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Kritik an Sawsan ChebliBengel, wer sich nicht entschuldigt

Ein „Welt“-Autor bezeichnet die SPD-Politikerin Sawsan Chebli als „Göre“. Die Zeitung selbst entschuldigt sich, er bleibt dabei.

Ist an Kontroversen in den sozialen Netzwerken gewöhnt: SPD-Politikerin Sawsan Chebli Foto: dpa

„Sorry seems to be the hardest word“, singt Elton John 1976 und beschreibt damit treffend ein Dilemma, in dem sich „Welt“-Redakteur Alan Posener wohl gerade befindet. Dieser fordert seinerseits eine Entschuldigung von SPD-Politikerin Sawsan Chebli. Dabei scheint, um Entschuldigung bitten, auch nicht zu seinen Stärken zu zählen.

In einem Kommentar kritisierte Posener Äußerungen der Berliner Staatssekretärin zum Gedenken an den Mauerfall. Chebli hatte auf Twitter gefordert, anlässlich der Erinnerung an die Opfer der innerdeutschen Grenze nicht die Opfer der heutigen Grenzpolitik zu vergessen. Damit relativiere sie die Unmenschlichkeit des Kommunismus, findet Posener.

Chebli sei eine Reizfigur, schreibt Posener zu Beginn seines Kommentars. Und wer sich an Rolex-Gate erinnert, kann nicht abstreiten, dass das Tun und Lassen der SPD-Politikerin dazu taugt, die Gemüter zu erhitzen. Damals war ein Bild Cheblis mit einer Luxus-Uhr am Handgelenk aufgetaucht. Sofort entbrannte eine heftige Diskussion über die Glaubwürdigkeit der SPD, vor allem aber über Chebli selbst. Die entgleiste so sehr, dass Chebli schließlich ihren Facebook-Account deaktivierte.

Leider konnte Posener es jedoch nicht bei Reizfigur belassen. Ehe er zu seiner inhaltlichen Kritik kommt, beschreibt er Chebli noch als „Göre mit arabischen Wurzeln“. Nachdem Chebli auf Twitter auf die unangemessen Bezeichnung aufmerksam machte, änderte die Welt die betreffende Stelle tatsächlich: Aus der Göre wurde eine Sozialdemokratin. In einem Hinweis unter dem Artikel wird auf die Änderung hingewiesen. Und um Entschuldigung gebeten. Ein Schritt, den der Verfasser Posener bis jetzt nicht bereit ist zu gehen.

„Oft abwertend“

Angriff ist ja bekanntlich die beste Verteidigung und so verweist Posener auf einen taz-Artikel, in dem das G-Wort verwendet wird: Es handelt sich um ein Porträt der Kunstfigur Jilet Ayse. Ob Posener den Unterschied zu einer 41-jährigen Politikerin tatsächlich nicht versteht, wir wissen es nicht.

Statt zuzugeben, dass es daneben ist, die Berliner Staatssekretärin als Göre zu bezeichnen, verstrickt sich Posener in Widersprüchen: So habe er Chebli als „Berliner Göre“ bezeichnet, um Rassisten zu ärgern. Schließlich zeichne sich eine Berliner Göre, wenn es nach den Rassisten ginge, durch einen „Arierpass“ aus. Tatsächlich stand im Text nur „Göre mit arabischen Wurzeln“ und nicht „Berliner Göre“, aber sei es drum.

Poseners Behauptung, ihm sei ein antirassistischer Coup gelungen, indem er eine Politikerin mit palästinensischen Wurzeln als Göre bezeichnete, offenbart vor allem seine eigene chauvinistische Haltung. „Wenn Sie die Ehrenbezeichnung ablehnen, verdienen Sie sie nicht“, schreibt er in seinem Tweet.

Laut Wikipedia handele es sich bei einer Göre um eine „aufgeweckte, kesse und abgebrühte junge Frau“, gibt ein anderer Twitter-Nutzer zu bedenken. „Wirklich traurig, dass Sawsan Chebli diese Grundkenntnisse Berliner Kultur nicht hat. Als Staatssekretärin in Berlin sollte eine gewisse Verbundenheit mit der Stadt und ihrer Volkskultur Voraussetzung sein“, schreibt Posener auf Twitter.

Einerseits wollte der „Welt“-Redakteur Rassisten eins auswischen, in dem er Chebli als Göre bezeichnet. Andererseits zeigt er sich empört, dass Chebli wohl die Kenntnisse der Volkskultur abgehen, sonst müsste sie sich schließlich geehrt fühlen. Ein Blick in den Duden würde nicht schaden: Dort steht bei „Göre“ unter Gebrauch „oft abwertend“.

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18 Kommentare

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  • Auch "Reizfigur" ist durchaus nicht aufwertend gemeint. Ob "Göre" eine Beleidigung oder eine zulässige Charakterisierung zu bezeichnen ist, ist abhängig von der Region. Dabei hängt das nicht davon ab, ob damit eine Aufwertung verbunden ist.



    Deshalb hat sowohl die Welt recht damit getan, dies als überregionales Medium zu ändern. Umgekehrt sind aber auch die Einwände des Autors richtig. Eine Charakterisierung muss nicht positiv sein. Sie muss vielmehr treffend und darf nicht beleidigend sein. Daher geht auch die Kritik an Posener ins Leere - es sei denn, man wolle ihm vorschreiben, dass er nur Chebli nur positiv charakterisieren dürfe - aber dann müsste man auch "Reizfigur" streichen bzw. könnte das mit der freien Presse auch sein lassen.

    • @Velofisch:

      "Reizfigur" beschreibt eine Reaktion auf sie, "Göre" ist eine persönliche Herabwürdigung, und im Kontext des Artikels auch nicht anders zu verstehen. Ich bezeichne den Autor ja auch nicht als Schmierfink, wenn ich seine Texte ok finde.

