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Lehrstuhl vor dem AusVerdrängung der Psychoanalyse

In Frankfurt ist einer der letzten psychoanalytischen Lehrstühle in Gefahr. Dabei könnte er helfen, die Corona-Protestbewegung zu verstehen.

Symbol der Psychoanalyse: Die Behandlungscouch von Analyse-Begründer Sigmund Freud Foto: Freud Museum London

Besorgte Bürger heften sich gelbe Sterne an die Kleidung, auf denen „ungeimpft“ steht. Sie versammeln sich auf öffentlichen Plätzen und schwadronieren davon, Bill Gates wolle ihnen Mi­krochips einpflanzen, Corona sei eine Erfindung der Medien und die Maßnahmen dagegen der geheime Plan einer globalen Verschwörung.

Wenn sich das Verhalten dieser Menschen nicht mehr rational erklären lässt, sie ihren Interessen und der Vernunft zuwiderhandeln, dann kommt die Psychoanalyse ins Spiel. Mit ihr lässt sich solches Verhalten auf Motive befragen, die den Menschen selbst verborgen sind.

So notwendig das Vokabular der Psychoanalyse aber ist, um Gesellschaft zu verstehen, so prekär ist ihr Status an deutschen Universitäten. Die akademische Psychologie hat die Psychoanalyse erfolgreich entsorgt. Während die Disziplin in anderen Fachbereichen wie Kulturwissenschaften, Soziologie, Erziehungswissenschaften und Soziale Arbeit nach wie vor gelehrt wird, spielt sie in der Ausbildung von Psychologiestudierenden außerhalb teurer Privat­unis keine nennenswerte Rolle.

Und jetzt wird an der Frankfurter Goethe Universität offenbar versucht, einen der letzten beiden der 61 deutschen Lehrstühle für klinische Psychologie, der psychoanalytisch besetzt ist, abzusägen. Eine „Studentische Interesseninitiative Psychoanalyse der Goethe Universität“ beklagt, dass die Professur nach ihren Informationen verfahrensoffen ausgeschrieben werden soll. Sie haben Mitte April eine Online-Petition gestartet. Über 7.800 Personen haben für den Erhalt des psychoanalytischen Lehrstuhls unterschrieben.

Tom David Uhlig

studierte in Frankfurt u. a. Psychologie, ist Mitarbeiter der Bildungsstätte Anne Frank und Mitherausgeber der Zeitschriften „Freie Assoziation“ und „Psychologie & Gesellschaftskritik“.

Reparieren statt analysieren

Bei einer verfahrensoffenen Ausschreibung hätten Be­wer­be­r*in­nen mit mehr Publikationen und mehr Drittmitteln bessere Aussichten. Strukturell würde das Psy­cho­ana­ly­ti­ke­r*in­nen benachteiligen, weil es für ihre aufwändigen Verfahren weniger Forschungsgelder und Zeitschriften gibt. Auf Nachfrage der taz, ob die Professur tatsächlich verfahrensoffen ausgeschrieben werde und somit eine psychoanalytische Professur nicht garantiert sei, antwortete die derzeitige Dekanin Prof. Dr. Sonja Rohrmann, dass sie zur Ausschreibung „zum jetzigen Zeitpunkt keine Auskunft geben“ könne.

Das Ende der psychoanalytischen Ausrichtung würde Studierenden die Möglichkeit nehmen, ein krankenkasslich anerkanntes Therapieverfahren kennenzulernen. Auch auf das gesellschaftstheoretische Potenzial der Psychoanalyse würde fahrlässig verzichtet. Die Entscheidung hätte über die Frankfurter Lehrpläne hinaus Signalwirkung, was die gesellschaftliche Akzeptanz des psychoanalytischen Zugangs zu sozialen Phänomenen angeht.

Der Lehrstuhl für Psychoanalyse in Frankfurt hat eine traditionsreiche Geschichte. Erstmals besetzt wurde er 1966 mit Alexander Mitscherlich, der die Psychoanalyse nicht nur als klinische Behandlungspraxis weiterentwickelte, sondern auch für die Sozialpsychologie nutzbar machte. Ein Jahr später veröffentlichte er zusammen mit Margarete Mitscherlich-Nielsen „Die Unfähigkeit zu trauern“, einen Schlüsseltext der deutschen Nachkriegsgesellschaft.

Die Mitscherlichs bemerkten in der denkwürdigen Indifferenz der Deutschen gegenüber den eigenen Verbrechen ein Klammern an das idealisierte Objekt der Volksgemeinschaft, von dem sie sich nie gelöst hatten, das – psychoanalytisch gesprochen – nie betrauert wurde. Nachfolge­r*in­nen wie Herman Argelander und Christa Rhode-Dachser setzten diese Linie fort und trugen dazu bei, dass Frankfurt zu einem der lebendigsten Orte psychoanalytischer Theoriebildung wurde.

Unter dem gegenwärtigen Lehrstuhlinhaber Tilmann Habermas wurde die Psychoanalyse in das Institut für Psychologie eingegliedert und führte dort dann ein Nischendasein. Umgeben war sie von Pro­fes­so­r*in­nen verfeindeter Theorietraditionen, die wegen angeblicher Antiquiertheit der Psychoanalyse deren wissenschaftliche Legitimität anzweifelten. Das Misstrauen hat Tradition.

Der Verhaltenstherapie ist es gelungen, mit ihrem Versprechen auf schnelle Symptomreduktion, vereinheitlichten Behandlungsplänen und kostengünstigeren Ausbildungen mehr Professuren zu besetzen, mehr Drittmittel einzuwerben und so die Psychoanalyse aus den Universitäten zu verdrängen. Sie verträgt sich besser mit dem Kapitalinteresse, den Ausfall von Arbeitskräften kostengünstig zu minimieren. Anstatt über Jahre hinweg Lebens- und Familiengeschichten mit unklarem Ausgang aufzuarbeiten, setzt sie an der Störung an, versucht sie sinngemäß zu reparieren.

Theorie geht über Bord

Die Eigenständigkeit der Psychoanalyse wurde zwar auch am psychologischen Institut nicht gänzlich aufgegeben, doch hinterließ die positivistische Verwertbarkeitslogik der Psychologie ihre Spuren. Die Ausrichtung konzentrierte sich zunehmend auf das therapeutische Setting, das im Gegensatz zur psychoanalytischen Sozialpsychologie auf gesellschaftlichen Rückhalt durch die Krankenkassen vertrauen kann.

Doch das scheint den Geg­ne­r*in­nen der Psychoanalyse nicht zu genügen, die selbst immer wieder Versatzstücke der Psychoanalyse für die eigene Praxis nutzen, während sie die Theorie über Bord werfen. In Frankfurt will man die Emeritierung von Habermas zum nächsten Sommersemester nun offenbar nutzen, um die unliebsame Konkurrenz, die institutionell längst besiegt ist, endgültig loszuwerden.

Seit der Bundestag 2019 beschlossen hat, die Psychotherapieausbildung teilweise ins Studium zu verlagern, ist die Präsenz der Psychoanalyse dabei an den Hochschulen dringlicher geworden, weil Studierende kaum noch eine andere Chance haben, die Vielfalt an Ausbildungsmöglichkeiten kennenzulernen. Der Lehrstuhl in Frankfurt war hier eine der letzten Bastionen. Zahlreiche psychoanalytisch interessierte Studierende zog es aus anderen Städten hierher. Anstatt Diagnosemanuale auswendig zu lernen, wurden hier Gesprächsführungsseminare angeboten, die einen Eindruck vermittelten, was es bedeutet, jemandem zuzuhören, gemeinsam Konflikte herauszuarbeiten, derer man sich vorher nicht bewusst war.

Wer sich mit den gesellschaftlichen Implikationen der Psychoanalyse beschäftigen wollte, musste zwar schon länger in anderen Fachbereichen wildern. Die Möglichkeiten dafür wurden am Institut für Psychologie wegen der Verengung auf die Behandlungspraxis nicht ausgeschöpft. Das bedeutet aber nicht, dass die anstehende Nachbesetzung gesellschaftstheoretische Fragen ausklammern muss.

Denn das Verständnis des Subjekts und das der Gesellschaft gehören in der Psychoanalyse zusammen. Publikationen wie der von Kathrin Henkelmann und Kol­le­g*in­nen herausgegebene Sammelband „Konformistische Rebellen. Zur Aktualität des Autoritären Charakters“ (2020, Verbrecher Verlag) oder die Leipziger Autoritarismus-Studie von Elmar Brähler und Oliver Decker (2020, Psychosozial-Verlag) belegen, dass psychoanalytisches Vokabular für die heutige Sozialforschung wichtig ist.

