Urteil im Koblenzer Folterprozess: Lebenslang für 27-fachen Mord

Im Koblenzer Prozess um Staatsfolter in Syrien ist der Angeklagte Anwar R. zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er selbst plädierte auf unschuldig.

Der Angeklagte (r) wartet im Gerichtssaal des Oberlandesgerichts auf den Beginn der Verhandlung.

Protest von syrischen Frauen mit Fotos ihrer verstorbenen Angehörigen vor der Urteilsverkündung Foto: Martin Meissner/ap

KOBLENZ afp/dpa | Im Koblenzer Prozess um Staatsfolter in Syrien ist der Angeklagte am Donnerstag zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Das Oberlandesgericht in der rheinland-pfälzischen Stadt sprach den 58-jährigen Anwar R. wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, 27-fachen Mordes und weiterer Delikte schuldig. Es war der weltweit erste Prozess um Folter durch den syrischen Staat.

Den Mitangeklagten A. verurteilte das Gericht in Koblenz bereits im Februar 2021 wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu viereinhalb Jahren Haft. Über seine Revision ist noch nicht entschieden worden. Eyad A. hatte nach Überzeugung der Koblenzer Richter 2011 in Syrien dazu beigetragen, 30 Demonstranten ins Foltergefängnis des Hauptangeklagten zu bringen.

Nach Überzeugung der Anklage war R. der militärische Vorgesetzte des berüchtigten Al-Khatib-Gefängnisses in Damaskus. Unter seiner Befehlsgewalt sollen zwischen April 2011 und September 2012 mindestens 4.000 Häftlinge während ihrer Inhaftierung mit Schlägen, Tritten und Elektroschocks gefoltert worden sein. Die Bundesanwaltschaft forderte schon im Dezember lebenslange Haft und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Die Anwälte der Nebenkläger stellten überwiegend keine eigenen Anträge. R.s Verteidigung plädierte auf Freispruch.

Der Angeklagte hat sich als unschuldig bezeichnet. Er habe nicht gefoltert und auch keinen einzigen Befehl dazu erteilt. Im Gegenteil, er habe auch für Freilassungen gefangener Demonstranten des Arabischen Frühlings gesorgt. Insgeheim habe er mit der syrischen Opposition sympathisiert und sie nach der Flucht aus seiner Heimat unterstützt – auch mit der Teilnahme an der zweiten Syrien-Friedenskonferenz 2014 in Genf.

Das Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht erlaubt es, auch hierzulande mögliche Kriegsverbrechen von Ausländern in anderen Staaten zu verfolgen. Anwar R. und der frühere Mitangeklagte Eyad A. waren nach ihrer Flucht in Deutschland von mutmaßlichen Folteropfern erkannt und 2019 in Berlin und Zweibrücken festgenommen worden.

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