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MLPD droht Nichtzulassung zur WahlScheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?

Der MLPD droht, bei der Bundestagswahl nicht kandidieren zu dürfen. Das ist das Ergebnis einer Sondersitzung des Bundeswahlausschusses.

Statuen von Karl Marx und Wladimir Iljitsch Lenin vor dem Zentralkomitee der MLPD in Gelsenkirchen Foto: S.Ziesex/imago

Berlin taz | Bei der vorgezogenen Bundestagswahl könnte die Marxistisch Leninistische Partei (MLPD) auf den Wahlzetteln fehlen. Denn der maoistischen Splitterpartei droht die Nichtzulassung. Das ist das Ergebnis einer Sondersitzung des Bundeswahlausschusses am Dienstag. Der Grund ist ein Verstoß gegen das Parteiengesetz, den die Mehrheit des Gremiums für so gravierend hielt, den MLPD-Vorstand für nicht handlungsfähig zu erklären.

Hintergrund ist, dass das Parteiengesetz im Paragrafen 11 vorschreibt, dass der Vorstand einer Partei mindestens in jedem zweiten Kalenderjahr gewählt werden muss. Die MLPD hat für sich jedoch in ihrem Statut festgelegt, dass das nur für ihre Leitungen auf Orts-, Kreis- und Landesebene gilt. Bundesparteitage sollen satzungsgemäß hingegen nur alle vier Jahre stattfinden. Die letzte Wahl des Zentralkomitees fand 2021 statt.

Sieben der elf Mitglieder des Bundeswahlausschusses sahen darin einen Grund, der amtierenden MLPD-Führung abzusprechen, eine Beteiligungsanzeige für die Bundestagswahl einreichen zu können. Die ist jedoch eine Grundvoraussetzung, um eine Partei zur Wahl zuzulassen. Neben den zwei Rich­te­r*in­nen des Bundesverwaltungsgerichts stimmten die beiden CDUler sowie die Ver­tre­te­r*in­nen von CSU, AfD und Grünen für die Ausschlussandrohung, während die zwei Abgesandten der SPD und der FDP-Vertreter dagegen stimmten. Bundeswahlleiterin Ruth Brand enthielt sich der Stimme.

Zuvor hatte sich der Bundeswahlausschuss knapp eineinhalb Stunden die Begründung der MLPD angehört, warum sie es für richtig und notwendig hält, das Parteiengesetz in Bezug auf ihren Bundesparteitagsrhythmus zu ignorieren – und warum das aus ihrer Sicht kein Grund darstellt, nicht zur Wahl zugelassen zu werden. „Wir machen extra diese Parteitage nur alle vier Jahre, weil bei uns dauert eine Parteitagsvorbereitung ein Jahr“, argumentierte Zentralkomitee-Mitglied Peter Weispfennig in der Sitzung. Die MLPD wolle, dass ein solcher Parteitag „gründlich, demokratisch und durch alle Mitglieder vorbereitet“ werden könne – während andere Parteien ja nur „Showveranstaltungen“ durchführten.

Seit 2005 ununterbrochen bei der Bundestagswahl dabei

Die Vierjahresregel für Bundesparteitage gelte seit Gründung 1982. Dass sie nunmehr zum Problem erklärt werde, sei für ihn nicht nachvollziehbar, so Weispfennig. Schließlich habe die Partei ohne Beanstandung 1987 erstmalig an einer Bundestagswahl teilgenommen, seit 2005 sei sie ununterbrochen dabei. Bei der Wahl 2021 erhielt die MLPD, die für sich in Anspruch nimmt, den „echten Sozialismus“ zu vertreten, 22.535 Erst- und 17.799 Zweitstimmen.

Zwar habe es 2021 bereits zum ersten Mal eine Diskussion mit dem Bundeswahlausschuss darüber gegeben, so Weispfennig. Aber trotzdem sei seine Partei schließlich wieder zugelassen worden. Daher verstehe er nicht, warum das dieses Mal anders sein solle. Eine Antwort darauf, was sich aus der Sicht der Ausschussmehrheit inzwischen geändert hat, bekam der Parteifunktionär und Rechtsanwalt jedoch nicht.

