Krise der Linkspartei: Ein Tropfen reicht, um das Fass zum Überlaufen zu bringen
Gerade hat die Linkspartei eine neue Führung gewählt, treten prominente Mitglieder aus. Davon wird die Welt allerdings auch nicht besser.
E s dürfte einer der kürzesten politischen Aufbrüche der Geschichte gewesen sein. Nicht einmal eine halbe Woche hat es gedauert, bis in der Linkspartei die vorsichtige Euphorie des Bundesparteitags in Halle schon wieder verflogen ist. Noch bevor die neugewählten Vorsitzenden Ines Schwerdtner und Jan van Aken ihre großangelegte Haustürkampagne starten konnten, haben bekannte Berliner Linke ihnen bereits die Türen vor der Nase zugeschlagen. Dass der Kreis um Ex-Kultursenator Klaus Lederer und Ex-Sozialsenatorin Elke Breitenbach ausgerechnet auf den Tag genau ein Jahr nach Sahra Wagenknecht aus der Linken ausgetreten ist, entbehrt dabei nicht einer gewissen Tragik.
Es waren Lederer, Breitenbach & Co, die jahrelang gegen den „Linkskonservatismus“ von Wagenknecht angekämpft hatten. Weitsichtig wollten sie nicht warten, bis es ihrer nationalpopulistischen damaligen Parteifreundin und deren Kombattant:innen gelungen ist, die Linke in eine Ruinenlandschaft zu verwandeln, um dann ein neues Parteiprojekt zu starten. Damit ist der Reformflügel der Berliner Linken gescheitert, weil auf der Bundesebene bei den einen das Bewusstsein für die Notwendigkeit und bei den anderen der Mut zur Trennung fehlte. Zum für sie bestmöglichen Zeitpunkt hatte Wagenknecht schließlich selbst den Bruch vollzogen. Angesichts des vom BSW mit beförderten gefährlichen gesellschaftlichen Rechtsdrifts ausgerechnet jetzt die Waffen zu strecken, macht die Welt nicht besser.
Der lange Kampf für eine Linke, die „wieder politik- und gestaltungsfähig“ werden muss, wie Lederer noch Anfang des Jahres in seinem Buch „Mit links die Welt verändern“ schrieb, hat viele aus seinem Lager zermürbt. Was nicht zuletzt an der toxischen Diskussionskultur in der Partei liegt. Der Streit um den richtigen Umgang mit dem Nahost-Konflikt und linkem Antisemitismus, der Anfang Oktober zum Eklat auf dem Berliner Landesparteitag geführt hatte, ist nur der Tropfen, der für einige jetzt das Fass zum Überlaufen gebracht hat.
Als „innerparteilichen Friedensvertrag“ bezeichnete das nd, das frühere Neue Deutschland, die Verständigung auf dem anschließenden Bundesparteitag auf einen breit getragenen Antrag. Tatsächlich war das nicht mehr als ein kurzzeitiger Waffenstillstand. Denn das Problem der Linkspartei waren in der Regel nie ihre Beschlüsse, sondern, dass Papier geduldig ist.
Trotzkistische Gruppen wurden toleriert
Dass die Linke „jeder Art von Antisemitismus“ entgegentreten müsse, steht bereits in ihrem Grundsatzprogramm von 2011. Insbesondere die aus den beispiellosen Verbrechen an den Jüdinnen und Juden während des Nationalsozialismus resultierende besondere Verantwortung Deutschlands „verpflichtet auch uns, für das Existenzrecht Israels einzutreten“, heißt es dort weiter. Zugleich stehe die Partei „für eine friedliche Beilegung des Nahost-Konflikts im Rahmen einer Zwei-Staaten-Lösung“. Trotzdem wurden in ihren Reihen stets (minoritäre) Gruppen vor allem trotzkistischer Provenienz toleriert, die ganz andere Vorstellungen haben.
Zu einem öffentlich sichtbaren Problem wurde das nach dem terroristischen Massaker vom 7. Oktober 2023, das in diesen Kreisen zu einer „von der Hamas angeführten Offensive gegen Israel“ verklärt wird, wie es der „Sozialismus-von-unten“-Aktivist Ramsis Kilani formuliert hat. Bis heute rechtfertigt das Linken-Mitglied in Berlin-Neukölln den Terror der Hamas: „Für revolutionäre Sozialisten hatten und haben die Palästinenser immer jedes Recht, sich mit allen erforderlichen Mitteln gegen die von den Imperialisten unterstützte zionistische Siedlerkolonie zu wehren, die ihr Land besetzt und sie unterdrückt“, schrieb Kilani im Juni dieses Jahres in der Zeitschrift International Socialism.
Doch statt seinen Rauswurf zu fordern, solidarisierten sich auf dem Bundesparteitag rund 140 Teilnehmer:innen – darunter ein Bundestagsabgeordneter, eine Europaparlamentarierin und mehrere Bundesvorstandsmitglieder – in einer schriftlichen Erklärung mit ihm, weil Kilani angeblich wegen seines „Engagements in der Palästina-Solidarität mit unlauteren Mitteln angegriffen“ werde.
Mittlerweile soll in Berlin ein Ausschlussverfahren eingeleitet worden sein. Das kommt allerdings etliche Austritte zu spät. Bei einer Partei im Aufwind schweißt der Erfolg selbst jene zusammen, die eigentlich nicht zusammengehören. Von einer Partei im Niedergang ist es wesentlich leichter, Abschied zu nehmen. Es scheint ja nichts mehr zu gewinnen und nicht mehr viel zu verlieren zu geben. Da sinkt die Bereitschaft auch zu falscher Toleranz. Aber bei allem Verständnis für ihren tiefen Frust ist es fatal, wenn die Falschen gehen. Für die Verbliebenen wird es jetzt noch schwerer, den Absturz ins außerparlamentarische Nichts zu verhindern.
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