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Kosten der KlimakriseWer soll das bezahlen?

Kommentar von Franziska Betz

Der Hamburger Finanzsenator will Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen für die Kosten ihrer Aktionen bezahlen lassen. Damit adressiert er allerdings die Falschen.

Wer bezahlt für die Folgen der Klimakrise? Hier ein Waldbrand im letzten Jahr im Harz Foto: Matthias Bein/dpa

T ödliche Überschwemmungen, Hitzetote, Starkregen und die Folgen einer drohenden Heißzeit: alles nicht so schlimm wie ein paar platte Reifen, ein unfreiwillig orangefarbenes Privatflugzeug oder ein besprühtes Rathausportal? Das könnte man meinen, wenn man hört, welche Prioritäten Andreas Dressel (SPD) aktuell in Hamburg setzt.

Nachdem in der Vergangenheit immer wieder nach härteren strafrechtlichen Konsequenzen für Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen gerufen worden war, ruft der Hamburger Finanzsenator nun im NDR dazu auf, Ak­ti­vis­t*in­nen für ihre Aktionen auch zivilrechtlich zu belangen.

„Alle öffentlichen Stellen und Unternehmen“ seien dazu „aufgerufen, ihre entstandenen Schäden zivilrechtlich geltend zu machen“, sagt Dressel. Und auch den Gedanken dahinter legt er offen: Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen sollen in Zukunft einkalkulieren, dass sie einen „Berg an Forderungen für ihre Aktionen vor sich herschieben“. Das heißt: Sie sollen bezahlen. Damit erhöht er den Druck auf Menschen, die sich dafür einsetzten, dass wir alle in Zukunft vielleicht noch halbwegs okay auf diesem Planeten leben können, immens.

Nun gut, könnte man sagen, wer einen finanziellen Schaden verursacht, der muss ihn eben auch bezahlen. Ob man nun ein Flugzeug blockiert oder sich aus Versehen auf die Brille der Kollegin setzt: Nur wenn man dieser Argumentation folgt, müssten ganz andere ebenfalls belangt werden: „Wenn vor dem Gesetz alle gleich sind, dann müsste man konsequenterweise auch die, die ihre eigenen Gesetzte nicht einhalten, juristisch verfolgen“, sagt Malte Siegert vom Naturschutzbund (Nabu) Hamburg.

Aktuell werden die Klimaziele nicht eingehalten

Und er hat recht: Politisch Verantwortliche wie Dressel und seine Kol­le­g*in­nen im Senat haben einen großen Anteil daran, dass Klimaziele verfehlt werden und das globale CO2-Budget weiter verbraucht wird. Die Stadt Hamburg hat sich in ihrem Klimaschutzgesetz das Ziel gesetzt, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 70 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. „2045 und damit fünf Jahre schneller als bislang vorgesehen, soll ganz Hamburg CO2-neutral leben und wirtschaften“, schreibt die Umweltbehörde.

Ob diese Ziele eingehalten werden – abgesehen davon, ob sie ausreichend sind – ist allerdings fraglich. „Mit den aktuell geplanten Maßnahmen wird der Senat die Hamburger Klimaziele nicht einhalten“, sagt Siegert. Und auch der Hamburger Klimabeirat, ein Gremium aus 15 Wissenschaftler*innen, die den Senat beraten, appellierte im März an Senat und Bürgerschaft, „die laufende Novellierung des Klimaschutzgesetzes und die Fortschreibung des Klimaplans für eine deutlich ambitioniertere Klimaschutzpolitik zu nutzen“.

Aber nicht nur die Politik ist in der Pflicht: Auch Unternehmen, die mit ihren Geschäften aktiv zur Klimakrise beitragen, müssten, wenn man Dressels Argument folgt, zur Kasse gebeten werden. „Wer übernimmt für den durch den Flughafenbetrieb in Hamburg verursachten gesamtgesellschaftlichen Schaden von 1,65 Milliarden Euro jährlich eigentlich die Verantwortung?“, fragt beispielsweise Martin Mosel von der Bürgerinitiative „Fluglärm Hamburg“, der die Emissionen des Flughafens mit den vom Umweltbundesamt bemessenen Umweltkosten von 809 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent verrechnet hat.

Menschen opfern ihre Gesundheit nicht ohne Grund

Dressels Aussagen sind unverantwortlich. Weil sie schon wieder den Blick auf Ak­ti­vis­t*in­nen und deren Bestrafung legen, statt auf die Bekämpfung der Klimakrise; statt zu fragen, warum Menschen eigentlich ihre Freizeit, ihr Geld und ihre Gesundheit opfern, um Flughäfen und Hörsäle zu blockieren. Und das gut drei Wochen nach dem weltweit heißesten Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnung und knapp sechs Jahre bevor das globale CO2-Budget für das Erreichen des 1,5-Grad-Limits aufgebraucht ist.