Narzisstische Kränkung der „Querdenker*innen“

Auch Freud erkundete die Anwendung psychoanalytischer Einsichten auf gesellschaftliche Konstellationen. 1926 mutmaßte er, die Zukunft werde „wahrscheinlich urteilen, dass die Bedeutung der Psychoanalyse als Wissenschaft vom Unbewussten ihre therapeutische Bedeutung weit übertrifft“.

Eine Haltung, die er 1933 in seinen „Neuen Vorlesungen zur Psychoanalyse“ bekräftigte: „Ich sagte Ihnen, die Psychoanalyse begann als eine Therapie, aber nicht als Therapie wollte ich sie Ihrem Interesse empfehlen, sondern wegen ihres Wahrheitsgehalts, wegen der Aufschlüsse, die sie uns gibt, über das was dem Menschen am nächsten geht, sein eigenes Wesen, und wegen der Zusammenhänge, die sie zwischen den verschiedensten seiner Betätigungen aufdeckt. Als Therapie ist sie eine unter vielen.“

Wie gegenwärtig der Bedarf ist, zeigen die sogenannten Querdenker*innen. Ihr Verschwörungsglaube lässt sich psychoanalytisch als Umgang mit Angst interpretieren. Unaushaltbare Unsicherheiten in der Pandemie werden im Verschwörungsglauben aufgelöst, die Welt vereindeutigt und die Aggression gegen die vermeintlichen Verschwörer pathisch projiziert, sodass die Wut zur Notwehr verklärt werden kann. Die narzisstische Kränkung, der Gesellschaft mit ihren Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung wie auch der Krankheit ausgeliefert zu sein, wird so bewältigt durch die Errichtung eines fantastischen Größenselbst, das über alles Bescheid weiß.

Statt aber die politische Unfähigkeit zu attackieren, der gesamten Bevölkerung einen hinreichenden Schutz vor dem Virus zu gewähren, rebellieren die „Quer­den­ke­r*in­nen“ konformistisch. Sie schlagen los im Einklang mit den kapitalistischen Verhältnissen, gegen diejenigen, die schwächer sind, bei denen die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Krankheitsverlauf höher ist.

Diese Abgründe zu ergründen könnte Aufgabe eines psychoanalytischen Lehrstuhls innerhalb der Psychologie sein. Größen wie Mitscherlich haben vorgemacht, wie das „Junktim von Heilen und Forschen“ das Verständnis der Gesellschaft bereichern kann, ohne ihr plump zeitdiagnostische Etikette wie „narzisstische Kultur“ zu verpassen. Es bleibt zu hoffen, dass die Studierenden in Frankfurt sich durchsetzen können, eine geeignete Nachfolgerin für den Lehrstuhl zu finden.

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65 Kommentare

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  • Einer meiner Lieblinge - Eric Kandel -



    “… ScienceBlogs: Sie sprechen Freud an. Bevor Sie sich der Neurobiologie zuwandten, studierten Sie Psychiatrie und waren der Psychoanalyse zugewandt. Werden wir irgendwann auf neurologischer Ebene Freuds Dreigestirn Ich, Über-Ich und Es finden?

    Eric Kandel: Warum nicht? Wir beginnen gerade zu analysieren, wo verschiedene Arten unbewusster Prozesse im Gehirn lokalisiert sind. Welche Bereiche aktiv sind, wenn jemand etwas bewusst erwartet versus unbewusst. Aber wir werden nicht Ich, Über-Ich und Es von einander getrennt finden, wie Freud das erdacht hat.



    … Ein Fehler von Freud?



    Eric Kandel: Das Problem mit Freud ist, er wird verehrt wie eine Art Idol. Sicher hatte er intuitiv einige wichtige Erkenntnisse der Funktionen unseres Gehirns erfasst. Wenn man aber einen Fehler bei ihm aufdeckt – und er machte viele davon – reagieren die Menschen entsetzt. Aber wie sollte er denn keine Fehler gemacht haben. Er war vor allem zwischen 1880 und 1940 aktiv. Er hatte keine unsere heutigen Techniken. Es ist erstaunlich, dass er einige profunde Erkenntnisse gewonnen hat. Es ist ganz und gar nicht erstaunlich, dass er etwa weibliche Sexualität nicht verstanden hat.

    ScienceBlogs: Ist Psychoanalyse nach Freud dann heute noch berechtigt?

    Eric Kandel: Ich sage nur, Wissenschaft entwickelt sich. Das Problem der Psychoanalyse ist, sie steht heute noch immer bei Freud. Aber Freud ist tot. Sie sollten ihn ruhen lassen und neue Forschung betreiben. Was Patienten erzählen, genügt nicht. Wir brauchen bildgebende Verfahren und mehr – etwa für neue Analysen der frühkindlichen Entwicklung .



    Das Problem liegt also nicht bei Freud, sondern den Generationen nach ihm. Die sich wie eine eingeschworene Gemeinde gegenseitig schützen. Ich meine, wenn sie nichts anderes können als Psychoanalyse, dann trifft es sie jedes Mal hart, wenn Freud widerlegt wird. Schließlich hängt ihr Job daran.

    scienceblogs.de/ne...del-freud-ist-tot/

  • "Tatsächlich sind nämlich die Schwurbler und Querdenker die ungeliebten Kinder der kritischen Sozialwissenschaften, welche mit dem Positivismus auch gleich sämtliche positiven Bezugsmöglichkeiten (und somit auch sämtliche Utopien) mit dem Bade ausgekippt haben. Wo es ohnehin „nichts Richtiges im Falschen“ geben kann, braucht man sich nicht zu wundern, wenn „alternative Fakten“ erblühen. Vom Balkon des „Hotel Abgrunds“ aus ist doch Zynismus letztlich die einzig authentische Haltung.

    Man hat so lange das Abseitige und Randständige gegen den kapitalistischen Mainstream gefeiert, bis nun auch Lieschen Müller vor Zorn gegen die „Mainstreammedien“ brüllt"

    Da hast Du einen Punkt. Absolut richtige Analyse.



    Das Rebellentum hat die Form behalten aber die politischen Seiten gewechselt - oder ist Querfront.

    Vielleicht sollte man insbesondere die Formel vom nicht Richtigem im Falschen da nochmal überdenken.

    Ok, du willst jetzt den Positivismus wieder rehabilitieren, wobei ich mit deinem - seine Schwächen und Grenzen reflektierenden - Positivismus kein Problem habe.Weil er keinen Absolutheitsanspruch erheben würde.

    Allerdings nimmt er m.E.doch eine ziemlich hegemoniale denn marginale Stellung auch und gerade in Psychologie und Sozialwissenschaften ein so dass eine Rehabilitation aufgrund der schon vorhandenen Dominanz hat nicht möglich ist

    Aber wenn du mit Rehabilitation des Positivismus eine Förderung des Realismus meinst, bin ich übrigens voll bei dir.

    Gleichwohl meine ich aber auch, dass andererseits die Rehabilitierung von Methodenvielfalt (kooperativ, ganz ohne Dagegen-sein!) auch gesellschaftlich schon viel Druck aus dem Kessel nehmen würde.

    Ich finde man sollte den Begriff der Ganzheitlichkeit von der esoterischen Vereinnahmung befreien und ihn in einem seriösen akademisch-geisteswissenschaftl. Rahmen rehabilitieren.

    Die Nachfrage an ganzheitlichen oder mir aus auch multiperpektivischen Sichtweisen ist und bleibt einfach vorhanden - ob man will oder nicht.

  • Das war zu erwarten, dass hier die Fetzen fliegen. Ein kurzer Blick auf den Autor und die Frage: "Wer sagt etwas?", gekoppelt an die Nachfrage: "Warum sagt er so etwas?" - das hätte schnell Aufschluss gegeben, dass ein Anhänger der nun wirklich verstaubten Psychoanalyse sich zu diesem Thema äußert.

    In erster Linie ist die Frage zu stellen: "Welchen Nutzen soll eine Analyse besitzen?" Nun, jeder Analytiker führt selbige durch um herauszubekommen worum es sich handelt. Das kann eine chemische Verbindung sein und deren Gehalt in einem Stoffgemisch, oder der Grund, warum ein Mensch ein bestimmtes Verhalten an den Tag legt. Das ist es auch schon, was von einer Analyse zu erwarten ist.

    Die Psychoanalyse ist aber nicht dabei stehen geblieben, sondern hat eine dogmatische Basis geschaffen auf der sämtliche Beobachtungen zu festgefügten Schlussfolgerungen führen. Zu Zeiten Freuds gab es nichts vergleichbares, doch gab es schnell Kratzer an dem selbstgefälligen Denkmal. Ich erwähne hier nur Alfred Adler, der sich aus diesem Dogmatismus löste. Jetzt ging es nicht nur um die Analyse, sondern auch um die Konsequenz daraus. Die "Übertragung" des Patienten auf den Analytiker sollte ja das Trauma löschen und den Erfolg bringen. Erfolg brachte es für das Portmonnaie des Analytikers.

