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Rohingya verzweifeln zwischen den Fronten

In Myanmar mehren sich glaubwürdige Berichte, dass Angehörige der Rohingya-Ethnie jetzt auch von Rebellen angegriffen werden. Derweil ist die Lage der vor sieben Jahren nach Bangladesch Geflohenen in den Camps weiterhin völlig perspektivlos

Eine aus Buthidaung geflohene Rohingya-Familie in einem Lager bei Cox's Bazar in Bangladesch Foto: Mohammad Ponir Hossain/reuters

Von Sven Hansen

„Auf dem Boot waren 30 Personen, darunter 18 Kinder. Nur vier haben überlebt,“ berichtete ein Augenzeuge anonym dem birmesischen Dienst des US-Auslandssenders RFA. Demnach kenterte das Boot mit Flüchtlingen der Volksgruppe der Rohingya am Montag beim Überqueren des Grenzflusses Naf, als es von Myanmars südwestlichem Rakhine-Staat nach Bangladesch fuhr.

Seit einigen Monaten fliehen Rohingya wieder vermehrt ins Nachbarland. Allein Anfang August sollen 5.000 Flüchtlinge auf einen illegalen Grenzübertritt gewartet haben. Im Unterschied zur letzten großen Flüchtbewegung 2017 versucht Bangladesch nun aber die Grenze geschlossen zu halten. Rohingya-Männer fliehen nun auch aus ihrer Heimat, weil sie von der Militärjunta für deren Krieg gegen die Rebellen zwangsrekrutiert werden. Mittlerweile sind ganze Städte und Dörfer mit einem hohen Bevölkerungsanteil an Rohingya Schauplatz des Konfliktes geworden.

Früher vertrieb allein das Militär – auch mit dem Segen der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi – die 1982 staatenlos gemachten Rohingya. Die werden in Myanmar offiziell als Bengali bezeichnet und damit als illegale Einwanderer aus dem Nachbarland denunziert.

Doch mehrten sich seit April glaubwürdige Berichte, dass auch Rebellen der buddhistischen Arakan Army (AA) Rohingya angegriffen haben, etwa im Mai bei der Einahme der Stadt Buthidaung oder Anfang August in Maungdaw. Zum einen, weil das Militär jetzt zwangsrekrutierte Rohingya gegen die AA einsetzt. Zum anderen haben sich aber auch kleine bewaffnete Rohingya-Gruppen wie die terroristische ARSA (Arakan Rohingya Salvation Army) mit dem Militär gegen die AA verbündet.

Das jetzt gesunkene Boot soll Rohingya transportiert haben, die aus Maungdaw, das inzwischen von der AA kontrolliert wird, fliehen wollten. Andere Flüchtlinge berichteten der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, dass sie seit April selbst von der AA angegriffen wurden, manche sogar noch auf Booten bei der Flucht auf dem Fluss Naf.

Die AA vertritt die buddhistischen ethnischen Rakhine und kämpft seit 2009 für die Autonomie der Region mit bis zu geschätzt 40.000 Bewaffneten. Erst nach dem Militärputsch 2021 hat sich die AA mit anderen Rebellen verbündet. Der Name Arakan ist der bis 1989 offizielle Name für Rakhine, wobei historisch Arakan ein von Birma unabhängiges Königreich mit der Hauptstadt Mrauk-U war. Die daher symbolische Stadt fiel bei der jetzigen Offensive der AA als eine der ersten, bald folgte die bei Touristen beliebte Region um Ngapali-Beacht. Heute hält das Militär nur noch Rakhines Hauptstadt Sittwe.

Die AA dementiert Angriffe auf Rohingya, wirft ihnen zum Teil Verleumdung vor und hat andererseits mehrere tausend von ihnen aus umkämpfen Orten in Sicherheit gebracht. Doch auch ihr Anführer spricht von den Rohingya als Bengali. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen zählte nach dem AA-Angriff auf Maungdaw eine Zunahme von Kriegsverletzungen unter den Rohingya, denen später die Flucht nach Bangladesch gelang.

Über den Naf fliehen schon seit Jahren muslimische Rohingya nach Bangladesch. Vor sieben Jahren, am 25. August 2017, massakrierte Myanmars Militär gemeinsam mit buddhistischen Milizen Rohingya, zündete ihre Dörfer an, vergewaltigte Frauen und trieb rund 740.000 Rohingya über die Grenze. Menschenrechtler sprechen von ethnischen Säuberungen oder gar einem Genozid.

Auslöser waren Überfälle der terroristischen ARSA auf myanmarische Grenzposten und Polizeistationen gewesen. Damit hatten erstmals islamistisch orientierte und mutmaßlich aus Pakistan und Saudi-Arabien unterstützte Rohingya in Form der Splittergruppe Arsa unter dem Vorwand des Widerstands gegen jahrzehnlange Diskriminierung bewaffnet zugeschlagen. Doch gaben sie dem Militär damit einen Vorwand, möglichst viele Rohingya nach Bangladesch zu treiben. Dort lebten bei Cox’s Bazar bereits zuvor zehntausende Flüchtlinge.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sieht in der jetzigen Fluchbewegung ein „erschreckendes Echo der Massengewalt von 2017“. Heute sind bei Cox’s Bazaar in Kutupalong und angrenzenden Camps rund eine Million Rohingya im größen Flüchtlingslager der Welt untergebracht. Sie sind auch dort völlig rechtlos, dürfen nicht arbeiten, die Camps kaum verlassen und die Kinder keine Schulen außerhalb besuchen.

Die Lage der Menschen dort ist so trost- wie perspektivlos. In den letzten Jahren hat es eine Zunahme der Gewalt gegeben – auch, weil zur Bekämpfung der regierungskritischen Proteste in Bangaldeschs Hauptstadt Dhaka Polizisten abgezogen wurden. Bandenkriege, Brände und Schlammlawinen erschweren das Leben der Flüchtlinge, wie auch die zunehmenden Kürzungen der internationalen Hilfe.

Zwar sagte Bangladeschs Übergangspremier Muhammand Yunus zu, dass seine Regierung die Flüchtlingen weiterhin unterstützen werde. Doch scheint auch er auf ihre Rückkehr zu setzen. Die vorherige Regierung lehnte jede Integration der Rohingya in die Gesellschaft Bangladeschs ab und bestand auf Rückkehr. Da es in Myanmar aber keine Sicherheitsgarantien gibt und der Krieg neue Risiken verdeutlicht, wird das in absehbarer Zeit nicht geschehen.

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