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Kommentar Von der Leyens DoktortitelDie falsche Entscheidung

Ralf Pauli
Kommentar von Ralf Pauli

Die Verteidigungsministerin darf ihren Doktortitel zu Unrecht behalten. Die Autonomie der Hochschulen geht zu weit.

Ihre Doktorarbeit wird in Deutschland und ausnahmsweise mal nicht am Hindukusch verteidigt. Foto: dpa

F ünf Monate lang hat Ursula von der Leyen (CDU) auf ihr Überraschungsei gewartet. Am Mittwochabend durfte sie es öffnen und – Überraschung – sich freuen. Sie ist noch einmal davongekommen.

Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) erkennt der Verteidigungsministerin nicht den Doktortitel ab. Und das, obwohl die Prüfungskommission der Uni gravierende Fehler an der Dissertation festgestellt hat.

Für die Studierenden und Professoren der Bundeswehruniversitäten kann das nur eines bedeuten: Wenn sie wissenschaftliches Arbeiten ernstnehmen, kann von der Leyen nicht mehr ihre oberste Dienstherrin sein. Doch bislang ist es in München und Hamburg still.

Dass von dort noch kritische Töne kommen, darf bezweifelt werden. Schließlich zählt beim „Bund“ Loyalität im Zweifelsfall mehr als Rechtschaffenheit. Das zeigt nicht zuletzt auch der Umgang mit braunen oder schwulenfeindlichen Kameraden.

Willkür- und Vetternsystem, das niemandem nützt

Das wesentlich größere Problem liegt aber außerhalb der Bundeswehr. Sieben der neun Senatsmitglieder der MHH haben gegen die Aberkennung des Doktortitels gestimmt, nur einer dafür. Wie bitte? Von der Leyen hat laut den Plagiatsjägern von „Vroniplag Wiki“ auf 27 von 62 Seiten vorsätzlich abgeschrieben.

Für die Hochschule ist die Sache dennoch klar: Fehler sind kein Fehlverhalten. Ergo kann man nicht von vorsätzlicher Täuschung sprechen. So einfach ist es jedoch nicht. Denn die Senatsmitglieder hätten locker auch zu einem anderen Urteil kommen können. Oder besser gesagt: müssen.

Für die Hochschule ist die Sache dennoch klar: Fehler sind kein Fehlverhalten. Ergo kann man nicht von vorsätzlicher Täuschung sprechen.

Das zeigen vergleichbare Schummelarbeiten wie bei Ex-Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) oder Ex-EU-Parlamentarierin Silvana Koch-Mehring (FDP). In beiden Fällen hat die Uni den Doktortitel aberkannt und damit die politische Karriere der Schummlerinnen jäh beendet. In zahlreichen anderen Fällen hingegen hielten die Universitäten allerdings auch zu ihren Zöglingen. Ob aus falscher Loyalität, Angst vor persönlichen Konsequenzen oder oder dem Unvermögen, Fehler bei der Betreuung einzugestehen, ist schwer zu sagen.

Es spielt aber keine Rolle. Solange weder Prüfungskommissionen noch Hochschulleitungen transparent machen, wie und anhand welcher Kriterien sie zu ihrer jeweiligen Entscheidung kommen, sind Plagiatsaffären politische Überraschungseier. Mit dem Unterschied, dass die Beschenkten diejenigen kennen, die ihre Eier befüllen. Das muss sich ändern.

So sinnvoll die Autonomie der Hochschulen in vielen Punkten ist, hier verstärkt sie ein Willkür- und Vetternsystem, das niemandem nützt: Nicht den PolitikerInnen, die offensichtlich verschont werden sollen, nicht der Wissenschaft, die sich lächerlich macht, und nicht denen, die ernsthaft forschen und für die eine Doktorarbeit mehr ist als ein reines Karrieresprungbrett.

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Ralf Pauli
Redakteur Bildung/taz1
Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.
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25 Kommentare

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  • Für die Studierenden ein Schlag ins Gesicht.

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Ich habe bei meinem Abitur vor 30 Jahren auch geschummelt. Soll mir deshalb jetzt mein Abitur aberkannt werden. Was ich damit sagen will: Wenn der Titel verliehen ist, dann ist er verliehen. Wenn d. Doktorvater/mutter zu faul oder zu dumm war, ein Plagiat zu erkennen, dann darf das nicht 20 Jahre später zu Lasten der Doktoranden gehen. Was Vroniplag betreibt, ist Hexenjagd im 21. Jhd.

    • @86548 (Profil gelöscht):

      Nöö, Vroniplag holt nur die Qualitätskontrolle nach, die - aus welchen Gründen auch immer - an den Unis unterlassen wurde. Wissenschaftliche Maßstäbe ansetzen, hat rein gar nichts mit "Hexenjagd" zu tun.

  • Da hackt wieder ein Hund dem anderen keinen Floh unter den Fingernagel.