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Seit September 2022 Volontär*in bei der taz nord in Hamburg. Hat Politikwissenschaften und Transkulturelle Studien an der Uni Bremen studiert.
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18 Kommentare

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  • Klären Sie doch die Schuld an der Verfehlung der Klimaziele gerichtlich, anstatt daraus abzuleiten, die Mitbürger zu behindern.

  • Wasdie SPD da abzieht, ist Kindergatenniveau und zeigt, dass sie nicht bereit ist, die REALITÄT anzuerkennen!



    Leute wie Schwerbrecher zu behandeln, die die Faxen dicke haben von der bescheu…. Klimapolitik, ist ein Armutszeugnis par excellence ! Dann fangt doch erstmal die, die ganz Deutschland vermüllen, indem sie alles auf Straßen, Gehwege, in Wald und Flur schmeißen, was diesen Assis in den Sinn kommt! Das wäre mal ne Maßnahme, anstatt Klimaaktivisten zu kriminalisieren.



    Abdanken SPD! Ach, das kommt ja ohnehin….;-))

  • Mit seinem Vorstoß will Hamburgs SPD Finanzsenator Andreas Dressel wohl erreichen, dass Privatleute, Unternehmen durch Klimaaktivisten entstandene Schäden nicht steuermindernd zulasten Hamburger Staatssäckels abschreiben, sondern durch Rechtstitel gegenüber Klimaaktivisten als Forderungen in ihren Bilanzen, Steuererklärungen listen, was Abschreibungen zulasten Staatssäckels Hamburgs zumindest verzögert, angesichts schleppenden Rechtsverfahren personell, materiell unterfinanziert überlastet Hamburger Zivilgerichtsbarkeit.

    Vielleicht will Andreas Dressel aber auch Klimaaktivisten Kampagnen ursozialdemokratisch auf den Nürnberger Hanseatik Elbchaussee Trichter bringen, nicht mehr zu proklamieren „Lieber Links- als Rechtsstaat!“, sondern vor Gericht zu ziehen, Privatleute, Unternehmen, die besonders klimaschädlich unterwegs u. a. wg. Feinstaubbelastungen im Flug-, Straßenverkehr Hamburger Atmosphäre zulasten Gesundheit und Krankenkassen aller Hamburger Einwohner zu verklagen, Forderungsrechtstitel zu erlangen. Dazu müsste der Hamburger Senat sich aber durchringen, mit DUH, Greenpeace, Stadtteilen ein atmend gerichtsfest Transparenzregister zu erstellen über klimaschädliche Fußabdrücke von landeseigenen Betrieben, Einrichtungen, Dienstwagen Privileg Fuhrpark der S Klasse mit rund um die Uhr Fahrdienst, Gebäuden, Gewässern Alster, Elbe, Bille, Berner Aue, Wandse, Privathaushalten, Unternehmen, Bundes, Hamburger Liegenschaften; Stiftungen, Kirchen, Moscheen, Pagoden, Synagogen, Bundeswehr Kasernen.



    Es gibt viel zu tun, packen wir es an.

    – Anm. A.: Wandse war zuzeiten Matthias Claudius (1840-1815) von dänischem Sklavenhändler Heinrich GrafSchimmelmann (1724-1782) Tuchfabriken überbaute Kloake. Der Graf war im Dreiecksgeschäft unterwegs: Gewebtes Tuch aus dänischem Wandsbeck durch Strohmann über Hamburger Hafen nach Afrika verschifft gegen Sklaven auf US Südstaaten Plantagen, mit billiger Baumwolle von dort zurück an stinkend giftige Kloake Wandse, was Claudius beklagte

  • DIRK OSYGUS

    Wenn im Gegenzug die Verantwortlichen für die Schäden aufkommen, die das Verschleppen von Klimaschutzmassnahmen verursachen... einverstanden.

  • Erinnern wir uns: es war der damalige Hamburger Bürgermeister Scholz, der vor einigen Jahren die Ansiedlung einer Billigfluglinie auf dem Hamburger Flughafen feierte, als bereits abzusehen war, dass Deutschand bei den CO2-Emissionen an die Wand fährt.

    Die derzeitige dramatische Lage im Klimaschutz, die durch das Nichtstun von Scholz und Consorten verursacht wurde, nutzt Dressel, um dazu aufzurufen, den Überbringer der schlechten Botschaft finanziell zu sanktionieren.



    Vollkommen egal, dass sich der Atlantik vor der Küste Floridas gerade auf die Rekordtemperatur von 38,4 Grad an der Oberfläche erhitzt hat. Das ist die weltweit höchste jemals an der Meeresoberfläche eines Meeres gemesse Temperatur.

    Betonpolitiker wie Dressel, die opportunistisch auf die nächste Wählerstimme schielen und Sektorziele in Klimaschutz nicht ernst nehmen, führen die Welt direkt in den Untergang!