Nicht besonders auskunftsfreudig gab sich Weispfennig bei der Frage, wann denn die MLPD ihren nächsten Bundesparteitag abhalten will. Irgendwann im kommenden Jahr soll das sein. Aber auch auf mehrere Nachfragen der Bundeswahlleiterin weigerte er sich, einen konkreten Termin zu nennen: „Das machen wir nicht so gerne, weil wir das immer ein bisschen so machen, dass unsere Mitglieder sich da in Ruhe treffen können.“ Aber natürlich sei „schon alles geplant.“ Nicht einmal das Quartal wollte Weispfennig preisgeben.

„Reaktionäre bis faschistoide Unterdrückung“

Dass sich der Bundeswahlausschuss mehrheitlich nicht von der Argumentation ihrer Partei hat überzeugen lassen, erzürnt die MLPD-Bundesvorsitzende Gabi Fechtner. Nach außen hin begründe der Ausschuss die drohende Nichtzulassung zwar mit angeblichen formellen Mängeln, aber eigentlich gehe es um etwas ganz Anderes: „In Wahrheit geht es um eine reaktionäre bis faschistoide Unterdrückung, die eindeutig antikommunistisch ist.“

„Der Angriff gegen uns kommt nicht wegen ‚Handlungsunfähigkeit‘, sondern gerade weil wir ausgesprochen handlungs- und kampagnenfähig sind“, so Fechtner. Dabei verweist sie darauf, dass die MLPD „in etwas über vier Wochen seit dem Ampel-Aus schon die notwendigen Unterstützungsunterschriften für die Wahlteilnahme in 14 Bundesländern gesammelt“ habe. In den zwei noch fehlenden werde die Sammlung diese Woche beendet werden können. „Der Bundeswahlausschuss setzt sich selbstherrlich über dieses Votum von 30.000 Menschen hinweg“, empört sich die MLPD-Chefin.

Allerdings ist noch keineswegs ausgemacht, dass die MLPD es nicht doch noch auf die Wahlzettel schafft. Denn erst auf seiner ersten regulären Sitzung voraussichtlich im Januar wird der Bundeswahlausschuss tatsächlich über die Zulassung dieser wie auch der anderen Parteien zur Bundestagswahl entscheiden. Nach dem Bundeswahlgesetz ist dabei eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, um die Anerkennung als Partei abzulehnen.

Die Frage wird nun sein, ob es die MLPD auf die Konfrontation ankommen lässt. Wahrscheinlicher ist, dass sie sich jenseits allen verbalen Protestes für eine pragmatische Lösung ihres Problems entscheidet. „Für den Fall der Fälle haben wir längst einen Wahlparteitag einberufen“, räumt Parteichefin Fechtner ein. „Aber man darf sicher sein, dass auch dann die Angriffe auf die Wahlzulassung und Parteieigenschaft weiter gehen werden.“

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23 Kommentare

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  • Die Aufregung geht fehl, da sie verfrüht ist. Darauf weist der Artikel hin. Was unerwähnt bleibt:

    Verfahrensregen, Gesetz und auch das Grundgesetz stellen keine endgültigen. Ordnung dar. Erst in ihrer Anwendung werden sie immer wieder neu interpretiert. Im Zweifelsfall entscheiden BVerfG oder der EuGH was nun rechtes ist.

    Das Grundgesetz regelt, dass Wahl- und Parteiengesetz in weiterer Gesetzgebung bestimmt werden. Aus demokratischer Perspektive ist daran bedenklich, dass Wahl- und Parteiengesetz, aber auch das Grundgesetz, von dem elitären Personenkreis beschlossen werden, dessen Wirken sie regulieren soll: die Abgeordneten. Das Wahlen und Ernennungen zu Änderungen im Abgeordnetenpersonal und bei obersten RichterInnen führen, ändert wenig daran, denn hier bestimmt die vorhergehende Elite, was (auch) für die nachfolgende Auswahl gelten soll.

  • Mindestens 20 Jahre lang war etwas Usus. Und jetzt ist es ein Problem? War das vorher kein Verstoß, hat keiner bei einer "extremistischen" Partei im Kleingedruckten nach Gründen für einen Ausschluss gesucht?

    Na, wenn das nicht seltsam ist. Es gibt in der BRD eine eher bedrückende Geschichte der Bekämpfung der politischen Opposition. Siehe die Einflussnahme von Adenauer auf das BVerfG beim Verbot der KPD und den Radikalenerlass.

