Konsuln der Taliban: Die Abschiebung heiligt die Mittel
Zum ersten Mal seit ihrer Machtübernahme schicken die Taliban Vertreter nach Deutschland. Die zwei Konsuln sollen die Abschiebungen erleichtern.
B ereits wenige Stunden nachdem der letzte Abschiebeflug aus Leipzig abgehoben war, um 81 afghanische Geflüchtete in ihre Heimat zu verfrachten, machte in afghanischen Kreisen eine Nachricht die Runde, die schon Wochen zuvor in der Luft lag: Vertreter der Taliban-Regierung würden bald nach Deutschland kommen, um zwei Konsulate im Land zu übernehmen. Konkret ging es um Berlin und Bonn. In München arbeitet das Generalkonsulat schon seit längerer Zeit mit den extremistischen Machthabern in Kabul zusammen.
In Berlin wurde Anfang der Woche offiziell, dass die Taliban erstmals seit ihrer Machtübernahme im August 2021 ihr eigenes Konsularpersonal nach Deutschland entsendet haben. Für die militanten Islamisten ist das ein deutlicher Erfolg. Erst vor Kurzem hat Russland das Regime offiziell anerkannt. Und nun ist irgendwie auch Deutschland an der Reihe, oder nicht? Nein, nicht ganz. Die Präsenz von Botschaftspersonal bedeutet keine offizielle Anerkennung – zumindest noch nicht.
So lauten die Regeln der Diplomatie. Doch für die interessiert man sich im Emirat der Taliban ohnehin nicht. Aus Sicht der Machthaber in Kabul ist das Handeln Deutschlands eine neue Zäsur, die zu ihren Gunsten stattfindet. Eingesperrte Journalisten und Menschenrechtsaktivisten? Bildungsverbote für Mädchen und Frauen? Folter und Ermordung ehemaliger Soldaten? All das scheint für Berlin keine Rolle zu spielen. Hauptsache, wir können wieder abschieben! Andere EU-Staaten werden wohl bald nachziehen und zur Normalisierung des Regimes beitragen.
Und die Taliban? Die fühlen sich ermutigt. Man kann wohl davon ausgehen, dass einige der Repressalien, die in Afghanistan seit ihrer Rückkehr zum Alltag gehören, bald auch in den Konsulaten in Berlin, Bonn und München zur Praxis werden. Umso bedauerlicher ist, dass die deutschen Kanäle zu den Taliban nie ernsthaft für einen gerechten Frieden im Land oder für humanitäre Hilfe genutzt worden sind. Stattdessen werden jetzt Abschiebungen vorangetrieben, in der Hoffnung, der AfD Wählerstimmen abspenstig zu machen.
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