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Kritik an Israels VorgehenAnnexion des Westjordanlandes ist „rote Linie“

Die Vereinigten Arabischen Emirate kritisieren die mögliche Annexion des Westjordanlandes: Es sei „das Ende der Vision einer regionalen Integration“.

Lana Zaki Nusseibeh, Special Envoyé der Vereinigten Arabischen Emirate, ist gegen eine Annexion des Westjordanlandes durch Israel Foto: David Dee Delgado/reuters

Berlin taz | „Eine rote Linie“ – so beschreibt Lana Nusseibeh, Special Envoyé der Vereinigten Arabischen Emirate, mögliche Annexionspläne des Westjordanlands durch Israel. Im Interview mit dem Online-Medium Times of Israel erklärte sie, eine Annexion könnte „das Ende der Vision einer regionalen Integration und den Todesstoß für die Zwei-Staaten-Lösung“ bedeuten. Es gebe somit keinen dauerhaften Frieden, kritisiert sie.

So deutlich hat sich bislang kein Vertreter des kleinen Staats am arabischen Golf geäußert. Dass sie sich ausgerechnet jetzt so öffentlich und direkt an ein israelisches Publikum wendet, liegt wohl am jüngsten Vorstoß: Am Donnerstag soll Premier Benjamin Netanjahu ein Meeting einberufen wollen. Dabei soll wohl diskutiert werden, wie Israel mit der zunehmenden Bereitschaft westlicher Staaten, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, umgehen soll. Es wird bereits das zweite Treffen zum Thema in dieser Woche sein, teilnehmen sollen unter anderem Außenminister Gideon Saar und Finanzminister Bezalel Smotrich.

Am Mittwoch hatte außerdem Smotrich erklärt, dass derzeit Karten für die Annexion von Gebieten im besetzten Westjordanland erstellt würden. Ob er dafür auch die Unterstützung des Premiers hat, ist laut dem Golf-Medium AlArabiya unklar. Bei einer Pressekonferenz in Jerusalem am Mittwoch zeigte Smotrich eine solche Karte. Sie deutet auf die Annexion von großen Teilen des Westjordanlands hin. Mit Ausnahme von sechs palästinensischen Städten, darunter die de-facto-Kapitale der Palästinenser Ramallah.

Emirate leisten viel Hilfe im Gazastreifen

Für die Sondergesandte Nusseibeh gehe es laut Times of Israel darum, dass Israel mit der Annexion „einige der radikalen extremistischen Elemente in Israel“ zufriedenstellen wolle. Dies gefährde die Idee einer regionalen Integration. Sie betonte weiter, dass die Emirate diese Schlussfolgerung nicht leichtfertig gezogen hätten. „Als die Hamas mit den Terroranschlägen vom 7. Oktober versuchte, die Vision der regionalen Integration des Abraham-Abkommens zu torpedieren, haben wir entschlossen reagiert“. Die Emirate hätten den Angriff sofort verurteilt und die Sicherheitsbedenken Israels anerkannt.

Das Verhältnis zwischen den Emiraten und Israel gilt als das wohl beste innerhalb der arabischen Welt: Im Rahmen der Abraham Accords hatten sie 2020 ihre Beziehungen normalisiert. Seitdem sind vor allem Dubai, aber auch Abu Dhabi ein Hotspot für jüdisches Leben in der Region geworden. Auch die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Staaten laufen gut, allein zwischen 2023 und 2024 sind sie trotz des Krieges im Gazastreifen um elf Prozent gewachsen – auf insgesamt mindestens 3,2 Milliarden US-Dollar.

Doch auch Kritik seitens der Emirate an Israels Kriegsführung in Gaza ist nicht neu – vor allem bezüglich der hohen Zahl an Toten und der Blockade von Hilfsgütern. Gleichzeitig leisten die Vereinigten Arabischen Emirate viel Direkthilfe im Gazastreifen. Sie sind allein für fast 60 Prozent der aus der Luft abgeworfenen Hilfen verantwortlich.

Dass sie nun ihre Haltung so deutlich machen, hat gute Gründe. Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) steht wohl kurz vor dem Kollaps. Mitte Juni erließen Großbritannien und weitere Staaten Sanktionen gegen den rechten Finanzminister Smotrich. Dieser ordnete anschließend die Aufhebung des sogenannten „Bank Waivers“ an, der es israelischen Banken ermöglicht, mit palästinensischen zu korrespondieren.

Ohne den Waiver können die Einnahmen aus Steuern und Zöllen – die Israel für die PA wie in den Oslo-Abkommen festgehalten einzieht – nicht transferiert werden. Seitdem hat die PA keine Gelder mehr erhalten, zahlt die Gehälter ihrer Angestellten nur noch teilweise aus.

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3 Kommentare

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  • Stratt froh zu sein, dass man wohl mit dem Stand von 1966 davon kommen würde, der mehrfach großzügig für die israelische Seite wäre, setzte die Gier und die Dummheit ein, blieb man Besatzer, wurde teils Rassist, um die reale Ungleichheit besser mental auszuhalten. Und jetzt wird nachgelegt. Selbst Jabotinsky, der Eisenwändische, war nicht so bösartig drauf wie einige im aktuellen Kabinett.



    Wer Israel liebt, der stoppt diejenigen, die es gerade von oben zerstören.

  • Der neue von Israel avisierte E1-Siedlungsbau trennt nicht nur räumlich den nördlichen vom südlichen Teil des palästinensischen Autonomiegebietes im WJL, es bedeutet somit auch faktisch das Ende aller Bemühungen um eine Zwei-Staaten-Lösung. Smotrich hat das ja auch offiziell so vertreten.



    Damit können auch alle Hoffnungen auf eine israelisch-arabische Annäherung begraben werden, wie sie sich etwa mit dem Abraham-Abkommen vorsichtig abzeichneten.



    Hat die israelische Führung die Chuzpe zu glauben, dass die arabischen Staaten den Anspruch der Palästinenser auf Eigenstaatlichkeit opfern werden nur um der guten Beziehungen zu Israel willen? Und das Faustpfand der Millionen palästinensischen Flüchtlinge in ihren Ländern so einfach aus der Hand geben?



    Also, entweder handelt es sich bei der israelischen Führung um Politiker mit knallhartem Kalkül oder um rechtsextreme und nationalreligiöse Fanatiker - wahrscheinlich aber um beides -, die damit rechnen, dass die USA (und unsere Bundesregierung) ewig die Hand über sie hält.



    Damit verspielt die Netanyahu-Regierung jedoch dauerhaft den Frieden in der Region und auch die Sicherheit Israels. Ob das der israelischen Bevölkerung bewusst ist?

  • Wer in der aktuellen israelischen Regierung will eigentlich Frieden?