    Will man also eine solche Analyse als Therapieform anbieten, so ist die Frage zu stellen: "Was nützt dem Klienten am meisten und am schnellsten?" Da schneidet die Pschoanalyse geradezu jämmerlich ab. Ein weiterer gravierender Nachteil ist, dass der Klient zum Objekt degradiert wird. Das zeigt sich schon in den Fragetechniken, die für einen intelligenten Menschen eine Zumutung an Paternalismus bedeuten.

    Andere Therapieformen dagegen sehen den Klienten als aktiv handelnden und arbeitenden. Das ist menschenwürdig, wenn auch nicht dadurch die Selbstgefälligkeit des Analytikers bedient wird.

    Man muss nicht immer ehrwürdige Gräber pflegen.

  • Mit welchen Recht erhebt sich die Psychoanalyse über "Mikrowellen-Psychologie" und gegenüber dem "Esoterik- und Heilpraktikermarkt.

    Von Ihrem wissenschaftstheoretischen Standpunkt aus ist wahrscheinlich eh alles was nicht in die MINT-Methodik eingenordet werden kann esoterisch.



    So wie für die US-Republikaner schon die kleinste sozialdemokratische Regulierung natürlich sofort "socialism" ist.

    Was der Unterschied zwischen Esoterik und Psychoanalyse ist? Nun, z.B. darin, dass sich die Psychoanalyse durchaus in der Tradition der Aufklärung sieht.



    Religiösen Themen wurden und werden z.B. in aller Regel sehr deutlich und mit Nachdruck der metaphysische Wahrheitsgehalt abgesprochen und auf die Ebene des psychischen Apparates rationalisiert.

    In der Esoterik dagagen wimmelt es nur so von metaphysischen Aussagen und Postulaten.

    Sie wollen doch nicht ernsthaft seriöse psychodynamische Arbeit mit esoterischem Coaching vergleichen?

    Eine Richtung die da heraussticht ist da selbstverständlich die Analytische Psychologie von Carl Gustav-Jung.

    Der spielte in den letzten Dekaden in der psychodynamischen Versorgung aber keine nennenswerte Rolle mehr.

    Aber bei den Verschwörungsmystikern um so mehr. Nicht verwunderlich. Man hat in der Versorgung ein Vakuum geschaffen und die Leute bastelnd sich dann alles mögliche zurecht.



    Hätte man verhindern können, diese gefährliche irrationalistische Revolution. Aber nein, die reine Lehre der Chefideologen ist wichtiger

  • Für diejenigen, die befürchten, es gäbe neben den kognitiven Therapien gar nichts mehr, mag der folgende Hinweis als Erleichterung dienen. Seit einigen Jahren ist in Deutschland (seit Jahrzehnten im Rest der Welt) die bunte Vielfalt systemischer Therapien zugelassen. Mit nachgewiesener Wirkung. Allerdings hat die deutsche Bürokratie damit so lange gewartet, dass es erst in einigen Jahren spürbar mehr Kassenzulassungen für systemische Therapeuten geben wird. Unter den verschiedenen systemischen "Schulen" gibt es durchaus auch welche mit psychoanalytischem Hintergrund.

    • @Sabine :

      Ich hoffe persönlich auch noch auf die Personzentrierte Psychotherapie...

    • @Sabine :

      Über diese Nachricht habe ich mich auch gefreut.

      Leider kam die Zulassung so spät, dass die meisten interessierten Endverbraucher mangels Alternative schon sehr häufig in Kontakt mit dem esoterischen Familienstellen kamen (m.M.)

  • Was passiert mit der Freiheit von Forschung und Lehre, wenn man einen ganzen Wissenschafts-Zweig aus der Lehre entfernt?

  • interessanter artikel. hinsichtlich der sehr heterogenen querdenker-szene sehe ich starke paralellen zu heilsbewegungen der vergangenheit, speziell wiedertaeufer und ikonoklasten. offenbar brauchen menschen alle paar jahrzehnte apokalyptische bilder.

    • 9G
      97760 (Profil gelöscht)
      @rughetta:

      Es könnte doch auch sein, daß das Schlüpfen in die Querdenkerrolle nur ein Tool ist, um geläutert aus der Nummer herauszukommen, und danach ein noch besserer Mensch zu sein. Also durch Konfrontationstherapie. Ähnlich bei der Homöopathie. Kenne eine, die mußte auf die harte Tour lernen, daß man einen Kalziummangel nicht mit Globuli behandeln kann. Eine andere Person meinte, es reiche schon, wenn ein homöopathisches Mittel allein schon in ihrer Nähe stünde, um wieder zu gesunden.

    • @rughetta:

      Ja das ist alles ziemlich katholisch im Moment. Kinder ziehen den Weltuntergang verkündend durchs Land. Die Erwachsenen streiten um den prestigeträchtigen ersten Platz am Kreuz...

  • Hier der Link zur Peition: www.openpetition.d...oethe-universitaet

    • @Birdman:

      Schon unterschrieben, Danke 🙂

      • @Oliver Tiegel:

        dto, danke.

  • Der Sinn einer von der Krankenkasse zu finanzierenden Therapie sollte es meines Erachtens auch sein, bei der Störung anzusetzen und Patienten schnell und wirksam zu helfen und nicht „über Jahre hinweg Lebens- und Familiengeschichten mit unklarem Ausgang aufzuarbeiten“.



    Im Übrigen begibt sich die psychoanalytische Herangehensweise, auch wenn es um die Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse geht, oftmals in den Bereich verschwurbelter Überinterpretation. Das Schwurbeln ist ja nun nicht nur ein „Privileg“ der Rechten… das gibt es auch von Links und da ist es halt meistens psychoanalytisch verbrämt.



    Auch wenn es um Querdenker, Trumpisten, Klimaleugner und ähnliche Gruppierungen geht, bringt uns eine Analyse von welchen ökonomischen Interessengruppen deren Desinformationen massiv finanziert und verbreitet werden weiter, als irgendwelches Theoretisieren darüber, ob die nun einen „Mutterkomplex“, einen „anal hortenden Charakter“, „Penisneid“ oder gar alles drei zusammen haben.



    Vielleicht hat die Psychoanalyse einfach ihre Schuldigkeit getan und es ist an der Zeit nach vorne zu blicken und auch bei der Gesellschaftskritik wieder Ansätze zu favorisieren, die bei den ökonomisch-materiellen Verhältnissen ansetzen?

    Vielleicht liegt ja hier sogar der Hund begraben, was die oftmals beklagte Entfremdung der Linken von klassischen Arbeitermilieus betrifft, nämlich dass die psychoanalystische Verbrämung moderner linker Theorie in Arbeitermilieus (vielleicht sogar zu Recht?) als weltfremd und an jeder sozialen Wirklichkeit vorbeigehend empfunden wird?

    • @Florian K.:

      "Der Sinn einer von der Krankenkasse zu finanzierenden Therapie sollte es meines Erachtens auch sein, bei der Störung anzusetzen und Patienten schnell und wirksam zu helfen"



      Das setzt aber voraus, dass es überhaupt einen Weg gibt der "schnell und wirksam" ist. Es werden inzwischen VT-Kurzzeittherapien mit nur 12 Sitzungen angeboten. Das mag aus Sicht der Krankenkassen und akut leidenden Patient*innen zwar vordergründig attraktiv sein, aber in sehr vielen Fällen wird sich dann eben doch herausstellen, dass sich Probleme die die Leute uU schon ihr ganzes Leben lang mit sich herumschleppen eben doch nicht mal so eben lösen lassen. Deshalb würde ich es für einen Fehler halten davon auszugehen, dass VT der generell bessere oder überlegenere Ansatz wäre. Das lässt sich allenfalls in Teilbereichen etwa der Behandlung von Phobien oder Suchtproblemaktiken feststellen, was auch plausibel erschient, aber schon bei Depressionen als einem der häufigsten psychischen Leiden, wird es mE fragwürdig, wenn die VT ein erlernetes negatives Denken als Ursache ausmacht und damit Kausalität und Symptomatik in eins setzt. Selbst wenn es dann gelingt den Behandelten positives Denken anzutrainieren bleibt die Ursache uU ungeklärt und wird in der Folge häufig genug auf gleichem oder anderem Wege erneut in Erscheinung treten und die Betroffenen können sich die nächste Therapie suchen. Nachhaltig ist das nicht, in manchen Fällen braucht es eben die langwierige Aufarbeitung und auch passt nicht jede Therapieform zu allen Patient*innen.



