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Kommentar Visegrad-TreffenMitteleuropa hat Angst

Kommentar von Alexandra Mostyn

Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei wollen keine europäische Quote für Flüchtlinge. Die Visegrad-Gruppe wird zum Spaltpilz der EU.

Verschworen gegen Brüssel: Ungarns Ministerpräsident Viktor Órban. Foto: reuters

A ls sich die Präsidenten der Tschechoslowakei, Ungarns und Polens am 15. Februar 1991 auf der ungarischen Burg Visegrad trafen, verfolgten sie ein gemeinsames Ziel: den Weg in die NATO und in die EU zu schaffen. Genau 25 Jahre später gilt Visegrad als Spaltpilz der Union. Das Prager Treffen zeigte: die vier Visegrad-Staaten trauen Merkel und der EU nicht mehr, die Flüchtlingskrise zu lösen. Die Unterstützung, die das Treffen der vier mitteleuropäischen Staaten Brüssel ausgedrückt hat, ist nicht mehr als ein Lippenbekenntnis.

Dieses ist verbunden mit einer Warnung: Tastet ja nicht die souveränen Kompetenzen der EU-Mitgliedsstaaten an, so der Klartext der Erklärung, die am Montag verabschiedet wurde. Das ist ein erneutes klares Nein zur Quote und einer gesamteuropäischen Lösung der Flüchtlingskrise und ein ebenso klares „Ja“ zur Schließung der Balkanroute.

Mitteleuropa hat Angst. Was, wenn Deutschland und Österreich ihre Grenzen dicht machen und den Flüchtlingsstrom plötzlich nach Tschechien, Polen, Ungarn oder in die Slowakei umleiten? Innenpolitisch würde das für die Regierungen dieser Länder, in denen bis zu 80 Prozent der Bevölkerung gegen eine Aufnahme von Flüchtlingen sind, eine Katastrophe bedeuten.

Aber auch wenn es auf den ersten Blick in Prag nicht so aussah: die Visegrad-Gruppe ist gespalten. Im Gegensatz zu Ungarns Viktor Orbán und Polens Jaroslaw Kaczynski, die sich gegenüber Brüssel die Stange halten wollen und im Gegensatz zum slowakischen Robert Fico, der sich gerade bemüht, auf dem Rücken der Flüchtlingspolitik bei den anstehenden Wahlen eine absolute Mehrheit zu erringen, hofft Tschechiens Bohuslav Sobotka, die Krise weiterhin in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung zu lösen.

Nur: wie lange noch? Schon im Vorfeld des Treffens hat Präsident Tschechiens Präsident Milos Zeman der Regierung Sobotka den offenen Krieg erklärt, als er nach einem Führer rief, der die Flüchtlinge aufhalten würde. Ein Ende der Regierug Sobotka wäre aber nur ein weiterer Sargnagel für die EU.

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Auslandskorrespondentin Tschechische Republik
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21 Kommentare

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  • Über wie viele Menschen reden wir hier eigentlich insgesamt im Verhältnis zur EU-weiten Bevölkerung? Bloß weil ein paar Leute wegen ein paar Leuten durchdrehen, schwankt Europa. Aha. Dieses Projekt wird ganz offensichtlich längst von Rechtsextremen beherrscht, sonst wären die PolitikerInnen nicht so feige bzw. aggressiv. Wer Europa und seine angeblichen (angeblichenen?) Werte wegen Rechter Schreihälse verrät, was ist der eigentlich?

    • @Karl Kraus:

      Ein Depp?

  • "Die Visegrad-Gruppe wird zum Spaltpilz der EU."

    War sie das nicht von Anfang an? Man kann sich doch des Eindrucks nicht erwehren, dass Polen, Ungarn, Tschechien und die Slowakei der EU nur deshalb beigetreten sind, um dann umso besser ihr eigenes Süppchen kochen zu können. Die Bemühungen mit dem sogenannten Austerlitz-Format den Einfluß innerhalb der EU durch Einbeziehung Österreichs und Sloweniens noch weiter auszubauen, scheiterte bislang kläglich an der kleinkarierten Nationalstaatlichkeit Ungarns und Polens. Auch hier möchte man zwar gern einen gemeinsamen Machtblock bilden, aber natürlich nur zum Zwecke der Durchsetzung nationaler Einzelinteressen. Das sowas nicht immer und nicht unbedingt gut funktioniert, erleben wir doch bereits täglich bei dieser seltsamen "Union" aus CSU und CDU. Da werden im Eifer des Gefechts schnell mal welche zu ihren eigenen erbitterten Gegnern, ohne es überhaupt noch zu merken.