    Der politische Gegner, links, wie rechts, darf, ja muss mit allen Mittel bekämpft werden. Die Leute könnten ja sonst falsch wählen. Und wenn man rechts bekämpfen will, sollte man nachweisen, dass man nach links, ja auch so vorgeht.

    In dieser Vorstellung von Demokratie ist diese aus Plastilin und kann von den Altparteien nach Wunsch deformiert werden. Ein gleiches gilt für den Rechtsstaat.

    Das kann man nicht gut finden. Diese Institutionen müssen für jeden gleichermaßen funktionieren, alles andere ist Willkür.

  • Wenn eine Partei sich nicht an die Regeln hält und auch Informationen nur spärlich heraus gibt. Haben die bei einer Wahl nichts zu suchen.

    Parteien haben seit 2021 Zeit sich auf die nächste Wahl vorzubereiten, auch wenn es jetzt 7 Monate früher ist, kann eine Partei das locker schaffen. gerade kleine Parteien haben es da leichter. Selbst Schuld wenn die es jetzt nicht auf den Wahlzettel kommen

  • Parteien die heute noch Massenmörder (Lenin) verherrlichen sollten überhaupt verboten werden !!

  • 2021 wurde das noch mal toleriert mit der Wahl. Und ich geh mal davon aus, dass damals Tacheles geredet wurde fürs nächste mal sich an Recht und Gesetz zu halten. Splitterparteien wie die MLPD sind nicht relevant was Wahlergebnisse angeht.



    Aber jetzt ist Schluss wenn die sich nicht an Gesetze halten. Selbst Schuld. Übrigens, fast niemand wird diese Partei auf dem Wahlzettel vermissen.

  • Spannend. Einerseits hätte man das ja früher schon mal thematisieren können, und deutlich.



    Und das eigenartige Ein-Personen-BSW durfte ja auch antreten.

    Andererseits sollten auch keine Seltsamparteien ohne Transparenz und innerparteiliche Demokratie abgehen. Die Geldquellen waren auch immer obskur.



    Kluge Vertreter hätten sich kurz beraten und auch einen voraussichtlichen Termin genannt.

    Schade, ich fand die MLPDs durchaus unterhaltsam, doch das ist natürlich irrelevant für die rechtliche Frage.

  • Für mich klingt das nach organisatorischer Debililität: es sollte in jeder Partei möglich sein, kurzfristig Delegierte zu wählen und die zu einem Parteitag zusammentreffen zu lassen. Ausser Randalierer wollen die Zufahrt zur Veranstaltung blockieren und hunderte von Städten versuchen, ihre Stadthalle zu sperren.

  • Aber die Richter im Bundeswahlausschuss werden doch sicher gewählt!

    Schauen wir wer in die engere Auswahl kommt:



    Das Bundesverwaltungsgericht schreibt:



    "Die Richterinnen und Richter am Bundesverwaltungsgericht werden auf Lebenszeit ernannt. ... Die Richter werden von einem Richterwahlausschuss gewählt. Ihm gehören die ... zuständigen Minister der Länder und eine gleiche Zahl durch den Bundestag gewählter Mitglieder an."

    Ok- da wird gewählt.



    Aber welche(r) von den Richtern kommmt denn in den Aussschuss ?

    Das findet sich in der Bundeswahlordnung §4:

    "Der Bundeswahlleiter beruft zwei Richter des Bundesverwaltungsgerichts..."

    Also auch hier: Nicht gewählt sondern BERUFEN.

    Also wird nicht ein einziges Mitglied tatsächlich gewählt. Keines. Null.

    Alle werden irgendwie von den amtierenden Parteien vorgeschlagen.



    Das bedeutet natürlich nicht, dass die nicht unabhängig sind sie sind aber eben auch nicht gewählt sondern ernannt und berufen.



    Und sie können ja offenbar ganz nach Bedarf hin- oder wegschauen...



    Und wegbeissen ...

  • Aber wer ist denn dieser Bundeswahlausschuss überhaupt ?



    Ich habe das mal zusammengesucht.

    Spoiler: Sonderlich demokratisch erfolgt die Bildung des Gremiums nicht...

    Wie der Ausschuss zusammengesetzt ist findet man auf der Seite der Bundeswahlleiterin:



    "Der Bundeswahlausschuss besteht aus der Bundeswahlleiterin als Vorsitzende sowie acht Beisitzerinnen bzw. Beisitzern und zwei Richterinnen bzw. Richtern des Bundesverwaltungsgerichts. Die Beisitzerinnen und Beisitzer werden auf Vorschlag der Parteien von der Bundeswahlleiterin berufen."

