzeug Lobby zu machen.

    Das war schon dazumal ("Schleierfahndung, Innenminister Schily z.B.); bei Telegram kann ich die Aufregung nicht verstehen.

    Wenn zwei Leute, oder eine kleine Gruppe verschlüsselt miteinander kommuniziert, dann geht das auch mit GPG. Das fällt nicht unter dem NetzDG.

    Wenn's, wie hier, um Telegram-Gruppen mit bis zu 20K Teilnehmer*innen geht, dann ist jede Polizei unfähig, die sich da nicht einschleusen kann, sorry. Das ist stinknormale Ermittlungsarbeit. Und ja, ich bin sehr dafür, da die Kompetenzen der Polizei zu stärken, mit finanziellen und (vor allem!) personellen Mitteln. Solange diese der parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Rechtsstaat und so.

    Die autoritären Maximalisten jedoch werden nicht ruhen, bis nicht jedes Badezimmer, jedes Klo eine Videokamera, ein Mikrofon und vielleicht noch ein Geruchssensor hat. Am besten von den Nutzer*innen bezahlt.

    Weil, wie soll man sonst die Kriminellen fassen. Sie könnten ja auf der Kloschüssel was aushecken.

    • @tomás zerolo:

      Ich bin sehr für Datenschutz und sehe jede Form staatlicher Überwachung und Schnüffelei ausgesprochen kritisch. Allerdings denken ich, dass das im aktuellen Kontext hetzerischer Kanäle auf Telegram gar nicht der wesentliche Punkt ist. Bei Teilnehmerzahlen von 200.000 Leuten kann man wohl kaum noch von einer privaten Korrespondenz sprechen. Zum Vergleich: der öffentlich-rechtliche Sender Bremen 2 erreicht im Mittel etwa 50.000 Hörer*innen. Es spricht also Einiges dafür diese Kanäle als Öffentlichkeit und nicht als private Kommunikation zu werten. Dann aber sollten die Platformbetreiber*innen auch im Falle von strafbaren Inhalten mit den Behörden kooperieren. Die Variante in die fragelichen Kanäle verdeckte Ermittler*innen einzuschleusen halte ich, wenn es präventiv geschieht für eine sehr viel fragwürdigere Form der Überwachung, und wenn es ex-post passiert für wenig hilfreich. Zumal hier, neben sehr hohen rechtlichen Hürden auch ein recht hoher Personalaufwand Probleme bereiten. Entsprechend ist davon auszuhen, dass ein solcher Ansatz recht schnell wieder zu Instrumenten wie Quellen-TKÜ, staatlichen Backdoors in Verschlüsselungsalgorithmen, Vorratsdatenspeicherung, etc. führen wird die sich automatisiert auswerten lassen. Also genau jenen Formen von Überwachung die man als Verfechter von Datenschutz unbdingt vermeiden möchte weil sie Sicherheit und Integrität von Systemen und Kommunikation insgesamt in Frage stellen.

  • Aussichtslos.



    So bekommt man das nie in der Griff.



    Telegram nicht.



    Fakeshops nicht.



    Spam nicht.



    und sie Pornflut auch nicht.

    Die Politik ist zutiefst unglaubwürdig geworden - und das ist das Problem.

    Grade kommt in den Nachrichten, dass im Januar der Impfstoff ausgeht: Und genau sowas meine ich mit unglaubwürdig.

    Ein Blick in die Geschichte ist auch hier sehr interessant:



    Die Pest hat seinerzeit die Macht der Kirche gebrochen.



    Wie auch immer man zur Kirche steht: Aktuell beobachten wir ganz Ähnliches mit unserem Staat ...und da wird mir Angst und Bange.

  • Mag die Frisen der Typen, scheun auf rechts gelegt..........

  • "Etliche Extremisten outen sich mit Klarnamen in den Chatgruppen. Die Behörden müssten sie nur finden."

    Ich kenne mich ja nicht mit Kriminaltechnik aus, aber könnte man nicht einfach die entsprechenden Handys orten? Wenn ja: warum macht man das nicht? Es gibt eine Riesenkampagne gegen Telegramm. Aber das ist als würde man den Papierhersteller anklagen für den Mist, den jemand darauf druckt.

    • @Jalella:

      "Aber das ist als würde man den Papierhersteller anklagen für den Mist, den jemand darauf druckt."



      Ich würde es eher so beschreiben: Telegram ist wie eine Druckerei zum Mieten. Der Smartphoneproduzent wäre der Papierhersteller. Und wenn die Druckerei sich weigert, bei kriminellen Drucksachen mit einem demokratischen Rechtsstaat zu kooperieren, ist eine Anklage angebracht.

    • @Jalella:

      "könnte man nicht einfach die entsprechenden Handys orten?"