  • Ungarn und Polen sind in den letzten Jahren innenpolitisch stark nach rechts gerückt. Außerdem in den beiden Ländern sind sehr viele Menschen arm. Darum versuchen viele in den den wirtschaftsreichen EU Ländern wie Deutschland legal oder illegal zu arbeiten oder hin zu migrieren. Dazu können statistische Daten gern erhoben werden. Das ist irgend wie ironisch: Polen und Ungarn wollen keine Fremden also Flüchtlinge bei sich haben aber die Menschen, die in diesen Ländern nicht leben wollen, sind eigentlich schon quasi wie Flüchtlinge!

  • Ein praktisches Problem was wird getan wenn diese Staaten zustimmen würden und ein Flüchtling von der Slowakei wieder nach Deutschland geht?? in der Slowakei ist die Durchschnittsrente bei 250 euro dort können niemals solche Verhältnisse wie in Deutschland für die Flüchtlinge geschaffen werden.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Etwas konfus, der Kommentar.

    "Das Prager Treffen zeigte: die vier Visegrad-Staaten trauen Merkel und der EU nicht mehr, die Flüchtlingskrise zu lösen. Die Unterstützung, die das Treffen der vier mitteleuropäischen Staaten Brüssel ausgedrückt hat, ist nicht mehr als ein Lippenbekenntnis."

    Was jetzt?

    Diejenigen, die Merkels Flüchtlingspolitik torpedieren, trauen ihr nicht mehr zu, das Problem zu lösen? Soll sie das denn gegen die Widerstände aus den Visegradstaaten alleine stemmen?

    • @571 (Profil gelöscht):

      Orban hat ja keinen Zweifel daran gelassen, dass er die gegenwärtige Flüchtlingskrise für ein rein deutsches Problem hält. Die Erwartung, Merkel möge gefälligst die Flüchtlingskrise lösen, hat doch wieder mal schwer was von BSE. Die gesamte Journaille hat diesen Quatsch bereits übernommen und alles schaut jetzt gespannt darauf, wie Merkel die Flüchtlingskrise wohl löst. Blöder geht doch gar nicht mehr!

  • Mitteleuropa? Hab ich da was nicht verstanden. Wer hat nun Angst: Tschechien, Polen, Ungarn, Slowakei (also OSTeuropa) oder Mitteleuropa?

    • @Konsumkillt:

      Mitteleuropa unmfasst auch diese Länder, und auch Slowenien. Osteuropa beginnt erst östlich davon, also Ukraine, Weißrussland, Russland und die baltischen Staaten. Das östliche Mitteleuropa als Osteuropa zu bezeichnen ist ein Linguistik-Zombie aus der Zeit des Kalten Krieges.

    • @Konsumkillt:

      Du hast etwas nicht verstanden. Schau mal bei Wikipedia nach, wie Mitteleuropa definiert wird.

  • Die mehreren 100.000 geflohenen Ukrainer in Polen und anderen Nachbarländern werden hier vergessen.

  • "dieser Länder, in denen bis zu 80 Prozent der Bevölkerung gegen eine Aufnahme von Flüchtlingen sind"

     

    Ich vermute, dass in den Geberländern innerhalb der EU, die ja seltsamerweise tendenziell auch zu den Flüchtlingsaufnahmeländern zählen, ein ebensogroßer Teil der Bevölkerung dafür stimmen würde, dass Länder, die sich an der Bewältigung der Flüchtlingskrise nicht beteiligen wollen, eben auch nicht mehr EU-Förder- und Ausgleichsgelder bekommen sollten.

     

    Es ist diese Rosinenpickerei, die manch einen nervt. Fördergelder nehmen sie gerne, aber wehe es geht darum etwas zu geben. Wenn sie sich nicht an der Bewältung von Problemen beteiligen wollen, dann steht diesen Ländern frei, sich wieder Russland anzuschließen.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Ich glaube, daß noch in dieser Woche das Ende dieser EU beschlossen wird. Es müssten sich zu viele Politiker mit ihren rechts-nationalen Wählerrucksäcken um 180 Grad drehen. Die Warscheinlichkeit dafür ist Null.

    Ein Gutes hat es dennoch: Dann ist auch CETA und TTIP gestorben.

    • @4932 (Profil gelöscht):

      Das Ende der EU? Das glaube ich nicht. Dadurch würden doch die ganzen EU-Subventionen wegfallen, oder meinen Sie, das z.B. die polnische Wirtschaft diesen Einnahmenwegfall kompensieren könnte? Da wäre aber ratzfatz die Infrastruktur wieder auf einem Stand von vor 1990.

