Kommentar rassistischer Amoklauf Italien: Fortschreitende Enthemmung

Die Tat in Macerata war nicht die Erste ihrer Art – anders als von einigen behauptet. Schockierend ist auch, dass viele Verständnis für den Täter äußern.

Italienische Kriminaltechniker fotografieren den Ort einer Schießerei

Forensiker fotografieren einen der Tatorte; der Täter soll auf sechs Menschen geschossen haben Foto: dpa

Es gab keine Toten. Das ist das wohl einzig Positive, das man über den rassistischen Amoklauf im italienischen Macerata sagen kann, der am Ende sechs verletzte Afrikaner zurückließ. Anders als etwa vom Corriere della Sera behauptet, war diese Tat keineswegs die Erste ihrer Art. Im Jahr 2008 erschossen Mafiosi der Camorra sechs Afrikaner im süditalienischen Castelvolturno, im Dezember 2011 feuerte ein Faschist in Florenz tödliche Schüsse auf zwei Senegalesen ab.

Neu ist allerdings, dass der Amoklauf von Macerata mitten in einen Wahlkampf fällt – und dass er auf ein dramatisch geändertes Meinungsklima trifft. Nicht nur jede Menge Einträge in Internetforen und Social Media, auch die Stimmen, die die Reporter der italienischen Zeitungen in den Kaffeebars von Macerata einsammelten, zeichnen sich durch offenes Verständnis für den rassistischen Rächer aus, bis hin zu Kommentaren wie „er hätte allerdings besser zielen sollen“.

Erschreckend ist, dass die verbale Enthemmung von politischen Kräften mit vorangetrieben wird, die gar keine so schlechten Chancen haben, sich nach den Wahlen vom 4. März in einer rechten Parlamentsmehrheit zu finden. Gleich zwei der vier Parteien in der von Silvio Berlusconi geschmiedeten Rechtsallianz, die Lega Nord unter Matteo Salvini und die postfaschistischen Fratelli d’Italia (FdI, Bürger Italiens) unter Giorgia Meloni, machen den Schuldigen keineswegs in dem faschistischen Täter aus, sondern in der „unkontrollierten Einwanderung“ (Salvini) und in „der Linken“ (Meloni), mit ihrer angeblich laxen Politik auf dem Feld inneren Sicherheit.

Deutliche Worte finden nur die Parteien links der Mitte. Berlusconi dagegen hütet sich, zu seinen Alliierten auf Distanz zu gehen. Am groteskesten erscheint aber die Nichtpositionierung der 5-Sterne-Bewegung. „Schweigen“ sei jetzt geboten, der Amoklauf gehöre nicht in den Wahlkampf, sagt der Spitzenkandidat Luigi Di Maio. Eine zu bequeme Lösung, wenn Leute wie Lega-Chef Salvini fleißig hetzen.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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