Manuela Schwesig und die Ukraine: Plump und peinlich
Manuela Schwesig erklärt sich plötzlich mit der Ukraine solidarisch und kappt alle Drähte zu Russland – das ist Opportunismus vom Feinsten.

P olitische Zäsuren sind immer auch die Zeiten von Wendehälsen. Plötzlich muss man einsehen, dass man jahrelang auf die Falschen gesetzt hat – und wenn es wirklich nicht mehr geht, wird – zack, zack – die Seite gewechselt. Auffallend am Typus des Opportunisten oder der Opportunistin ist, wie penetrant die Sympathiebekundungen für die neue Seite plötzlich ausfallen und wie öffentlichkeitswirksam die früheren Brücken abgebrochen werden. Opportunisten sind immer die scheinbar hundertprozentig Überzeugten im neuen Lager, um ihr altes Tun zu vernebeln.
Manuela Schwesig, die SPD-Ministerpräsidentin in Schwerin, ist ein besonders beeindruckendes Beispiel dieses Verhaltens. Praktisch im Stundentakt verkündet sie nun, dass sämtliche Verbindungen Mecklenburg-Vorpommerns zu Russland gekappt werden. Die „Russlandtage“ im Land sind gestoppt. Den Verein „Deutsch-Russische Partnerschaft“ (Vorsitzender: Schwesigs Vorgänger Erwin Sellering) hat sie „gebeten“, seine Arbeit ruhen zu lassen – was nebenbei zeigt, dass es diesem Verein nie um hehre Ziele wie „Völkerverständigung“ ging, wie es offiziell hieß, sondern darum, das Business mit Russland durch nette Kulturprojekte zu flankieren.
Die sogenannte Klimastiftung, die mit Mitteln von Gazprom finanziert wurde und den einzigen Zweck verfolgte, die Gaspipeline Nord Stream 2 in Betrieb zu setzen, wird nun aufgelöst, und selbstredend fordert sie Gerhard Schröder auf, seine Jobs für russische Staatsfirmen aufzugeben. „Die SPD Mecklenburg-Vorpommern steht auf der Seite der Ukraine“, verkündete sie zu Kriegsbeginn. Der Botschafter der Ukraine hat mit seiner Antwort recht: „Die Heuchelei ist zum Kotzen.“
Das, was Manuela Schwesig in den vergangenen Jahren mit Blick auf die Pipeline, die an Vorpommerns Küste endet, ablieferte, ist ziemlich kleines Karo. Natürlich muss eine Ministerpräsidentin die Interessen ihres Landes vertreten. Aber es ist ein Unterschied, ob sich ein Regierungschef für eine Elbvertiefung oder ICE-Halte im eigenen Land einsetzt, oder für ein paar Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen jahrelang das Spiel eines Diktators mitspielt – und das Ganze auch noch garniert mit Wohlfühlfloskeln wie „Dialog mit Russland“.
Ja, es haben sich viele geirrt mit Blick auf Russland. Reflexion und Selbstkritik wären ein Weg, damit umzugehen. Aber das plumpe, selbstgefällige Manöver, das Manuela Schwesig derzeit aufbietet, ist einfach nur peinlich.
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