  • 3G
    31737 (Profil gelöscht)

    Die Moderation: Kommentar entfernt, bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    • @31737 (Profil gelöscht):

      ...ohne Ihnen zu tief in Letzteren schauen zu wollen : W a s wollen sie eigentlich der Welt zu wissen geben mit Ihren Beiträgen hier ?

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @31737 (Profil gelöscht):

      Ich hoffe doch in Ihrem Sinne, dass Sie wenigstens ab und an auch mal Scheiße produzieren. So nicht, werden Sie uns kaum noch lange mit Ihren sorgsamen Elaboraten beglücken können.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Wie man aus Vroniplag ableiten kann, hat sie zu Anfang ihrer Arbeit fremdgeschwallt und gegen Ende auch ein wenig. Dazwischen sind ca. 20 Seiten dem eigentlichen Thema gewidmet. Das Geschwalle ohne Quelle hat offenbar lediglich dazu gedient, der Dissertation eine gewisse Fülle zu geben, war es aber wohl nicht wert, die wissenschaftlichen Gepflogenheiten einzuhalten.

     

    Schlimmer als diese Unachtsamkeit der Frau von der Leyen ist m.E. die Willfährigkeit des Betreuers Mahmoud Mesrogli, der von ihm stammende, nicht kenntlich gemachte Textstellen offenbar hat passieren lassen. Fragt sich, ob er die Arbeit überhaupt gelesen hat?

     

    Man sollte vielleicht wirklich die Messlatte für Medizin-Doctores ein wenig höher hängen, damit der Anforderungen zur Erlangung eines Dr. med. für die Herr- und Frauschaften Mediziner dann vielleicht mal an die einer Hauptseminarsarbeit in den sogenannten Geisteswissenschaften heranreicht.

    • @849 (Profil gelöscht):

      "Man sollte vielleicht wirklich die Messlatte für Medizin-Doctores ein wenig höher hängen, damit der Anforderungen zur Erlangung eines Dr. med. für die Herr- und Frauschaften Mediziner dann vielleicht mal an die einer Hauptseminarsarbeit in den sogenannten Geisteswissenschaften heranreicht."

       

      Gute Idee :-)

  • Der Kommentar scheint mir mehr von dem Ziel geleitet, von der Leyen jetzt nicht einfach so "davonkommen" zu lassen, als sich wirklich in der Sache auseinanderzusetzen. NATÜRLICH gibt es einen Unterschied zwischen fehlerhaftem und bewusst falschem Arbeiten. Es ist der Unterschied zwischen nachweisbarem Vorsatz und mehr oder minder schwerer Fahrlässigkeit (wenn ich in einer Dissertation aus dem Werther zitiere und in die Fußnote schreibe, das Werk sei von einem gewissen "Götte", dann ist das sicher falsch, vielleicht auch dumm aber kaum als böswillig zu bezeichnen).

     

    Man mag fordern, dass die Kommission veröffentlicht, wie sie da genau differenziert hat. Aber ihre Entscheidung als inhaltlich falsch zu bezeichnen, solange das nicht geschehen ist, oder die Aberkennung des Doktortitels pauscahl auf Basis der Tatsache zu fordern, dass andere Politiker ihren ja auch nicht behalten durften, ist keine seriöse, dem wissenschaftlichen und juristischen Anspruch des Vorgangs genügende Argumentation. Nur weil SIE nicht nachvollziehn können, ob die Probleme bei Schavan, Koch-Mehrin oder zu Guttenberg wirklich das entscheidende Maß schwerwiegender waren, heißt das nicht, dass sie es NICHT waren.

  • Na ja, dann hätte man wohl 97% aller Doktortitel für Mediziner wieder einziehen müssen. Und dann? Wer krank ist, möchte schließlich zu einem Doktor gehen. Der Klempner um die Ecke würde die Leute am Ende noch heilen und darum kann es hier doch nun wirklich nicht gehen (:--|)

    • @Rainer B.:

      Genau .Das weiß eigentlich jede/r , wer es wissen will . Den "normalen" Doktor-Grad eines Mediziners zu vergleichen mit denen von Physikern , Mathematikern , Chemikern , Germanisten und selbst den von Juristen ist eine Frechheit . Und weil das auch die Mitglieder der Prüfungskommission im Falle von UvdL wissen , m u ß t e man sie mit ihrem Doktortitel davonkommen lassen .

    • 3G
      31737 (Profil gelöscht)
      @Rainer B.:

      Warum machen denn nicht endlich diese 97% Klempner ihren Doktortitel? Und Arzt ist kein Doktor!! Worin hat denn Leyen Ihren Doktortitel gemacht? Wie heilt denn der Klempner mit einem Doktortitel und warum um die Ecke, das erinnert mich irgendwie an einen Winkeladvokaten. Machen beispielsweise Rechtsanwälte auch Doktortitel? Es geht hier um Autonomie der Hochschulen und um Vergabe und Wiedervergabe des Doktortitels. Und machen sie die 97% der Götter in Weiss nicht zu Medizinern!!