      Wenn sie der PA pauschal vorwerfen lediglich über Penisneid und Ödipuskomplex zu "schwurbeln" ist das letztlich reichlich platte Kritik an einem über 100 Jahre alten Klischee. Dass die Fachrichtung sich seit den Zeiten Freuds vielleicht auch weiterentwickelt hat, in vielen Fällen auch von ihren Wurzeln weg, findet dabei aber keine Berücksichtigung. Einem Mediziner werfen sie aber doch auch nicht vor noch immer mit Laudanum und Aderlass zu behandeln.

      • @Ingo Bernable:

        Ich muss zugeben, dass ich nicht vom Fach bin, was die Methoden der modernen Psychotherapie betrifft. Allerdings scheint mir schon, dass die Evidenzlage zur Wirksamkeit der Psychoanalyse im Vergleich zu beispielsweise Verhaltenstherapeutischen Ansätzen noch immer relativ dünn ist.

        Bei meiner eigenen (zugegebenermaßen kurzen) Recherche zu dem Thema habe ich zwar Studien gefunden, die eine Verbesserung des Befindens von Patienten durch die Psychoananlyse nahelegen, jedoch scheint mir die Frage noch weitestgehend ungeklärt, ob die Psychoanalyse tatsächlich wirksamer ist als nichtwissenschaftliche Methoden, die sich im weitesten Sinne mit der Introspektion eigener psychischer Prozesse beschäftigen (z.B. meditative und mystische Praktiken) oder die im regelmäßigen Laiengespräch psychische Probleme bearbeiten (z.B. „Ausheulen“ an der Schulter des besten Freundes oder Gang zur Beichte). So quasi als Analogon zu den Placebostudien in der klassischen Medizin, denn in der Medizin muss eine Methode einem solchen Vergleich standhalten um als wirksam zu gelten. Falls Du da Studien kennst würde mich das interessieren, denn ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.

        Letztlich zielte meine hier formulierte Kritik an der Psychoanalyse jedoch weniger auf den therapeutischen Nutzen (da bin ich wie gesagt kein Experte), sondern auf die im Artikel erwähnte „gesellschaftstheoretische Potential“ der Psychoanalyse in den Sozial- und Kulturwissenschaften. Hier scheint mir übrigens noch immer gerne auf klassisch freudianische Begrifflichkeiten zurückgegriffen zu werden, selbst wenn diese therapeutisch keine Rolle mehr spielen mögen. Dies trägt meines Erachtens oftmals eben nicht zur Verbesserung der (Gesellschafts-)Theorien bei, sondern viel mehr zu dem was ich oben als „Geschwurbel“ kritisiert habe.

    • @Florian K.:

      Ich bin völlig d'accord was eine mögliche wahrgenommene oder tatsächliche Abgehobenheit bei gewissen Spielarten der Psychoanalyse angeht und dass das in gewissen Arbeitermilleus bestimmt auch als weltfremd rüberkommen mag.



      Trotzdem kann man auch tiefenpsychologisch im Arbeitermillieu Konflikte aufarbeiten und Menschen hier Hilfe anbieten, sollte sie benötigt und erwünscht sein.

      Dies unter Weglassung der komplizierten etwas elitär-bürgerlichen Sprache: ja, das geht

      Übrigens gibt es diese orthodoxe klassische Psychoanalyse (Penisneid, Mutterkomplex, etc.) in der Praxis kaum noch in der Form wie früher. Aber selbst wenn: haben wir keinen Raum mehr für Nischen?

      "Der Sinn einer von der Krankenkasse zu finanzierenden Therapie sollte es meines Erachtens auch sein, bei der Störung anzusetzen und Patienten schnell und wirksam zu helfen und nicht „über Jahre hinweg Lebens- und Familiengeschichten mit unklarem Ausgang aufzuarbeiten“. "

      Erstens sind mir nicht wenige Fälle bekannt, bei denen auch jahrelang - mit ebenso unklaren Ausgang - kognitiv-behavioral an den Symptomen herumgedoktert wurde und zweitens bleibt es manchmal nicht aus, dass sich die Hintergründe und mögliche Ursachen der Störungen anzuschauen. Was nunmal auch Zeit braucht.

    • @Florian K.:

      Ich bin völlig d'accord was eine mögliche wahrgenommene oder tatsächliche Abgehobenheit bei gewissen Spielarten der Psychoanalyse angeht und dass das in gewissen Arbeitermilleus bestimmt auch als weltfremd rüberkommen mag.



      Trotzdem kann man auch tiefenpsychologisch im Arbeitermillieu Konflikte aufarbeiten und Menschen hier Hilfe anbieten, sollte sie benötigt und erwünscht sein.

      Dies unter Weglassung der komplizierten etwas elitär-bürgerlichen Sprache: ja, das geht

      Übrigens gibt es diese orthodoxe klassische Psychoanalyse (Penisneid, Mutterkomplex, etc.) in der Praxis kaum noch in der Form wie früher. Aber selbst wenn: haben wir keinen Raum mehr für Nischen?

      "Der Sinn einer von der Krankenkasse zu finanzierenden Therapie sollte es meines Erachtens auch sein, bei der Störung anzusetzen und Patienten schnell und wirksam zu helfen und nicht „über Jahre hinweg Lebens- und Familiengeschichten mit unklarem Ausgang aufzuarbeiten“. "

      Erstens sind mir nicht wenige Fälle bekannt, bei denen auch jahrelang - mit ebenso unklaren Ausgang - kognitiv-behavioral an den Symptomen herumgedoktert wurde und zweitens bleibt es manchmal nicht aus, dass sich die Hintergründe und mögliche Ursachen der Störungen anzuschauen. Was nunmal auch Zeit braucht.

      • @Oliver Tiegel:

        Meine Kritik richtet sich auch weniger gegen die Psychoanalyse als Therapiemethode, auch wenn ich diesbezüglich weiterhin eine gewisse Skepsis hege, wie ich weiter oben zum Kommentar von Ingo Bernable ausgeführt habe.

        Meine Kritik bezieht sich vielmehr auf die zweite Ebene die der Autor hier aufgemacht hat, nämlich die Psychoanalyse als gesellschaftstheoretische Methodik, die ich nicht nur denkbar ungeeignet, sondern sogar in vielerlei Hinsicht schädlich finde.

        Etwas von dem was ich meine, hast Du schon mit Deiner Aussage „Es braucht eigentlich einen Positivismus-Streit 2.0“ formuliert, nur ich sehe das unter einem umgekehrten Vorzeichen. Meines Erachtens müsste und sollte ein Positivismus Streit 2.0 zu einer Rehabiltiation des Positivismus, sowohl in den Sozialwissenschaften, als auch in der linken Politik führen. Wobei ich hier einen aufgeklärten Positivismus meine, der sich seiner Schwächen und Grenzen bewusst bleibt.

        Tatsächlich sind nämlich die Schwurbler und Querdenker die ungeliebten Kinder der kritischen Sozialwissenschaften, welche mit dem Positivismus auch gleich sämtliche positiven Bezugsmöglichkeiten (und somit auch sämtliche Utopien) mit dem Bade ausgekippt haben. Wo es ohnehin „nichts Richtiges im Falschen“ geben kann, braucht man sich nicht zu wundern, wenn „alternative Fakten“ erblühen. Vom Balkon des „Hotel Abgrunds“ aus ist doch Zynismus letztlich die einzig authentische Haltung.

        Man hat so lange das Abseitige und Randständige gegen den kapitalistischen Mainstream gefeiert, bis nun auch Lieschen Müller vor Zorn gegen die „Mainstreammedien“ brüllt.

        Und dagegen stehen die Schwundstufen einer Linken, denen nun nichts anderes bleibt, als ihre immer kleinteiligere Partikularität in Verbindung mit ihren Befindlichkeiten zu politisieren und deren revolutionärsten Forderungen darin kulminieren, man möge doch bitte „aus Rücksichtnahme“ nicht mehr das Wort XYZ sagen. Unter diesem Pflaster liegt doch schon lange kein Strand mehr...

        • @Florian K.:

          "Tatsächlich sind nämlich die Schwurbler und Querdenker die ungeliebten Kinder der kritischen Sozialwissenschaften, welche mit dem Positivismus auch gleich sämtliche positiven Bezugsmöglichkeiten (und somit auch sämtliche Utopien) mit dem Bade ausgekippt haben. Wo es ohnehin „nichts Richtiges im Falschen“ geben kann, braucht man sich nicht zu wundern, wenn „alternative Fakten“ erblühen. Vom Balkon des „Hotel Abgrunds“ aus ist doch Zynismus letztlich die einzig authentische Haltung.

          Man hat so lange das Abseitige und Randständige gegen den kapitalistischen Mainstream gefeiert, bis nun auch Lieschen Müller vor Zorn gegen die „Mainstreammedien“ brüllt"

          Da hast Du einen Punkt. Absolut richtige Analyse.

          Das Rebellentum hat die Form behalten aber die politischen Seiten gewechselt - oder ist Querfront.

