Luftangriffe des türkischen Militärs: Ziele Syrien und Irak angegriffen
Die Türkei hat den Beginn eines neuen Militäreinsatzes in Nordsyrien und im Irak verkündet. Die Regionen würden als Terror-Stützpunkte genutzt.
„Die Terror-Angreifer werden zur Rechenschaft gezogen“, twitterte das türkische Militär; jetzt sei „Rechenschaftszeit“. Offiziell rechtfertigt die türkische Regierung sich mit Verweis auf Artikel 51 der UN-Charta, in der das Selbstverteidigungsrecht eines Landes geregelt ist.
Nach offiziellen Angaben waren die Ziele der Angriffe Stellungen der syrischen Kurdenmiliz YPG rund um die Stadt Kobane und Bunker und Höhlen der PKK im Sindschargebirge im Nordirak. Türkische Medien berichten, dass die Luftangriffe in zwei Wellen mit jeweils zehn Kampfbombern vom Luftwaffenstützpunkt Diyarbakir ausgingen.
Hauptziel sei es gewesen, dass Hauptquartier der YPG in Kobane zu vernichten. Im Anschluss an das Bombenattentat in der Istanbuler Fußgängerzone am letzten Sonntag, hatte die Polizei berichtet, die mutmaßliche Attentäterin hätte ihre Anweisungen „aus Kobane“ erhalten.
Nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle in London sind bei den Angriffen mindestens 12 Menschen getötet worden. Nach Angaben der YPG wurden zwei Dörfer bei Kobane bombardiert. Auch ein Posten der syrischen Armee soll getroffen worden sein.
Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar rühmte dagegen nach dem Angriff die präzise Trefferquote auf „terroristische Stellungen“. In martialischer Rhetorik betonte er, dass bei allen terroristischen Angriffen auf die Türkei auch die Drahtzieher zur Rechenschaft gezogen würden.
Angriffe in Syrien offenbar beendet
Mit den Luftangriffen scheint der Angriff in Nordsyrien zumindest vorerst beendet zu sein. Es gibt im Moment keinen Hinweis, dass ein Einmarsch von Bodentruppen vorbereitet wird. Das Hauptziel der Luftangriffe war Kobane, eine syrische Stadt unmittelbar an der türkischen Grenze, die durch ihren erfolgreichen Kampf gegen den IS im Winter 2014/15 bekannt geworden ist.
Die Stadt gehört zu den Orten, die schon länger im Visier der türkischen Militärplaner ist. Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der den jüngsten Angriffsbefehl unmittelbar nach seiner Rückkehr vom G20-Gipfel auf Bali gab, hatte schon im Sommer angekündigt, die Türkei wolle die YPG aus einer 30 Kilometer tiefen Sicherheitszone entlang der türkischen Grenze vertreiben. Kobane ist die größte Stadt innerhalb dieser Zone. Gegen einen türkischen Einmarsch hatten sowohl Russland als auch die USA Einspruch erhoben, sodass Erdoğan dieses Projekt zunächst auf Eis legte.
Den jetzigen „Vergeltungsangriff“ hatte Erdoğan offenbar bereits auf Bali US-Präsident Joe Biden angekündigt. Einen Tag vor dem Angriff waren jedenfalls US-Bürger aufgefordert worden, Nordsyrien und den Nordirak zu meiden. In einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Freitag hatte Erdoğan den Angriff vermutlich ebenfalls angekündigt.
Verdächtige in Bulgarien festgenommen
Bei Ermittlungen im Anschluss an das Attentat in Istanbul waren im Laufe der Woche insgesamt 51 Personen festgenommen worden, zuletzt auch noch einige Verdächtige in Bulgarien. Nach den Haftprüfungsterminen am Freitag ordnete ein Richter für insgesamt 17 Personen U-Haft an.
Türkische Medien berichten, dass noch nach einem Mann gefahndet werde, der der Attentäterin angeblich direkte Anweisungen gegeben habe, wo sie die Bombe platzieren soll. Angeblich habe die festgenommene Frau nicht gewusst, dass in dem Paket, das sie in der Fußgängerzone abstellte, eine Bombe gewesen sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé