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Links-anarchische Impf­geg­ne­r:in­nen„Gegen Kapital und Impfung“

In Hamburg wollen am Wochenende anarchistische Linke gegen die Pandemiemaßnahmen protestieren. Andere linke Gruppen distanzieren sich davon.

Linke Parolen in neuem Kontext: Impfgegner:innen-Demo am 27.11.2021 in Hamburg Foto: dpa / Georg Wendt

Hamburg taz | Der Tenor der Reden an den Hamburger Landungsbrücken war gegen „Kapital und Impfung“: Die Reichen würden immer reicher in der Pandemie werden. „Wir, die Arbeiterklasse“ würden zahlen, die Ärmsten der Armen würden immer ärmer, sagt Thomas K., während rund 600 Demonstrierende am vergangenen Samstag für „sinnvolle Maßnahmen statt Impflobbyismus“ auf der Straße sind. Auch am kommenden Wochenende wollen sie wieder demonstrieren.

Den Nachnamen will K. der taz nicht sagen, er sei nur der Redner. Dauerredner wäre der treffendere Ausdruck, da er, der keiner politischen Organisation zugehörig sei, ununterbrochen redet und sich dabei nicht nur gegen Pharmaindustrie und Lobbyismus wendet, sondern auch von den „korrupten Politikern“ in den Parlamenten spricht. Zu wissen meint er, dass Po­li­ti­ke­r:in­nen noch nie eine „wertschöpfende Arbeit“ geleistet hätten.

Diese linke Kritik an den staatlichen Pandemiemaßnahmen wird lauter. In den vergangenen Wochen forderten in Hamburg unter anderem „Freie Linke“ und Anarchist:innen, die Impfpatente freizugeben und keinen staatlichen Impfzwang durchzusetzen. Auch forderten sie auf den Demos „Champagner für alle“. Mit rotem Stern und geballter Faust wurde zuvor für die Demonstration am Samstag geworben. In einen der Telegram-Kanäle der Querdenkenden- und Corona-Leugnenden-Bewegung fand sich das Plakat zum Aufruf der Demonstration. Den Aufruf veröffentlichte auch die „Anarchistisch Libertäre Freie Linke“ in ihrem Telegram-Kanal.

200 Protestierende waren zur ­vorangegangen Demonstration am 15. Januar zu den Landesbrücken gekommen. Über die Reeperbahn zog die Demonstration bis zur Elbphilharmonie. „Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung“ skandierten die Teil­neh­me­r:in­nen – eine Parole, die schon bei anderen „Querdenken-“ und Corona-Leugnen-Demonstrationen zu hören war. Auch Fahnen mit Che-Guevara-Konterfei, Regenbogenfarben und Peace-Aufdruck und Antifa-Kürzel „FCK NZS“ wehten im Wind. Linke Parolen wie „My body my choice“ bekamen einen neuen Kontext oder wurden modifiziert: „Kein Ungimpfter ist illegal“.

Das höhere Alter der Teilnehmenden war auffällig

Volker Weiß, Historiker und Rechtsextremismusexperte

Thomas K. erläutert das: Linke und Rechte hätten schon immer Themenüberschneidungen gehabt; alle Meinungen müssten gelten. Eine „Querfront“ wäre das Zusammengehen aber nicht. Er hält dann auch „der Linken“, „der Antifa“ und dem „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ (HBgR) vor, mit ihrer Kritik und Abgrenzung zur Demo selbst totalitär und gar faschistisch zu sein, die Gesellschaft und die Bewegung zu spalten und mit ihren Impfaufrufen Staat und Kapital zu unterstützen.

Dass Rechtsextreme durch die Nicht-Ausgrenzung akzeptierter Teil der Bewegung werden, ignoriert K. mit seinen Worten. Auch blenden seine Vorwürfe aus, dass bei einer Demonstration des HBgR im Januar mit über 5.000 Protestierenden Lobbyismus und die Pharmaindustrie hinterfragt wurden. Auch forderten die Demonstrierenden eine Freigabe der Impfpatente und ein Ende der neoliberalen Gesundheitspolitik. Betroffene aus dem Gesundheitssystem prangerten dort die sozialen Folgen der Pandemiepolitik an.