          Vielleicht sollte man insbesondere die Formel vom nicht Richtigem im Falschen da nochmal überdenken.

          Ok, du willst jetzt den Positivismus wieder rehabilitieren, wobei ich mit deinem - seine Schwächen und Grenzen reflektierenden - Positivismus kein Problem habe.Weil er keinen Absolutheitsanspruch erheben würde.

          Allerdings nimmt er m.E.doch eine ziemlich hegemoniale denn marginale Stellung auch und gerade in Psychologie und Sozialwissenschaften ein so dass eine Rehabilitation aufgrund der schon vorhandenen Dominanz hat nicht möglich ist

          Aber wenn du mit Rehabilitation des Positivismus eine Förderung des Realismus meinst, bin ich übrigens voll bei dir.

          Gleichwohl meine ich aber auch, dass andererseits die Rehabilitierung von Methodenvielfalt (kooperativ, ganz ohne Dagegen-sein!) auch gesellschaftlich schon viel Druck aus dem Kessel nehmen würde.

          Ich finde man sollte den Begriff der Ganzheitlichkeit von der esoterischen Vereinnahmung befreien und ihn in einem seriösen akademisch-geisteswissenschaftl. Rahmen rehabilitieren.

          Die Nachfrage an ganzheitlichen oder mir aus auch multiperpektivischen Sichtweisen ist und bleibt einfach vorhanden - ob man will oder nicht

          • @Oliver Tiegel:

            Ein Beispiel für seriöse akademische Ganzheitlichkeit:

            Systemische Therapien



            ------



            Dagegen die esoterische Variante:

            Familienstellen

            Meine "Medizin" lautet daher: dass man - allerdings ohne destruktives Getöse (Danke für deinen Gedankengang) - nach ganzheitlicheren Zugängen suchende Menschen wieder akademische Angebote unterbreitet, damit die Querdenker-Teiche ihre "Daseinsberechtigung" verlieren und trocken gelegt werden.

      • @Oliver Tiegel:

        Wie können in einer 10-30 stündigen Fokaltherapie Ursachen und Hintergründe herausgearbeitet werden, wenn es Ihrer Meinung nach doch lange Zeit brauche?

        • @Terraformer:

          Wenn es funktioniert freue ich mich für die Person.



          Ich will auch nicht, dass jetzt jeder in seinen Tiefen und Untiefen seiner Psyche wühlen muss - das wäre ja auch eine verordnete Zwangsbeglückung gegen die ich mich wende.

          Aber Fokal bedeutet eben auch eine thematische Eingrenzung... Was auch vollkommen OK ist.

          Manchmal ist das Störungsspektrum aber so umfangreich, dass man länger braucht und auch die gegenseitige Bedingtheit der Störungen herauszustellen.

          Es kommt immer auf den Einzelfall an.



          Aber diese indivduelle Ebene hat sie letzten Jahre - nicht nur in der Psychotherapie - leider stark gelitten.

          Auch aus Rationalisierungsgründen.

  • Ich bin Psychologe und kann nur jedem raten, einen großen Bogen um diese seltsame, unwissenschaftliche Weltanschaung zu machen.

    Tipp: Fragen Sie mal einen Psychoanalytiker, wie er zu seinen "Erkenntnissen" gekommen ist.

    • @drafi:

      Na, wenn Sie Psychologe sind werden sie von Psychoanalyse vermutlich keine Ahnung haben (s. Artikel). Im Studium wird es Ihnen zumindest nicht begegnet sein. Daher die Frage: Was denke Sie denn wie ein Psychoanalytiker zu seinen "Erkenntnissen" kommt? Vielleicht lässt sich da ein Missverständnis aufklären.

      • @Küstensand:

        Das Studium der Psychologie unterscheidet sich stark von Uni zu Uni. Aber in der Regel gibt es Einführungsveranstaltungen, die auch einen historischen Abriss machen und sehr wohl Psychoanalyse thematisieren. Und wer Kurse zum Thema Psychotherapieforschung besucht, beschäftigt sich ebenfalls mit der Psychoanalyse.

        Kleine Randnotiz: Schauen Sie mal, welche Gesellschaft dieses Wochenende ihre Jahrestagung hat ;-)

  • In der Psychoanalyse wird interpretiert. Das bedeutet, dass die Interpretation keinesfalls eine Wahrheit enthalten muss. Deshalb habe ich die Vermutung, dass eine Interpretation mehr über die interpretierende Person und das geschlossene System der Psychoanalyse aussagt, als über die interpretierten Personen. Btw, Handlungen von anderen zu interpretieren, finde ich diesen gegenüber elitär und entmündigend.

    • @resto:

      Das psychoanalytische Vorgehen ist in der Praxis etwas anders. Interessierte mögen es googlen.



      Interpretation ist zudem nicht ein Privileg der Psychoanalyse ;-)

    • @resto:

      Wie kommen Sie zu diesen Schlüssen? Woher diese Antipathie?

  • Wenn ich des richtig verstanden habe, sind Psycholog*innen heute dann mehrheitlich auf dem Trip: "Stell Dich ned so an, ich geb Dir paar Psychotricks, wie Du weiterhin durchs Leben kommst und Deine Zweifel vergräbst, ansonsten besorg Dir ne Überweisung zur*m Psychater*in, der verschreibt hübsche Pillen und und Du springst mal mit nem Gummiseil von ner Brücke, so als Grenzerfahrung blablablablubb".



    Weiß ned, ich will nu ned soo genau von Studierten wissen, warum ich wie ticke, aber das des seinen Sinn hat, des bei "kaputteren" Charakteren ("richtige" Tramata wasweißichspeielungernKüchentischpsychologe) zu (er)klären und daß des ned mal eben zwischen Tür und Angel abgeplaudert ist, ist sogar mir öfters ma empathischen Holzklotz verständlich...

  • Eigenartig, dass die mir schon aus Gründen der Methodenvielfalt berechtigt erscheinende Forderung nach Erhalt eines Psychoanalyse-Lehrstuhls ausgerechtnet mit dessen affirmierenden Nützlichkeit begründet wird. Darauf muss man erst einmal kommen!

    • @Gottfried Scherer:

      😉

  • Ach was! “Da sprach er kurz&grob.



    Ick nehm‘n dicken Stein un hauen vorn Kopp.“ Bitte - Aber Vernunft geht anders

    kurz - “Wer heilt hat recht“ •



    &



    Wenn ich als eigentlich Gestalt-Flaneur -schmunzelnd das Fotto sehe: Ja - so ähnlich sah das Teil aus. Auf dem ich an die zwei Jahre wöchentlich einmal lag.



    Und der Adlerianer ab&an vor Wut an die Decke ging. Er mich aber - nach nem guten systemischen Ansatz - erfolgreich durch die Anverwandlung meiner schwer depressiven Seite lavierte & mich vom Handanmichlegen abbrachte. Chapeau & Dank - auch im Nachhinein!

    unterm—— btw —



    Daß später nach stroke - eine klassisch psychiatrische Dame nochmals nachbessern mußte - ist eine andere Geschichte & kein Widerspruch.



    &



    Allen in ihren verschiedenen Ansätzen -💐 -

    So geht das

  • Der Artikel macht traurig, bestätigt aber nur den aggressiven neo-positivistischen Zeitgeist.



    Danke liebe taz für die Ausführlichkeit des Artikels und die Hintergründe.



    Die kritischen Argumente sollten viel öfters auch in anderen Artikeln vorkommen - gerade weil kritische Theorie und psychoanalytische Gesellschaftsbetrachtungen irgendwie auch zur DNA der taz gehört.



    Es braucht eigentlich einen Positivismus-Streit 2.0



    Auch gerade um dem fehlgeleiteten Anti-Szientismus der Querdenker das Wasser abzugraben und einen Methodenpluralismus zu rehabilitieren.

    • @Oliver Tiegel:

      "Es braucht eigentlich einen Positivismus-Streit 2.0"



      Innerhalb der Wissenschaft ist das meinem Eindruck nach eigentlich abschließend geklärt, selbst in Disziplinen für die die positivistische Perspektive besonders naheliegend scheint, wie etwa den MINT-Fachbereichen. Nur bedeutet das eben wie so oft leider nicht, dass sich dieser Stand auch im öffentlichen Diskurs wiederfindet.



      Das wesentliche Problem der Querschwurbler ist mitnichten eine Aversion gegen Methodenpluralismus, sie berufen sich doch ständig auf 'alternative Fakten' und vorgeblich marginalisierte Experten, sondern die Befähigung valide Ergebnisse von bloßen Behauptungen unterscheiden zu können.

      • @Ingo Bernable:

        Es kann sein, dass ich mich missverständlich ausgedrückt habe.



        Die Aversion gegen Methodenpluralismus sehe ich nicht bei den Querschwurblern, sondern wie im Artikel beschrieben an den Uni oder auch hier bei den Foristen.