      • @31737 (Profil gelöscht):

        Lesen ist offenbar nicht so ihr Ding. Haben Sie eigentlich Zugang zum Internet?

  • "So sinnvoll die Autonomie der Hochschulen in vielen Punkten ist, hier verstärkt sie ein Willkür- und Vetternsystem, das niemandem nützt: Nicht den PolitikerInnen, die offensichtlich verschont werden sollen, nicht der Wissenschaft, die sich lächerlich macht, und nicht denen, die ernsthaft forschen und für die eine Doktorarbeit mehr ist als ein reines Karrieresprungbrett." - Frau v.d.L hat es doch genützt. Darf man dem entnehmen, dass die TAZ Frau v.d.L. nicht als Politikerin einstuft, sonst ist der Satz nämlich in Bezug auf Frau v.d.L. quatsch, jedenfalls zeigt es, dass Frau v.d.L. wesentlich einflussreichere Kreise hat, ich habe aber schon damit gerechnet, denn in den letzten Monaten war es erstaunlich ruhig um das Thema.

  • 3G
    31737 (Profil gelöscht)

    Wenn sie das so sagen, dass Leyen zu Unrecht den Dr. Titel behält. Meine Kenntnisse einer "ruinösen" öffentlichen Plagiatsaffäre geht auf Guttenberg zurück. Man plagiiert, die Doktormutter berät oder urteilt, sie erhält den Doktortitel, man jagt sie erneut, eine Kommission mit sieben gegen neun entscheidet erneut für die Ostereierempfängerin. Geschenkt. Wie läuft das da bei den Akademikern. Spingsen die nie, bedienen die sich keiner Quellen, machen die alle ihren Doktortitel bei Neckermann. Warum geht die Autonomie zu weit und warum bei von der Leyen. Eigentlich warum überhaupt!?

  • Ich sach ma so, wenn mir die Köpfe in Gremien nicht passen, schaue ich, das ich selbige tausche. Passen mir die Statuten ebenfalls nicht, schaue ich, das ich zu gegebener Zeit eben beides auf Linie bringe. Oder aber, ich engagiere mich wie Frau v.d.Leyen an der MHH in Kuratorien, habe quasi Verwandtschaft dort hochrangig sitzen und "löse" so eben zumindest diesen Konflikt um den Doktorentitel auf meine demokratische Weise.

  • "Für die Studierenden und Professoren der Bundeswehruniversitäten kann das nur eines bedeuten: Wenn sie wissenschaftliches Arbeiten ernstnehmen.."

     

    Selten so gelacht!

  • Hallo, es handelt sich um einen Doktor der Medizin. Was erwartet ihr? Die meisten DR med. haben die Doktorarbeit geschrieben, bevor sie das Staatsexamen abgelegt haben. Vonwegen wissenschaftlich oder so gab es dort noch nie!

  • Wem kann man in der heutigen Zeit noch vertrauen?

     

    Was heißt hier "in heutiger Zeit"? War das jemals anders?

  • 3G
    33079 (Profil gelöscht)

    Letztendlich ist es jenseits des akademischen Disputs unerheblich, ob eine Frau Dr. v.d. Leyen oder 'nur' eine Frau v.d. Leyen Kriegstreiberin ist.

    • @33079 (Profil gelöscht):

      Sie hätte womöglich nicht Ministerin bleiben können. Insofern wäre das doch erheblich, ob Aberkennung oder nicht.

      Auf die Kriegstreiberei hätte es wohl kaum einen Einfluss, denn es kommt der Nächste und macht da weiter.

  • Bedenkt man, daß in vielen Prüfungen zunehmend nicht mehr das Wissen der Prüflinge bewertet wird sondern genau genommen der Funktionsumfang einer Armbanduhr mit Mikroposzessor und Internetverbindung, dann ist die Nichtaberkennung eines Doktortitels im Fall von Plagiatie eigentlich nur die Verwirklichung eines Gleichbehandlunggrundsatzes. Fatal daran ist, das es innerhalb der Bevölkerung zwangsläufig auch unerwünschte Gleichsetzungen fördert, z. B. Doktor gleich Hochstapler. Und das diskriminiert dann pauschal alle, die ihren Doktortitel mühsam erarbeitet und nirgend abgekupfert haben.

  • Leyens Arbeit is eine experimentelle naturwissenschaftliche Arbeit. Der experiementelle Teil ist ok und das ist der Hauptteil. Guttenbergs Arbeit war geisteswissenschaftlich. Da zogen sich die Plagiate von vorne bis hinten.

    • @Gabriel Renoir:

      Sehr richtig. Und wie später noch vor Gericht festgestellt wurde, war selbst das abgeschriebene nicht ausreichend relevant um den Original-Authoren einen Urheberrechtlichen Schutz zuzugestehen.