„Kapitalismus ist keine Verschwörung“, erklärt „Lasse“, der neben K. kurzzeitig als Redner auf Demonstration auftritt. Er hält Impf­befürworter:innen vor, dadurch das Kapital zu unterstützen. Sie alle würden halt die wirklichen Fakten nicht erkennen.

Es wird klar: Die Pandemie erscheint als eine Art Superverschwörung. In dieser Verschwörungsform, schrieb der Kulturhistoriker Michael Butter 2020 in seinem Buch über Verschwörungstheorien „Nichts wie es scheint“, ergänzen sich Ereignis- und Systemverschwörungen.

Bereits bei der Demonstration am 15. Januar beobachte der Historiker Volker Weiß, der sich intensiv mit der Geschichte und Gegenwart der extremen Rechten in Deutschland beschäftigt, dass die Redner „geübt und missionarisch“ waren. Auftreten und die Ausführungen würden eine Nähe zu einer Szene zwischen An­ti­im­pe­ria­lis­t:in­nen und In­ter­na­tio­na­lis­t:in­nen nahelegen, so Weiß. Auch „Althippies und ältere Alternative“ hätten sich eingereiht.

Solche „Altlinke“ wären auch schon bei den früheren „Friedensdemonstrationen“ und „Montagsmahnwachen“ aufgelaufen. „Das höhere Alter der Teilnehmenden war auffällig“, sagt Weiß. Jüngere An­ti­fa­schis­t:in­nen dagegen hätten am Rande der Demonstration zum Gegenprotest gestanden. Am vergangenen Samstag ergab sich ein ähnliches Bild.

Verschwörungsnarrative erreichen Rechte und Linke

In der Studie „Rechtsextremismus der Mitte“ wiesen Roland Imhoff und Oliver Decker bereits 2013 darauf hin, dass „der allgemeine Glaube daran, dass die Geschicke der Welt von Mächten gelenkt werden, die hinter den Kulissen agieren“, weit verbreitet sei. An­hän­ge­r:in­nen von rechten und linken Parteien würden „überproportional“ zu Verschwörungsnarrativen neigen.

Ohne eine Gleichsetzung von Rechts und Links zu betreiben, führen sie aus, dass Verschwörungsnarrative genährt werden könnten, wenn in der linken Argumentation eine „personalisierte Kapitalismuskritik“ oder ein „personalisierter Antikapitalismus“ formuliert würde.

Die Crux liegt laut Max Horkheimer und Theodor W. Adorno aber tiefer – im verkürzten dualistischen Denken. Schon in der „Dialektik der Aufklärung“ warnten sie 1944, die Verblendungen und Prozesse der „Natur des Wirtschaftssystems“ nicht auf den „Fabrikanten“, „Bankier“ oder den „Juden“ zu projizieren.

Bei Telegramm-Kanälen weist Thomas K. auf den Protest für das Wochenende hin. In den Kanälen finden sich auch Informationen der rechtsextremen „Freien Sachsen“ und der rechtsextremen Kampagne „Impfstreik“.

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8 Kommentare

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  • 8G
    82289 (Profil gelöscht)

    "Thomas K. erläutert das: Linke und Rechte hätten schon immer Themenüberschneidungen gehabt; alle Meinungen müssten gelten."

    Ältere Linke haben vielleicht politisch mehr Erfahrung.



    Es gab auch schon Themenüberschneidungen zwischen Rechten und Linken während der Anti-Atomkraftproteste. Auf diesen Demos liefen nachweisbar auch Rechte mit, nur wurde das früher nicht so thematisiert.