        Und da von der Angebotsseite her durch anti-pluralistische Tendenzen alles immer mehr auf die kognitiv-behavioralen Therapien verengt wurde und wird entstand und entsteht auf der Seite der seriösen qualitativ-verstehenden Psychotherapie/Psychologie ein Vakuum.

        Und da es aber weiterhin grossen Bedarf auch nach dieser tieferen, verstehenden mehr in Sinnzusammenhängen denkenden Psychologie gibt - und auch immer geben wird-, wandern nicht wenige Menschen durch die immer weniger vorzufindenen seriösen Anbieter (wie früher bei den humanistischen Therapien)



        zu obskuren Gurus ab, die therapeutische Binsen geschickt mit Verschwörungserzählungen vermengen.



        Der "Methodenpluralismus" der Querdenker ist natürlich keiner, sondern gaga - selbst wenn sie -leider- mit solchen Begriffen für sich werben wollen.



        Was politisch, (zwischen)menschlich und gesellschaftlich katastrophal ist.

        • @Oliver Tiegel:

          Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung:

          der boomende Markt für esoterisches "Famillienstellen" (mit oder ohne echte oder nur geheuchelte Abgrenzung von Hellinger).

          Hätte man die seriösen systemischen Psychotherapieformen in die Regelversorgung frühzeitig miteinbezogen, wäre diese scheiss Entwicklung nicht so passiert.

          Man hat aber auf die Bedürfnisse mancher Endverbraucher mit einem vielleicht sogar gut gemeinten Zwangsbeglückungsgedanken arrogant geschissen und ein Vakuum geschaffen, in welchem sich dann die Esos breit gemacht haben.

          Das was die Neo-Positivisten doch so sehr loswerden wollten, haben sie ironischerweise erst recht gezüchtet.

          Applaus, Applaus, Applaus.

  • Ich las neulich noch in einen Mitscherlich rein. Eine Grundthese grob paraphrasiert: dass die Verhaltenstherapie psychologisch gesehen ein Rückschritt sei, weil nur noch am Symptom, nicht mehr an der Ursache rumgedoktert werde. Da war Freud trotz aller Schwächen schon weiter.

    Resonierte bei mir als Therapieerfahrenem insofern, dass ich verhaltenstherapeutische Spielchen oft gern mitgemacht habe, weil sie vielversprechend klangen und aktionistisch. Nur geholfen haben sie wenig bis nichts.

    Dass eine übermässig von vorgeblicher Vernunft gesteuerte kapitalistische Demokratie, die VT trotzdem für die beste bzw. einzige Wahl hält um die Psyche zu heilen ist mindestens tragisch.

    • @TV:

      Danke für Ihren Kommentar. Ich würde aber sagen nicht trotz der kapitalistischen Demokratie ist die VT in derart exponierter Stellung, sondern deswegen. Perfekt massgeschneidert für die neoliberale Schnell-schnell Gesellschaft. Außerdem geht es in erster Linie darum wieder für den Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Tiefe und Sinnzusammenhänge stören da eher.

  • "Das Ende der psychoanalytischen Ausrichtung würde Studierenden die Möglichkeit nehmen, ein krankenkasslich anerkanntes Therapieverfahren kennenzulernen."



    - Ja, und? Es wird höchste Zeit, dass die Krankenkassen Psychoanalyse nicht mehr finanzieren. Psychoanalyse hat überhaupt keine wissenschaftliche Basis, sondern dient als postmoderne Quasireligion. Nachwievor finanzieren die Krankenkassen jahrelange Pseudotherapien, in denen dann esoterisch "herumgedeutet" wird, die PatientInnen jedoch nicht gesünder werden.



    In der Medizin stellt der Fachbereich der Psychosomatik das letzte Refugium der Psychoanalyse dar. Dieses nebeneinander von wissenschaftlich fundierter Psychologie/Psychiatrie und esoterischer Psychoanalyse/Psychosomatik wäre in den Naturwissenschaften mit einem Nebeneinander von Astronomie ind Astrologie vergleichbar. Im Sinne des Verbraucherschutzes, im Interesse der Versichertengemeinschaft wird es höchste Zeit, Psychoanalyse, also eine Form von Esoterik und Pseudowissenschaft, nicht weiter an Universitäten zu lehren. Gleichzeitig wäre aus Sicht des Verbraucherschutzes die Abschaffung des Facharztes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie zu fordern. Psychisch kranke Menschen haben ebenso wie Pat. in der Somatik ein Recht aus eine wissenschaftliche basierte und evidenzbasierte Diagnostik und Therapie. Leider ist der "Psychotherapiemarkt" für die Pat. - und für die meisten Laien, KassenmitarbeiterInnen eingeschlossen - nicht transparent, so dass immer wieder Pat. in wenig hilfreichen psychoanalytischen Langzeittherapien landen - und das im 21. Jahrhundert. Gruselig. Ein Skandal. Liebe Krankenkassen, wacht endlich mal auf!

    • 2G
      20991 (Profil gelöscht)
      @Ein wenig Vernunft, bitte!:

      Puuh, ob alle verstehen, dass dieser Beitrag ironisch gemeint ist? Es gibt ja doch einige, die tatsächlich davon ausgehen, dass Patienten Kunden sind und dass Krankheit repariert werden muss.

    • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

      Dann schaffen wir mal ab! Und die Menschen, die bisher bei den Fachärzten sind, gehen zum Hausarzt, der sagt ihnen dann "Reißen Sie sich halt zusammen!". Was glauben Sie denn, was die erwähnte Fachärzte für eine Weiterbildung haben? Oft sogar in VT, evidenzbasiert usw. Und die Ausgaben der Kassen für Psychotherapien betragen im Vergleich zu allem anderen einen Bruchteil und es wird am Ende gespart. Alles schon lang untersucht.

    • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

      Was halten Sie von einem wissenschaftlichen Methodenpluralismus und jeder Therapeut ist dazu verpflichtet seine Hauptrichtung im Messingschild anzugeben.



      Dann kann der Verbraucher selbst entscheiden was ihm gut tut. Ist nicht paternalistisch und die Leute ziehen sich zur Lebenshilfe nicht mehr solch komische youtube-Videos rein.

      • @Oliver Tiegel:

        Der durchschnittliche Verbraucher ist vollkommen überfordert mit den Therapierichtungen, geschweige denn zu wissen, welche bei seinem Problem die passendste Richtung wäre. Das erkennt man schon daran, dass vielen nicht einmal klar ist, was der Unterschied zwischen Psychologe, Psychiater, Heilpraktiker für Psychotherapie, psychologischer Psychotherapeut und Neurologe ist.

        • @Terraformer:

          Was die babylonische Sprachverwirrung angeht gebe ich Ihnen recht.



          Da muss etwas bereinigt oder zumindest gut erklärt werden.



          Aber nicht was die Methodenvielfalt angeht.

          Nehmen wir mal an, gewisse Ideologen der Einheitstherapie würden sich durchsetzen und auf dem Messingschild stünde nur noch "Master in Psychotherapie".

          Also ich glaube nicht daran, dass es da nicht doch unter der Oberfläche Flügel- und Grabenkämpfe gibt.



          Quasi der Schulenkrieg verdeckt weitergeführt wird und die Therapeuten sich selbstverständlich ihrer Persönlichkeit und Neigungen entsprechend weiterbilden werden.

          Nur kann ich dann als Endverbraucher aber nicht mehr anhand des Messingschildes eine Vorauswahl treffen, da ich nicht mehr sehen kann welch Geistes Kind der Therapeut mutmaßlich ist und müsste die Katze im Sack kaufen.Bis ich da den Richtigen gefunden habe können auch viele viele Lebensjahre verloren gehen.

          Momentan kann ich mich noch informieren und mich anhand des Messingschildes entscheiden.

          Der eine geht zur VT, der andere zur TP. Der nächste macht systemische Therapie. So what? Können wir das nicht ertragen?

          Eine erzwungende Einheitstherapie ohne Transparenz für den Endverbraucher halte ich für keinen erstrebenswerten Zustand.

          Das ist vom Regen in die Traufe.

        • @Terraformer:

          Da gibt es mittlerweile ganz gute und neutral formulierte Broschüren z.B. von der Verbraucherschutzzentrale. Mir sind auch schon Angebote einer neutralen Telefonberatung untergekommen.



          Von einer "der-durchschnittliche Verbraucher-ist-zu-da-zu-doof" halte ich nichts. Das ist jovialer Paternalismus. Ich traue den Menschen da genug Kompetenz zu.



          Und wie gesagt, man kann auch in leichter einfacher Sprache vieles verständlich ausdrücken.