      • 4G
        4932 (Profil gelöscht)
        @anteater:

        Dann skizzieren Sie doch einmal, wie die derzeitige Lage repariert werden kann?

        Herr Asselborn hat schon angedeutet, daß finanzielle Auswirkungen durchaus in Erwägung gezogen werden müssen. Und so wie sich Assad, Obama und Putin verhalten, werden die armen Flüchtlinge erstmal nicht weniger, die Lage wird sich bestimmt nicht ändern.

        Schreiben Sie, wie Sie denken, daß die Visegrad-Herrschaften wieder mit Deutschland und der NachfolgerIn von Frau Merkel auf einen Nenner kämen? Ich wäre neugierig.

        • @4932 (Profil gelöscht):

          Gerne würde ich Ihnen meinen Plan skizzieren, doch muss ich anderweitig meinen Lebensunterhalt bestreiten. Wenden Sie sich doch bitte an jene Menschen, die wir dafür bezahlen, sich hier sinnvolle, durchführbare Maßnahmen auszudenken. Nein, ich habe auch keine Hoffnung, dass Sie da etwas erreichen werden.

           

          EU-Mitglieder, die sich nur die Rosinen rauspicken, braucht man nicht, in keiner Gemeinschaft.

  • Als sich die Präsidenten der Tschechoslowakei, Ungarns und Polens am 15. Februar 1991 auf der ungarischen Burg Visegrad trafen, hatten sie eine gemeinsame Vision von der EU. Eine Vision, die zur Realität von 2016 einfach nicht zu passen scheint. Im Gepäck hatten sie den Auftrag ihrer Wählern, möglichst rasch möglichst viel materiellen Wohlstand in den ökonomisch abgehängten Osten Europas zu bringen. Die EU war in den Augen der Präsidenten und ihrer Völker genau die Wirtschafts- und Währungsunion, als die sie konzipiert worden war von den westlichen Regierungen. Dass sie auch eine Solidargemeinschaft ist, war so nicht abgemacht – und ist im Übrigen bis heute nichts, worin sich westliche Regierungschefs schon einig wären. Ich brauch nur "Griechenland" zu sagen, dann wissen taz-LeserInnen, was ich meine.

    • @mowgli:

      "Griechenland". Ja, ich weiß was Sie meinen. Großbanken, unter anderem die Deutsche Bank, haben da zu erhöhten Zinsen ob des erhöhten Risikos Geld geliehen. Stimmt, eigentlich war die EU gar nicht dafür gedacht, dass wir Banken retten. Und auch nicht dafür, dass wir Staaten quasi sturmreif sparen lassen, so dass die lukrativen Unternehmen schön von ausländischen Investoren übernommen werden können. Und so dass die gut Ausgebildeten ihre Heimatländer verlassen müssen, woraus folgt, dass in den Herkunftsländern tatsächlicher Mangel an Fachkräften besteht und wir hier auch von griechischen und spanischen Ärzten behandelt werden können, weil wir offenbar nicht genug Ärzte ausbilden wollen (ist ja teuer, nicht wahr).

       

      Ein Staatenzusammenschluss, egal ob als Bundesrepublik oder EU, funktioniert eben nur, wenn auch ein gewisses Maß an Solidarität besteht. Es bringt nichts, einzelne Regionen ausbluten zu lassen.

       

      Und nochmal zu Griechenland. Das von den Krediten mit der Auflage dann deutsche U-Boote zu kaufen, das wissen Sie auch, oder? Das ist ja eine Art Subventionierung unserer Rüstungsbetriebe, die eben über den Umweg der als Griechenlandrettung getarnten Bankenrettung dann doch vom hiesigen Steuerzahler bezahlt wird. Schuld sind natürlich immer die Anderen!

      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @anteater:

        "Ein Staatenzusammenschluss, egal ob als Bundesrepublik oder EU, funktioniert eben nur, wenn auch ein gewisses Maß an Solidarität besteht."

        Da fällt einem doch schon wieder dieser Querulant aus München ein, der ständig am Länderfinanzausgleich rummeckert, bzw. gegen diese Erungenschaft klagen will. Solidarität ist nicht seine Stärke.

        • @571 (Profil gelöscht):

          Dabei ist seine christliche Union doch auch noch sozial. Zum Glück ist der Querulant aus München eigentlich Ingolstädter und nicht Münchner (wie ich).

          • 5G
            571 (Profil gelöscht)
            @anteater:

            Pst.

            Wollte keine genaue Herkunft nennen.