  • Es ist immer wieder erhellend zu sehen, wie gewisse Männer sich selbst ermächtigen, Sprache in ihrem Sinn umzuinterpretieren.



    Da ist der Herr Posener, der den Begriff Göre nicht nur ins Positive wendet, sondern ihn auch noch auf eine 41-jährige Frau anwendet.



    Da war der Herr Maßen, der Hetzjagd nach seinem Gutdünken auslegte.

    Oft genug geht es bei solchen Manövern darum, Frauen zu massregeln, weil sie ja nicht verstehen, worum es geht.

    Wenn es im Deutschen Sprachraum eine allgemein anerkannte Autorität zur Deutung von Worten gibt, ist das der Duden (kein Mann). Mann kann Göre dort nachschlagen.

    Natürlich gibt es einige Rotzlöffel, Frechlinge, Lausejungen und Bengel (Duden, Synonyme zu Göre), die dem Herrn Posener sofort zu Hilfe eilen und seine Respektlosigkeit und unbeholfenen Rechtfertigungsversuche unterstützen.

  • Werden wir denn auch eine Entschuldigung der taz für die häufige Verwendung des Worts "Alman" bekommen, das - und hier zitiere ich Wikipedia - durchaus als Beleidigung aufgefasst werden kann?

    "Je nach Kontext kann das Wort Alman aber auch ein Schimpfwort bzw. Spott gegen einen "Deutschen" oder eine Person, die die Klitsches erfüllt, sein. Im Extremfall kann es sich sogar um eine umgekehrte und unterschwellige Form des Rassismus handeln, die von Menschen mit Migrationshintergrund gegen Menschen mit deutschen Wurzeln verwendet wird."

    Liebe taz, ich fühle mich durch die Verwendung dieses Worts beleidigt und als Opfer habe ich Definitionshoheit darüber, was mich beleidigt und was nicht. Und eure Verwendung von "Alman" beleidigt mich. Bitte entschuldigen!

    • @Dr_Kurt:

      (facepalm)

  • Interessant. Wann fällt eigentlich mal auf, dass die Welt ein rassistisch-sexistisches Springer Herzblatt ist? Der Kommentar ist nur lauwarmer Kaffee...

    • @Reisehank:

      Das frage ich mich auch schon seit langem.

  • Es bleibt dabei:



    notwendig an die viel größere Zahl von Toten der Festungsmauern seit 1990 zu erinnern und



    die DDR nicht als kommunistisch zu bezeichnen.

    • @nzuli sana:

      "die DDR nicht als kommunistisch zu bezeichnen."

      Wäre Ihnen "das Werk von Kommunisten" lieber?

      Die DDR wurde nicht als kommunistisch bezeichnet, sondern ihre Opfer als "Opfer des Kommunismus". Den Begriff würde ich sowohl als eine gesellschaftliche Zielvorstellung als auch als politische Richtungsbezeichnung verstehen, die diese Zielvorstellung umsetzen will. In diesem Sinne sind Opfer der DDR-Diktatur, die ein von vornherein todgeweihter aber dennoch uesprünglich ernstgemeinter Versuch zur Erreichnung des Kommunismus war, auch "Opfer des Kommunismus".

  • Alan ist nicht Posener, sondern heißt nur so. Halber Brite ist er tatsächlich.



    Sowas kann in Brexit-Zeiten heftige innere Krisen auslösen...

  • Vielleicht sollte die sich aus der Politik zurückziehen, wenn sie es nicht erträgt, mit bestimmten Ausdrücken belegt zu werden.



    Ich stelle mich nicht in die Öffentlichkeit und wundere mich dann, dass die Öffentlichkeit reagiert.

    Diese Chebli scheint ein unheimliches Problem damit zu haben, wie sie in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Dass man Probleme mit der Fremdwahrnehmung bekommen kann, ist normal, aber die schafft es, aus einem psychologischen Problem jedesmal ein Problem für die Öffentlichkeit zu machen.

    • @Age Krüger:

      Es ist ein Unterschied, ob man etwas "nicht erträgt", oder ob man eine respektlose Unverschämtheit zurückweist.

    • @Age Krüger:

      Sie finden es also in Ordnung, wenn ein Zeitungsredakteur einen Menschen als "Göre" betitelt?

    • @Age Krüger:

      Erstens muss man sich auch als öffentliche Person nicht von einem Journalisten beleidigen lassen.

      Zweitens geht es hier nicht um "Wahrnehmung". Niemand - auch Posener selbst - hält Chebli wirklich für eine "Göre". Das passt einfach gar nicht.

      Bleibt also die "abwertende" Bezeichnung.

  • Ui, da rudert aber wer so heftig mit den Armen, da muss der Wind in der Redaktion heftig wirbeln.

    Ein Glück, dass diese vermutlich weitgehend papierlos ist.

    "Göre"... "oft abwertend" -- in diesem Fall würde ich eher sagen: furchtbar arrogant. Für einen, dem die Sprache Werkzeug ist, unentschuldbar arrogant.

    Möge ihm das um die Ohren fliegen.

  • Herr Posener, sie (Berliner) Bengel!



    Duden: (kurzes) Holzstück, Knüppel

  • Genau, Göre ist meistens abwertend gemeint. Vorlaut, frech und unangepasst. Eben jemand (eine Frau'), die man nicht ernst nimmt.

    • @DVO:

      So verstanden ist Göre wahrlich nicht passend, da Chebli ja sehr angepasst für das Auswertige Amt über den Drohnenkrieg aus Rammstein Auskunft gegeben hat. Ja und die berühmte Rolex natürlich ...