      Kann man nicht. Dazu bräuchte man die Nummer, die ist aber nicht zwangläufig für Andere einsehbar, wenn sie es ist, muss sie nicht notwendigerweise echt sein, wenn sie es ist, ist sie nicht in jedem Fall mit Personendaten verknüpft (etwa bei alten PrePaid-Karten), wenn sie es ist, können auch die falsch sein. Um zumindest an die Nummer oder IP zu kommen sieht es also ohne die Mitarbeit des Unternehmes das eine solche Platform betreibt schlecht aus.



      "als würde man den Papierhersteller anklagen für den Mist, den jemand darauf druckt."



      Gerade vorgestern wurden die Betreiber des 'Cyberbunkers' zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, dafür, dass sie Infrastruktur bereitstellten über die dann in großem Stil Drogenhandel, Hackerangriffe und Falschgeldgeschäfte abgewickelt wurden.

  • Telegram ist international eine wichtige Plattform der Opposition, insbesondere in nicht demokratischen Staaten wie Weißrussland. Wenn in Deutschland diese Plattform eingeschränkt wird, ist dies eine Steilvorlage für Autokraten.

    • @wollewatz:

      Seit wann benötigen die Autokraten dieser Welt deutsche Steilvorlagen? Rusnet, große Firewall, etc. kamen auch gut ohne deutsches Vorbild aus. Es gibt also wenig Grund für die Annahme der demokratischen Opposition in autokratischen Systemen sei damit geholfen die hiesigen Nazis und Hetzer unbehelligt ihre Propaganda verbreiten zu lassen.

      • @Ingo Bernable:

        "Seit wann benötigen die Autokraten dieser Welt deutsche Steilvorlagen?"

        In Moskau oder Peking wird sehr aufmerksam registriert, welche Massnahmen mit welcher Begründung umgesetzt werden -- diese Begründungen werden nach innen (der Westen macht's ja auch) und nach aussen (wir machen nur, was ihr auch macht) genutzt.

        Kleine Erinnerung an den absurden "War on Terror" seit 2001 und die Geschwindigkeit, mit der sich Russland und China das Totschlagargument Terrorbekämfung angeeignent haben, um allerlei Widerwärtigkeiten damit zu bemänteln.



        Dass dies ebenso im Westen unzählige Schweinereien (Gunatanao, Kurnaz, ...) rechtfertigen sollte, macht einen Widerspruch gegen Russland oder China nochmal ungleich schwerer.

      • @Ingo Bernable:

        Wenn aber von deutscher Seite der Umgang solcher Regierungen mit ihrer Opposition verurteilt wird um damit die Opposition zu unterstützen, dann greift das wohl kaum, wenn man sich im Gegenzug den Vorteil gefallen lassen muss, dass man ja selbst auch nicht besser mit seinen Kritikern umgeht.

        • @wollewatz:

          Die Verbreitung von NS-Propaganda, antisemitischen Verschwörungsmythen oder das Verfassen von Morddrohungen und -aufrufen sind weder Kritik an der Regierung noch sind sie legitim. Ich denke nicht, dass man sich die Aufklärung derartiger Straftaten von irgendwelchen Diktaturen zum Vorwurf machen lassen muss. Die Systemgegnerschaft brauner Querdenkermilieus die in der Regel anti-demokratisch und tendenziell faschistisch ist, mit jener demokratischer Bewegungen in autoritären Staaten gleichzusetzen ist falsch, zynisch und stärkt letztlich das Narrativ jener die sich längst in einer Diktatur wähnen (obwohl gerade eben erst ein demokratischer und friedlicher Machtwechsel stattgefunden hat).

  • Das Geschäftsmodell von Telegram ist es, staatlichen Kontroll- und Repressionsforderungen maximalen Widerstand entgegenzusetzen.



    Davon profitieren in Deutschland "Querdenker" und Rechte. In Rußland und Belarus, aber auch vielen anderen autoritären Regimen, profitiert davon die demokratische Opposition. Wer Telegram bekämpfen will, sollte sich darüber im Klaren sein, daß er damit auch den wichtigsten Kommunikationskanal der demokratischen Kräfte in Belarus und anderswo zu beseitigen versucht.

    • @yohak yohak:

      Was nutzt Telegram, wenn Demonstranten eingesammelt, weggesperrt und unter Folter falsche Geständnisse oder Beschuldigungen erpresst werden?!

  • Der Hass wird bleiben, schon klar, aber die Logistik wäre weg, sie könnten sich nicht mehr im "Dunkeln" verabreden. Und Fahndungserfolge bei Telegram dürften allemal nur minimal sein und bleiben. Also haut weg den Scheiß!

    • @shitstormcowboy:

      Es gibt auch noch das Darknet. Irgendeine Plattform findet sich immer. Und immer sind die Behörden melenweit hintendran.