      • @Oliver Tiegel:

        Wie soll das praktisch für Verbraucher*innen aussehen? Zu einem*einer Psychoanalytiker*in gehen, jahrelang dort eine Therapie machen, mit „unklarem Ausgang“ (Zitat Artikel), dann feststellen, war wohl nix, und dann auf zu einer von den Psychotherapeut*innen, die Methoden anwenden, die laut empirischen Befunden der Psychotherapieforschung zu Erfolgen führen? Und das soll alles ohne Geldverschwendung und Vertrauensverlust in die Branche ablaufen?

        • @ructus:

          Ok.



          Lassen wir die klassische Psychoanalyse mal ein bisschen bei Seite, die wird eh nur noch im Promillebereich angeboten.

          Wenn man sich jetzt neuere psychodynamischen Therapiemethoden anschaut wurden empirisch schon signifikante Effektstärken gemessen.

          Zudem kann man den Endverbraucher auch schon informieren inwiefern sich die unterschieldichen Schulen unterscheiden und was die Stärken und Schwächen sein könnten.



          Das kann man auch in einfacher leicht zugänglichen Sprache erreichen.

          Ich finde, soviel Kompetenz muss man dem Endverbraucher schon zutrauen.

        • @ructus:

          Thanx, Sie bringen es auf den Punkt. Pat. vertrauen zunächst einmal den Fachleuten ... wenn das Psychoanalyse auf dem Messingschild steht, kriegen sie ggf. das Gefühl, jetzt wird besonders gründlich "aufgearbeitet" ... nach 1-2 Jahren stellen sie dann fest, hoppla, an den Angst- oder Zwangssympomen hat sich NICHTS geändert ... Genau jetzt wird es (auch psychologisch) interessant: Der Taschenspielertrick der Psychoanalyse (und Tiefenpsychologie) besteht dann darin, entweder "Widerstände" auszumachen, warum die TH noch nicht wirken konnte, oder "frühe Störungsanteile" aus dem Hut zu zaubern ... und mit dem/der Pat. festzustellen, dass man doch immerhin schon ein paar "Konflikte" habe heruasarbeiten können ... der/die Pat. wird - nunmehr gefangen in seiner Abhängigkeit - zu dem Schluss kommen, er muss nur noch mehr Zeit und Energie investieren, der ausbleibende TH-Erfolg ist sein/ihr Versagen und nicht der (wirkungslosen) Therapie anzulasten ... und wer erstmal 100-200 Stunden (ich bin schon auf Pat. gestoßen, die > 500 Std. am heißen Brei vorbeigeredet haben) investiert hat, der wird nicht mehr (ohne depressiv zu werden) sagen können, diese TH war "für die Katz" ... UND: Es gibt keine Anlaufstelle, an die sich Pat. aufgrund schlechter / wirkungsloser Therapien wenden können. Psychoanalyse ist von daher mehr als nur Geldverschwendung: Es geht auch Lebenszeit etc. verloren ... u.U. gehen Beziehungen im Umfeld zu Bruch ... Sollten Krankenkassenmitarbeiter diesen Beitrag lesen: Bitte schaffen Sie endlich eine Art Beschwerdestelle für alle Ihre Versicherten, die den Eindruck gewinnen, die ihnen angebotene Psychotherapie geht an ihren Bedürfnissen und Therapiezielen (!) vorbei.

          • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

            Also, ich möchte gewisse strukturelle Probleme, die die psychodynamischen Richtungen so haben können und die Sie beschreiben nicht wegwischen.

            Aber erstens gibt es nicht nur die klassische orthodoxe Psychoanalyse, sondern auch Neo-Psychoanalyse sowie neuere tiefenpsychologische Richtungen die sich vieler Probleme durchaus angenommen haben.

            Und zweitens sind mir persönlich auch umgekehrte Fälle - nicht wenige - bekannt, wo Leute sich eben gerade über die Lebenszeit ausgelassen haben, die sie ihrer Meinung nach durch das oberflächliche an Symptomen rumdoktern der VT plus verloren haben und sich über Erfolge der Tiefenpsychologie freuten, weil man endlich mal das Problem an der Wurzel packte und sich Knoten lösten.

            Ihre Forderung nach einer Beschwerdestelle teile ich mit Ihnen auf jeden Fall. Allerdings wäre ich dabei gegen einen starren Indikations-Katalog, der einer Störung immer eindeutig eine gewisse Methode zuweist. Empfehlungen, OK. Aber im individuellen Einzelfall sieht es oft ganz anders aus.

    • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

      Genau wegen fundamentalistisch-positivistischen Positionen wie den ihrigen, die dafür gesorgt haben, dass es neben der kognitiven VT so gut wie gar nichts mehr gibt, genau deswegen boomt der Coaching, Esoterikmarkt und Heilpraktikermarkt. Mikrowellen-Psychologie mit den entsprechenden politischen und gesellschaftlichen Folgen. Herzlichen Glückwunsch!

      • @Oliver Tiegel:

        Mit welchen Recht erhebt sich die Psychoanalyse über "Mikrowellen-Psychologie" und gegenüber dem "Esoterik- und Heilpraktikermarkt"? Wo ist bitte die empirische Absicherung psychoanalytischer Theorie bzw. Theoreme? Und von welcher Psychoanalyse sprechen Sie überhaupt? Es gibt bekanntlich Dutzende Theorien, die sich z.T. fundamental widersprechen ... geschichtlich im Zwist miteinander liegen ... Und sobald konkrete "Erfolgsergebnisse" ( der "Therapien") auf den Tisch sollen, reden sich die PsychoanalytikerInnen raus mit den hier im Forum bereits angerissenen küchenpsychologischen Pseudo-Argumenten, man gehe in der Psa. halt an "die Ursache", an die "tiefer liegenden" Koflikte, betreibe keine oberflächliche "Symptomreduktion" blablabla .... alles im Grunde peinliche Ausreden: Bsp.: Der Pat. mit einer ausgeprägten Zwangsstörung wünscht als Therapieziel die Reduktion der Zwangssymptome. Punkt. Dieser Pat. wünscht - zumindest in dieser Situation - weder die Aufhebung des Kapitalismus noch einen Methodenpluralismus um seiner selbst willen.



        Liebe Krankenkassen, stoppen Sie diese Verschwendung von Geldern der Krankenversicherung. Eine Therapie, die nach 10-20 Stunden keinen deutlichen Effekt auf Symptomebene zeigt, ist es nicht wert, weiter finanziert zu werden.



        Und: Schaffen Sie - im Interesse des Verbraucherschutzes - eine Stelle, wo sich all jene beschweren können, die letztlich mit ihren Therapiezielen und Veränderungswünschen von der Arroganz und ideologischen Borniertheit einer psychoanalytischen community im Stich gelassen werden. Erfeulicherweise stimmen die MedizinerInnen in den letzten Jahren mit den Füßen ab: Den psychoanalyt. Ausbildungsinstituten (nicht-demokratische Inseln der Produktion von Abhängigkeits- und Loyalitätsverhältnissen) gehen in den letzten Jahren die WeiterbildungskandidatInnen aus ... bald wird die Psychoanalyse nur noch ein (wenig ruhmreiches) Kapitel der Geschichte der Psychologie/Psychotherapie sein. Amen.

        • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

          Und dann immer dieses Mantra von der angeblich wissenschaftlich belegten Wirksamkeit der Verhaltenstherapien: ich habe im Psychologiestudium selbst oft als Versuchsperson an psychologischen Studien teilgenommen und auch später selbst durchgeführt. Die ganze Psychologie ist gar keine Wissenschaft im naturwissenschaftlichen Sinne. Genauso wie Soziologie, Geschichtswissenschaft oder Wirtschaftswissenschaften. Man fragt Teilnehmer und sie antworten irgendwas. Ob das stimmt oder verzerrt ist, weiß kein Mensch.

        • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

          Mit welchen Recht erhebt sich die Psychoanalyse über "Mikrowellen-Psychologie" und gegenüber dem "Esoterik- und Heilpraktikermarkt.

          Von Ihrem wissenschaftstheoretischen Standpunkt aus ist wahrscheinlich eh alles was nicht in die MINT-Methodik eingenordet werden kann esoterisch.

          So wie für die US-Republikaner schon die kleinste sozialdemokratische Regulierung natürlich sofort "socialism" ist.

          Was der Unterschied zwischen Esoterik und Psychoanalyse ist? Nun, z.B. darin, dass sich die Psychoanalyse durchaus in der Tradition der Aufklärung sieht.

          Religiösen Themen wurden und werden z.B. in aller Regel sehr deutlich und mit Nachdruck der metaphysische Wahrheitsgehalt abgesprochen und auf die Ebene des psychischen Apparates rationalisiert.

          In der Esoterik dagagen wimmelt es nur so von metaphysischen Aussagen und Postulaten.

          Sie wollen doch nicht ernsthaft seriöse psychodynamische Arbeit mit esoterischem Coaching vergleichen?

