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Kontroverse um GedenkveranstaltungenEin Kranz von Kretschmer, einer von Putin

Das Auswärtige Amt will den russischen Botschafter von Weltkriegsgedenken ausschließen. Ins sächsische Torgau darf Sergei Netschajew trotzdem kommen.

Darf teilnehmen, aber keine offizielle Rede halten: der russische Botschafter Netschajew Foto: Soeren Stache/dpa

Berlin/Torgau dpa | Der russische Botschafter Sergei Netschajew will am kommenden Freitag an einer weiteren Gedenkveranstaltung zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren teilnehmen. Im sächsischen Torgau wird dann an das Aufeinandertreffen US-amerikanischer und sowjetischer Soldaten an der Elbe am 25. April 1945 erinnert. Der Botschafter werde „der Einladung der Stadt Torgau Folge leisten und an den geplanten Veranstaltungen teilnehmen“, teilte ein Sprecher der russischen Botschaft in Berlin der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit.

An dem Gedenken wird auch der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) teilnehmen. Die USA werden nach jetzigem Stand im Gegensatz zu Russland nicht mit einem offiziellen Repräsentanten dabei sein. „Das US-Konsulat in Leipzig ist in diesem Jahr nicht in der Lage, an der Zeremonie teilzunehmen“, erklärte eine Sprecherin der US-Botschaft in Berlin auf dpa-Anfrage.

Nach Angaben der Stadt Torgau wurden keine expliziten Einladungen an die Botschaften verschickt. Die Auslandsvertretungen mehrerer Länder – darunter die russische – seien aber bereits im Februar schriftlich über die öffentliche Veranstaltung informiert worden. Das Vorgehen sei mit der sächsischen Staatskanzlei abgestimmt worden, sagte Torgaus Oberbürgermeister Henrik Simon (parteilos) der dpa.

Die russische Vertretung habe mitgeteilt, dass Botschafter Netschajew teilnehmen werde. Es sei auch nach einem Rederecht gefragt worden. „Das haben wir allerdings ausgeschlagen, um keine Plattform zu geben“, sagte Simon. Bei der Gedenkveranstaltung werden außer Kretschmer ein Vertreter der evangelischen Kirche und der Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten sprechen. Anschließend ist eine Kranzniederlegung geplant.

Vergangene Woche hatte die Teilnahme Netschajews an einer Gedenkveranstaltung auf den Seelower Höhen östlich von Berlin für Aufsehen gesorgt. Dort hatte vor 80 Jahren eine der größten Schlachten des Zweiten Weltkriegs stattgefunden, bei der 35.000 sowjetische, 16.000 deutsche und 2.000 polnische Soldaten getötet wurden.

Auswärtiges Amt empfahl Ausschluss Russlands

Das Auswärtige Amt hatte zuvor in einer Handreichung an Länder, Kommunen und Gedenkstätten des Bundes davon abgeraten, offizielle russische Vertreter zu Weltkriegsgedenkveranstaltungen zuzulassen. Begründet wurde das mit der Befürchtung, dass Russland diese Veranstaltungen „instrumentalisieren und mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine missbräuchlich in Verbindung bringen“ könnte. Tatsächliche zog die russische Propaganda schon in den letzten Jahren eine direkte Linie vom Weltkrieg zum Krieg gegen die Ukraine.

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hat die Botschafter von Russland und Belarus unter Verweis auf die Empfehlungen des Außenministeriums von der zentralen Gedenkveranstaltung am 8. Mai im Parlament ausgeschlossen. Dort wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprechen.

Am 25. April erinnert Torgau jedes Jahr an den sogenannten Elbe Day, an dem amerikanische und sowjetische Soldaten auf der zerstörten Elbe-Brücke aufeinandertrafen. Das Foto vom Handschlag von Torgau ging als Symbol für das Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft um die Welt.