    Also schonmal 8 nicht gewählt.

    Und die Vorsitzende? Findet sich in Bundeswahlgesetz §9:



    "Der Bundeswahlleiter und sein Stellvertreter werden vom Bundesministerium des Innern und für Heimat ... ernannt"

    Also auch hier: Nicht gewählt.

  • Also ganz ehrlich, wenn Herr Weispfennig so argumentiert, dann verstehe ich warum der Bundeswahlausschuss sich schwer tut, wenn dieser nichtmal preisgeben will, wann ein etwaiger Parteitag geplant sei, nichtmal den ungefähren Zeitpunkt wie das Quartal. Das ist schon unglaubwürdig und hat auch mit Demokratie nichts zu tun, bzw. mit dem Sinn einer Partei



    Wenn dann auch noch angekündigt wird, man habe alles vorbereitet für einen Wahlparteitag, noch vor der Bundestagswahl, ja dann würde ich als Wahlausschuss die Begründung für die 4 Jahre auch nicht durchgehen lassen. Denn scheinbar geht es ja!

  • Ein Schuft der Böses dabei denkt.

    Denn mal so unter uns: Mit wieviel Prozent ist denn zu rechnen ?

    Zankt man hier nicht um des Kaisers Bart ?

    Aber es ist ja ein wunderbares Fanal eine Partei ausszuschliessen. Und viel einfacher als eine Partei verbieten zu lassen.

  • Ich finde den Gedanken, dass manche Gesetze nicht für alle gelten, ja sympathisch. Ich zum Beispiel würde mir wünschen, das für ganz bestimmte Parteien keine 5%-Hürde gilt. Leider ist es aber halt dann doch immer wieder so, dass die Gesetze für alle gelten, auch die, die man doof findet.

  • Das ist ja fast schon eine Tragigkomödie. Die Partei schafft es bei der letzten Bundestagswahl 60.000 Unterstützerunterschriften einzusammeln, aber erhält dann nur knappe 22.500 Stimmen. Jedes der 2.800 Parteimitglieder schafft es also 8 (!) weitere Personen davon zu überzeugen, die MLPD zu wählen.

    • @Mopsfidel:

      Vorallem wollen 40.000 Menschen die Partei dabei haben aber sie wählen nicht, die finden es nur witzig ihr beim Scheitern zu zuschauen.

  • Ach, die gibt es noch? Wer hätte das gedacht, nachdem die Truppe noch nie irgendwas gewonnen hat.

  • Linke Parteien werden irgendwie ziemlich schnell blockiert von unseren Politikern. Bei rechts wird's auf einmal schwierig....

  • Was kann daran nur so schwer sein, sich an ein paar Spielregeln zu halten?

  • Ein starkes Stück, die MLPD jetzt nach 40 Jahren so auflaufen zu lassen. Ob sie damit rechnen mussten? Ich weiß es nicht.



    Denn hätte der Vorstand das Thema vorher ernst genommen, hätte der Bundesparteitag nach h.M. in der Literatur komplett online durchgeführt werden können. Nur der Bundestag glaubt das nicht und verlangt wenigstens für die Schlussabstimmung eine Briefwahl. Aber auch das wäre ja mit etwas Vorlauf machbar gewesen.



    www.bundestag.de/r...49-20-pdf-data.pdf

    • @hedele:

      Und wenn eine Parte 100 Jahre besteht und sich nicht an die Regeln hält wird diese auch nicht zugelassen.



      Wenn die Partei also schon 40 Jahre besteht und es nicht schafft, sich diesmal an die Spielregeln zu halten, ist dann wer schuld?

  • Es gibt keinen Grund, warum die MLPD vom Parteiengesetz abweichen dürfen soll. Abgesehen davon ist die MLPD eine stalinistische Partei, deren Verbot nur daran scheitert, dass sie zu unwichtig ist, um die verfassungsmäßige Ordnung zu gefährden.

    • @Wondraschek:

      Ja, nur weil der Rechtsextremismus gerade das massive Problem ist, sollte man andere Verfassungsfeinde nicht walten lassen.

  • Die Revolutionäre haben vergessen, eine Bahnsteigkante zu kaufen.

    • @Meister Petz:

      Danke für das Schmunzeln.