  • Was mich wirklich beruhigt, ist dass auch bei dieser Demo nur so wenige Leute unter 45 dabei sind. Nochmal ein deutlicher Hinweis, dass es der ersten Nachfolgegeneration des ultraautoritären Naziregimes vor allem um eine späte Rache an ihren autoritären Eltern/Vorfahren geht..

    Schön dass offenbar die unermüdliche Aufarbeitung der Nazivergangenheit in der BRD Wirkung zeigt.!!

    Ansonsten inhaltlich nur der übliche Quatsch mit Soße...

    Laaaaaaaangweilig....

    • @Wunderwelt:

      HÄ ? Wer in Zeiten des deutschen Irreseins, sagen wir 1938, erwachsen war, und somit im weitesten Sinne mit-verantwortlich, ist vielleicht Jahrgang 1900 oder 1915. Kinder von so jemandem sind vielleicht 1930 oder 1940 geboren und jetzt 90 oder 80 Jahre alt. Sind dies die erwähnten "Älteren" auf so ner Demo ? Eher wohl Jahrgang 1955 ff. Rechnen !

      • @lesnmachtdumm:

        O.k. rechnen wir mal:

        ..wenn man davon ausgeht, dass die ersten 6 Lebensjahre für Menschen besonders prägend (charakterbildend) sind..und somit die Jahrgänge 1928-1945 am stärksten von der Zeit des Nationalsozialismus geprägt wurden, so lässt sich weiter folgern, dass diese etwa in der Zeit von 1948 bis 1970 selber Eltern geworden sind.

        Insofern setzt sich die erste Nachfolgegeneration des ultraautortären NS-Regimes aus den Geburts-Jahrgänge 1948 - 1970 zusammen.

        ..was sehr gut zu der Zusammensetzung der hier beschriebenen Demo, wie auch der meisten Querdenker-Demos passt.

        Danke für den Hinweis.

        • @Wunderwelt:

          aha, so war das gemeint: Nich Mitmachen beim Morden, nein, ihre Kindergartenexistenz im Naziland prägt die Leut zu Dauerfaschos, gegen die ihre Kinder 30 Jahre später wiederum natürlich rebellieren müssen. Ne sehr schräge Theorie. Woher kamen dann die 68-er ? Die waren 1965 ja auch nich mehr alle süße 18. Dass die 68 auch autoritäre Seggel waren (K-Grüppchen etc.) und nochdazu ein nicht zu geringer teil Antisemitisches erkennen ließ: das zugegeben.

          • @lesnmachtdumm:

            "Mitmachen beim Morden" - Sie haben eine sehr klischeehafte und eindimensionale Sicht auf autoritäre Systeme.



            Die Realität ist, in Deutschland und anderswo, dass Sie nur einen überschaubaren Teil der Bevölkerung brauchen für das aktive "Morden". Der Rest muß nur einfach wegschauen oder sich einschüchtern lassen.

  • Schlimm schlimm.



    Impfen sei kapitalistisch oder weil man für Impfstoffe Kapital benötigt, sind sie gegen Impfen. Das ist kindisch.



    Ja der Staat ist halt der Feind.



    Wenn mensch aber selbstorganisiert alle Maßnahmen zur Vermeidung von gefährlichen Infektionen treffen und durchsetzen muss, läuft es doch auf die gleiche Situation hinaus. Das liegt an den Viren und nicht an dem Staat, der auch gar nicht alles perfekt erfüllen kann.



    Gute Besserung.



    Die Diskussion im linken Spektrum nimmt zurzeit an Fahrt auf.

  • Was bei den Leuten abgeht finde ich bedrohlicher als Corona. Ich stelle bei mir auch langsam eine mentale Erschöpfung fest. Ich habe keinen Bock mehr auf sinnlose Diskussion mit solchen Leuten. Bringt nix. Die leben in ihrer eigenen Welt. Alles purzelt durcheinander. Ich mache kurz meinen Standpunkt klar und gehe.