Keine Gedenkfeier nach russischem Angriff 2022

Am 75. Jahrestag 2020 hatten der russische Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump, der damals in seiner ersten Amtszeit war, den Jahrestag noch in einer gemeinsamen Erklärung gewürdigt. „Der ‚Geist der Elbe‘ ist ein Beispiel dafür, wie unsere Länder Differenzen beiseiteschieben, Vertrauen aufbauen und für eine größere Sache zusammenarbeiten können“, schrieben sie.

Zwei Jahre später wurden die Gedenkfeiern in Torgau dann kurzfristig abgesagt. Der Grund war der russische Angriff auf die Ukraine zwei Monate zuvor. „Die aktuelle Lage und die täglichen Ereignisse lassen es geraten erscheinen, eine derartige Zusammenkunft in diesem Jahr nicht durchzuführen“, teilte die Stadt Torgau damals mit.

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9 Kommentare

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  • Hat sich Frau Wagenknecht schon zur herzlichen Begrüßung des russischen Botschafters angekündigt? Würde zu Gegenwartsvergessenheit passen.

  • Es waren vor allem russische Soldaten die im II. Weltkrieg starben. Dass ein russischer Botschafter zum Gendenken an so einem Ort heute daran teilnimmt ist das normalste auf dieser Welt. Was NICHT normal ist, dass wir bzw. unsere Regierung glaubt, dass die Russen nicht zum Gedenken daran teilnehmen dürfen.

    • @Pico :

      Die Teilnahme der derzeit schlimmsten Verbrecher an dieser Veranstaltung ist nicht nur für Sie das normalste der Welt, diese Werte teilen Sie insbesondere mit der AFD und dem BSW. Sie befinden sich also in bester Gesellschaft!

  • Das Eine hat nicht exakt mit dem Anderen zu tun.



    Der damalige Krieg und der Heutige haben nur die Gemeinsamkeit, dass ein Verbrecherstaat ein autonomes Land überfällt, zerstört und plündert. Gräueltaten an der Bevölkerung begeht und es Befreiung nennt.



    Man sollte die russischen Vertreter unbedingt zu solchen Veranstaltungen einladen und die Ähnlichkeiten von damals und heute ganz offen nennen.

  • Aktuell sind Russland und die USA selbst autoritäre, vielleicht sogar diktatorische Kriegsführer und Kriegstreiber.

    Es gibt keinen Grund offizielle Vertreter solcher Staaten zur Feier eines Kriegsendes einzuladen.

    War gut, dass sie Hitler besiegt haben. Sie haben nur anscheinend selbst nichts daraus gelernt und sind jetzt auf dem Weg genau so zu werden.

  • Es gibt nicht viele Nationen, die eine Niederlage feiern. In so fern sind die Absagen auch eine schleichende Annäherung an eine andere Haltung, bei der in Zukunft möglicherweise das Ende nicht mehr gedacht wird.



    Solange man das noch anders sieht, ist eine Teilnahme der Siegermächte eigentlich notwendig, sei es durch einen untergeordneten Offiziellen aus Russland oder durch die USA. Deren Absage, man hätte keine Zeit, ist eigentlich ein Affront.



    Es sei denn man bereitet die Abschaffung der Gedenken so langsam vor...

    • @fly:

      Nicht jeder sieht das als Niederlage. Viele Menschen, auch deutsche, sehen darin den Sieg über ein Verbrechersystem das die Welt bedrohte.

  • Die Schlacht auf den Seelower Höhen soll die größte Schlacht des WK2 gewesen sein? Da fehlt wahrscheinlich der Zusatz auf heute noch deutschem Boden.

    • @Šarru-kīnu:

      der Zusatz fehlt.



      Laut Webseite der Gedenkstätte Seelower Höhen starben dort bei der letzten großen Schlacht für die Befreiung Berlins 70000 sowjetische, 2000 polnische und 12000 deutsche Soldaten.

      www.in-berlin-bran...elower-Hoehen.html