  • "die ihre eigenen Gesetzte nicht einhalten, juristisch verfolgen"



    Korrekt. Es gibt aber kein konkretes Gesetz gegen Flugverkehr, sondern nur abstrakte Reduktionsziele.



    Natürlich wird man 2028 (ist nämlich schon in fünf Jahren) feststellen, dass die Massnahmen zum Erreichen des Reduktionsziels bis 2030 nicht ausreichen. Dann wird es spannend. Juristisch und gesellschaftlich. Kommen dann massive Heizungs- und Fahrverbote? Oder Aufweichung der Gesetze? Jetzt sind alle Diskussionen noch harmlos. Jetzt kann man noch Aktien von FAG, RWE oder BASF kaufen, mit der einfachen Regel: Je höher die Dividende, desto höher war die CO2 Emission.

  • Diese "Aktivisten" könnten ihre inaktive Zeit, Geld, Wissen, Potentiale etc. ja mal für das Klima und die Umwelt aktivieren. Niemand hindert sie daran. Die wirren Aktionen, durch die andere genötigt und gefährdet werden steigern jedenfalls die CO2 Emmissionen. Sie sind insofern klimaschädlich. Nach der Logik des Artikels müssten die "Aktivisten" nicht nur für die unmittelbaren zivilrechtlichen Schäden haften, sondern zusätzlich auch für die durch deren Aktionen verursachten zusätzlichen CO2 Emmissionen in Haftung genommen werden.

  • Zum Glück ist Deutschland ja ein Rechtsstaat und darum ist man für sein Handeln auch vollumfänglich verantwortlich. Wer also vorsätzlich eine Sachbeschädigung begeht, sollte auch dafür geradestehen.



    Da zählt der „gute Wille“ nicht.



    Hat schon mal jemand den Eigentümer der Flugzeugs gefragt, wie er dazu steht?

    • @Dirk Osygus:

      Genau, und warum müssen deutsche Politiker das nicht, obwohl sie Milliardenschäden verursachen?

      • @buddhafragt:

        Am besten diese Politiker auf Schadenersatz verklagen. Gerichte werden dann Recht sprechen.

  • Alternativ könnte man die Rechnung an Hr. Habeck (Energiewende ins Nirgendwo) und Frau Baerbock (China, Indien und die Länder mit enormen Bevölkerungswachstum immer noch nicht vom deutschen de-growth Vorbild überzeugt) senden.

  • " ... warum Menschen eigentlich ihre Freizeit, ihr Geld und ihre Gesundheit opfern, um Flughäfen und Hörsäle zu blockieren. "



    Weil das die Klimaveränderung aufhält?

    • @Trabantus:

      Tut sie ja nicht

  • 6G
    687478 (Profil gelöscht)

    Wie hoch sind die Folgeschäden, wenn wichtiges Gas für die Arzneimittelherstellung, das z.B. der LKW-Fahrer aus Stralsund transportiert hatte, nicht rechtzeitig zur Produktionsstätte gelangen kann?

  • (Folge)Richtige Entscheidung. Der Betrieb eines Flughafens, Bahn- oder Taxiunternehmens ist nun mal nicht illegal - und dient sogar dem Gemeinwohl. Sachbeschädigung und Nötigung sind demgegenüber Straftatbestände, für deren Folgen die Täter gerade zu stehen haben.

    • @Valzuun:

      Das emittieren von klimaschädlichen Gasen über ein bekanntes Budget hinaus ist sehr wohl illegal und dient so gar nicht dem Gemeinwohl, sondern bedroht unsere Zukunft und die Freiheit der jetzt jungen Generationen*. Höchstrichterlich in DE festgestellt. Zudem hat sich DE völkerrechtlich verbindend verpflichtet, die Ziele aus dem Paris-Vertrag einzuhalten. Das passiert aktuell nicht und wird absehbar auch künftig nicht passieren:



      taz.de/!s=Projektionsbericht/

      *liest man die jüngsten Berichte über Meerwassertemperaturen und Eisbedeckung, fühlt man sich unerwünscht jung

    • @Valzuun:

      Kommt darauf an, wie man Gemeinwohl definiert.



      Die Beschleunigung eines unumkehrbar weiter fortschreitenden Klimawandels sollte wohl nicht darunterfallen........

    • @Valzuun:

      Als Reaktion auf die erfolgreiche Klage beim Bundesverfassungsgericht wurde ein Expertenrat und Sektorenziele hastig eingeführt. Die neue Regierung schleift nun diese Ziele weil nichts getan wurde diese einzuhalten. Das ist zwar juristisch wohl nicht strafbar aber eine Verarsche der jungen Generation. Solange es kein Tempolimit gibt haben die Klimakleber meine volle Sympathie!