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Lebenslange Haftstrafe in SchwedenRichtiges Urteil, fatale Folgen

Kommentar von Daniela Sepehri

Ein Iraner ist in Schweden wegen seiner Beteiligung an Massenhinrichtungen verurteilt worden. In Iran droht drei EU-Bürgern die Todesstrafe.

Jubel in Stockholm nach dem Urteil über Hamid Nouri am 19. Dezember Foto: Stefan Jerrevång/imago

D ie lebenslange Haftstrafe gegen Hamid Nouri wurde im schwedischen Berufungsgericht bestätigt. Der Iraner wurde wegen seiner Beteiligung an den Massenhinrichtungen der 1980er Jahre im November 2019 bei seiner Anreise in Stockholm festgenommen und im Mai 2022 zu lebenslanger Haft verurteilt.

Amnesty International bezeichnet die Massenhinrichtungen als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Damals wurden abertausende politische Gefangene außergerichtlich in Teheran hingerichtet. Bis heute ist die genaue Zahl unklar. Einer, der damals als stellvertretender Generalstaatsanwalt von Teheran an diesen Verbrechen beteiligt war, ist Ebrahim Raisi, der heutige Präsident der Islamischen Republik.

Während die Mörder in Iran befördert werden, rufen die Angehörigen seit jeher nach Gerechtigkeit. Dass das Urteil Nouris bestätigt worden ist, ist ein erster wichtiger Schritt Richtung Gerechtigkeit. Gleichzeitig könnte dieser Schritt für zwei Personen fatal sein: Ahmadreza Djalali und Johan Floderus.

Die beiden schwedischen Staatsbürger sind in Iran als Geiseln inhaftiert. Der Arzt Djalali wurde 2016 festgenommen und zum Tode verurteilt. Das Regime in Iran hat über die Jahre immer wieder deutlich gemacht, dass Djalalis Schicksal mit dem Ergebnis von Nouris Verfahren zusammenhängt. Nun droht auch einem zweiten schwedischen Staatsbürger ein Todesurteil: Floderus ist Beamter der Europäischen Union. Am Wochenende, an dem der Friedensnobelpreis vergeben wurde, startete auch sein Scheinprozess in Iran. Angeklagt wird er unter anderem mit „Korruption auf Erden“, worauf die Todesstrafe steht.

Schwedische Staatsbürger in Lebensgefahr

Schweden hat nun zwei Staatsbürger in iranischer Geiselhaft, denen die Hinrichtung bevorsteht. Auch der deutsche Staatsbürger Jamshid Sharmahd sitzt in der Todeszelle. Anfang des Jahres wurde mit Habib Chaab bereits ein schwedischer Staatsbürger hingerichtet. Die Europäische Union muss spätestens jetzt eine gemeinsame Strategie zur Bekämpfung der Geiselpolitik der Islamischen Republik entwickeln, andernfalls könnten Djalali, Floderus und Sharmahd die nächsten Morde sein.

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15 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Für eine gemeinsame Außenpolitik muss man erst Zuhause für Ordnung sorgen. Sprich, entweder geht man endlich den Schritt der politischen Einigung der Willigen, oder jegliche EU Außenpolitik bleibt ein Flickenteppich. Siehe auch Ungarn und die Ukraine.

    • @Okti:

      Ich würde ja sagen, man ist heute von einer politischen Einigung weiter entfernt als vor 10 Jahren.

      Was denken Sie?

      • @rero:

        Leider.

        Es ist halt einfach nur makaber, dass die Notwendigkeit einer politischen Einigung heute viel wichtiger wäre als damals zu der Zeit als Fischer von einer europäischen Verfassung sprach z.b.

        Mittel- bis langfristig kann man vermuten, dass das Projekt EU scheitern wird, wenn es keine weitere politische Annäherung gibt.

  • Eine gemeinsame Politik der EU wird es in den Bereichen Außenpolitik und Sicherheitspolitik NIE geben, und selbst wenn, dann wäre es trotzdem heuchlerisch angesichts der fehlenden Verurteilung vieler Länder wenns um Verbrechen von befreundeten Staaten geht

    • @Karim Abidi:

      ...oder wenn es um mögliche Mindergeschäfte der Wirtschaft geht. Nicht zuletzt ist es deren Lobby , die ein standhaftes und ehrliches Auftreten der Politiker*innen verhindert.