          Eine Richtung die da heraussticht ist da selbstverständlich die Analytische Psychologie von Carl Gustav-Jung.

          Der spielte in den letzten Dekaden in der psychodynamischen Versorgung aber keine nennenswerte Rolle mehr.

          Aber bei den Verschwörungsmystikern um so mehr. Nicht verwunderlich. Man hat in der Versorgung ein Vakuum geschaffen und die Leute bastelnd sich dann alles mögliche zurecht.

          Hätte man verhindern können, diese gefährliche irrationalistische Revolution. Aber nein, die reine Lehre der Chefideologen ist wichtiger

        • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

          "Bsp.: Der Pat. mit einer ausgeprägten Zwangsstörung wünscht als Therapieziel die Reduktion der Zwangssymptome. Punkt"

          Alles klar. Da wollen Sie sich für das Recht des Patienten einsetzten. Habe ich nichts gegen. Der Patient soll auch das Ziel formulieren.

          Was aber wenn der Patient sagt, mir reicht die kogn-.-behaviorale Vorgehensweise einfach nicht.



          Wenn er sagt Kausalzusammenhänge in allen Ehren, aber irgendwie kommen wir nicht zum Kern. Die Probleme lassen sich zwar manchmal oberflächlich wegdrücken aber sie gehen nicht wirklich weg. Ich will mehr Tiefe, mehr verstehendes, mehr Sinnzusammenhänge erfassen.



          Was wenn der Patient dann den tiefenpsychologischen Weg einschlagen will?

          Würden Sie es schaffen dem Patienten da seine Autonomie zu lassen und zähneknirschend Ihre starken ideologischen Vorbehalte hintenanzustellen und Patientenrechten Platz einräumen?

          Oder würden Sie ihm jovial-paternalistisch erklären, dass seine Wünsche im Sinne des betreuten Denkens "falsch" sind?

        • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

          Ihre Beiträge offenbaren mehr Ressentiment als Kritik. Natürlich ist die Psychoanalyse empirisch abgesichert! Unfassbar, wie diese falsche Behauptung immer wieder aufgestellt wird. ( internationalpsych...by-burton-seitler/ ) Es gibt zahlreiche Publikationen zur wissenschaftstheoretischen Verortung der Psychoanalyse, nix mit Esoterik (z.B. Psychoanalyse im 21. Jahrhundert: polymorphe Wissenschaft mit Vorbildqualität, Greiner, 2007; die Werke von Lorenzer, 1971, 1972, 1974; bei Freud selbst finden Sie das schon). Dass sich Theorien widersprechen und es verschiedene Strömungen innerhalb des psychoanalytischen Denkens gibt, wie sie herausstellen, ist doch gerade dezidierter Ausdruck von wissenschaftlichkeit! Ihr Vergleich mit der Astrologie/Astronomie offenbart ein grundsätzliches Missverständnis: Der Untersuchungsgegenstand in der Psychologie ist subjektseitig definiert und nicht objektseitig. Daraus folgen notwendigerweise Debatten über Erkenntnistheorie, methodischem Zugang usw. Es sei denn Sie machen es sich einfach und stutzen ihren Gegenstand nach methodischem Ermessen zurecht. Dann gehört all das nicht zur Psychologie was man nicht messen kann. Das dabei notwendigerweise etwas im Subjekt auf der Strecke bleibt liegt auf der Hand. Was eine unabhängige Beschwerdestelle angeht: Das ist natürlich, wie in jeder gesellschaftlichen Institution, ausdrücklich zu begrüßen. Nur gibt es dafür doch entsprechende Stellen bei den Kammern?

        • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

          Sie werden es vermutlich mit ihrer Auffassung von Wissenschaft nicht akzeptieren und daher werden wir hier nicht weiterkommen.

          Egal:



          Die Psychoanalyse oder auch die psychodynamischen Schulen an sich stellen eine Form sui generis dar.

          Es gibt Dinge die kann man eben nicht empirisch im Labor nachweisen wie das bei einer konditionierten Ratte geht (was jetzt nicht die kogn.-behavioralen Richtungen abwerten soll)



          Viele Dinge sind auch aufgrund der individuellen Biographie einfach nicht oder kaum reproduzierbar und operationalisierbar.

          Sind Erkenntnisse der Geschichtswissenschaften im Labor reproduzierbar? (psychodynamischen Therapien weisen eine Ähnlichkeit dazumauf)

          Nichtsdestoweniger wurden aber trotzdem übrigens auch bei psychodynamischen Therapierichtungen von ihrem Output her signifikante positive Effekte gemessen. Empirisch!

          Na, und wenn Mediziner mit den Füßen abstimmen, dann ist doch für Sie alles in Ordnung, oder?



          Aber nein, das reicht nicht man will mit ideologischem Schaum vorm Mund alles mit Stumpf und Stiel ausradieren.

          Patienten werden auch nicht wirklich gefragt, man weiß ja von vorneherein was gut für sie ist. Geht es wirklich um Patienten- und Verbraucherschutz oder geht es um die Durchsetzung von Ideologie?

          Kann man da nicht noch eine Nische lassen?

          Und was die 10-20 Stunden angeht bis sich ein Effekt zeigt...



          Das hängt doch immer vom Einzelfall ab. Sie können doch nicht jede Störung in ein Standartförmchen pressen.



          Manche Menschen brauchen erst einmal 15-20 Stunden um einigermaßen Vertrauen aufzubauen, bis das Eis gebrochen ist. Und Vertrauen braucht es auch bei der VT.

          Und was wenn dann nichts passierte? Arschkarte? Gilt dann die Person als austherapiert oder wird dann schnell biologisiert, so dass fortan Tabletten dran sind? Ab aufs Abstellgleis?

          Ich finde es mehr als gruselig, wenn da eine Kommission Politbüro-mässig festlegen soll ab wann was zu funktionieren hat.



          Auf Qualitätssicherung soll und kann man trotzdem achten.

    • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

      "wäre in den Naturwissenschaften mit einem Nebeneinander von Astronomie ind Astrologie vergleichbar"



      Deshalb sollte man am Besten auch die Astronomie gleich mitabschaffen. Da werden Irrsinnssummen an Steuermittel in Teleskope und Raumfahrtprogramme gesteckt weil sich die Menschen die großen Fragen nach der Natur des Universums stellen. Antworten auf diese Fragen liefert die Astrologie aber wesentlich kosteneffizienter. Warum also teure Rakten zum Mars schicken um da nach Wasser zu bohren, wenn sich die Antwort doch aus einer Hühnerleber viel billiger orakeln lässt?

    • @Ein wenig Vernunft, bitte!:

      So kann man das sehen.

      Jedenfalls gibt es meines Erachtens nach wissenschaftlich nachvollziehbare Gründe, wieso Psychoanalyse in der empirischen Wissenschaft Psychologie höchstens unter "geschichtliche Entwicklung" thematisiert werden sollte.

      Gesellschaftliche Fragen sind jetzt auch nicht das Kerngebiet der Psychologie, weshalb der "Verlust" des mutmaßlichen Nutzens der Psychoanalyse verkraftbar erscheint.

      • @Terraformer:

        Die Psychoanalyse war von Anfang an als Wissenschaft sui generis aufgrund ihrer Methoden schon immer mehr oder weniger getrennt von der empirischen und experimentell arbeitenden Psychologie.



        So what? Warum kein nebeneinander und manchmal miteinander?



        Nun, manchmal gab es auch sich gegenseitig befruchtendes Crossover von Leuten die sich nicht von einer Seite vereinahmen lassen wollten.

        Und das psychologische und gesellschaftliche Fragestellungen durchaus in sehr produktiver Weise miteinander kombinierbar sind, dass hat doch gerade der Standort Frankfurt mit seiner Historie und dem Institut für Sozialforschung eindrücklich bewiesen.

        Eine Psychologie, der gesellschaftliche Fragen so gut wie gar nicht mehr wichtig ist stabilisiert dann natürlich auch die neoliberale Verwertungslogik.

        Gut, gibt welche die wollen das so.

      • @Terraformer:

        Die "empirische Wissenschaft Psychologie" reduziert den Menschen auf Datensätze, ist insofern natürlich hochkompatibel mit einem neoliberal-positivistischen Menschenbild. Dass zu jeder Forschung, die Menschliches betrifft qualitative Ansätze unverzichtbar sind verdrängen Uni-Technokraten immer noch und wieder gerne.

        • @hessebub:

          Danke. Auf den Punkt gebracht.



          Wenn die Uni-Technokraten es nur verdrängen würden, wäre es ja noch erträglich. Nicht wenige wollen diese Ansätze aber mit missionarischem Eifer ausradieren.



          Wird Zeit, dass die Linke sich von dieser neoliberal-technokratischen Verblendung wieder löst.

  • Toller Beitrag, danke!