      • @Perkele:

        Jap, das kommt noch hinzu

  • So absurd es für manch einem klingen mag, spätestens ab dem Zeitpunkt der Hinrichtung von Geiseln, gibt es keine Verhandlungsgrundlage mehr.



    Tatsächlich müssten sofort die Diplomaten des Iran aus den gesamten EU-Ländern einbestellt und einstimmig auf die Menschenrechte gepocht werden. Ansonsten außer Landes verwiesen werden. Schließlich läd man sich auf politischer Ebene, nur vertrauenswürdige Gäste in die EU ein.



    Es hätte sonst die Folgen, bei denen Trittbrettfahrer-Regieme gerne mitmachen würden.

    Die geforderten Sanktionen, wären dann ein nächster Schritt. Das ist zwar ein vermeintlicher "Ass" im Ärmel, aber nur wirkungsvoll, wenn alle verbündeten Staaten auch einheitlich dahinterstehen. Nicht so, was Österreich und Ungarn gerade auf dem europäischen Parkett abliefern. Das ist dann der zahnlose Tiger, der nicht nur Österreich und Ungarn auf lange Sicht schaden, sondern der gesamten EU.

    Das Signal sollte dementsprechend klar sein, dass man sich nicht erpressen lässt und das Vorhaben dieser Handlungen, internationale Verstrickungen mit sich bringen können.

  • "Geiselpolitik" - was für ein Unwort.

    Es ist immer wieder dieselbe miese Methode, egal welches Verbrecherregime: Iran, Türkei, Hamas, Russland - egal, ob im Namen der Religion oder der Ideologie.

    • @Winnetaz:

      Israel, USA, Frankreich. So gut wie alle Staaten bedienen sich dieser Taktik

      • @Karim Abidi:

        wieder so ein krampfhafter Versuch die Methoden des Iran, der Türkei, Hamas oder Russland zu relativieren. Wer hat Israelis als Geiseln genommen und fürchterlich behandelt und/oder ermordet. Israel, USA und Frankreich auf dieselbe Stufe stellen zu wollen, ist kläglich gescheitert.

      • @Karim Abidi:

        Israel, die USA und Frankreich haben keine unabhängige Justiz?

        Man lernt doch täglich dazu.

  • Da wird auch von Seiten Deutschlands wieder nichts passieren, da macht man lieber weiter Geschäfte.



    Warum wird nicht mal laut darüber nachgedacht, die iranischen Anteile an Mercedes zu beschlagnahmen und den Handel wirklich mit Sanktionen einzuschränken.



    Geschäftsleute die für das Regime arbeiten bekommen weiterhin problemlos sofort Visa, während andere Monate auf einen Termin warten.

    • @Axel Schäfer:

      ...👍....danke für Ihren Kommentar - hatte gerade auch diese Gedanken

  • "Die Europäische Union muss spätestens jetzt eine gemeinsame Strategie zur Bekämpfung der Geiselpolitik der Islamischen Republik entwickeln, andernfalls könnten Djalali, Floderus und Sharmahd die nächsten Morde sein."



    Hundert Prozent Übereinstimmung, aber jetzt ganz konkret: Wie geht's los?



    'Probleme adressieren' ist wichtig, aber 'Probleme lösen' ist richtig.



    Im Übrigen habe ich wiederholt angemerkt: "Hinrichtung" ist ein Euphemismus in der Akzeptanz von Gewaltherrschaft, ich sehe hier nur Missachtung von Recht. Das ist somit Mord mit staatlicher Intention, also Terror und justiziabel in Deutschland."



    taz.de/Kommentar-Todesstrafe/!5451146/



    /



    taz.de/Urteil-im-K...rprozess/!5828205/

  • Die Appeasement-Politik funktioniert nicht mit der Mullakratie. Da hätte man von Anfang an besser auf die Israelis gehört.