Kommentar Vermögen in Deutschland: Parallelwelt der Reichen
Viele Deutsche glauben, dass sich Leistung lohnt. Doch die Zahlen zur Vermögensverteilung zeigen: Deutschland ist eine brutale Klassengesellschaft.
Die Reichen werden reicher, die Mittelschicht verliert. Die Zahlen, die gerade für mediale Aufregung sorgen, sind zwar nicht taufrisch. Aber man kann es nicht oft genug sagen: In Deutschland besitzen die obersten 10 Prozent mehr als die Hälfte des Volksvermögens. Gleichzeitig hat die ärmere Hälfte nichts. Viele Deutsche glauben zwar, dass sich Leistung lohnen würde. Doch Deutschland ist eine brutale Klassengesellschaft.
Es ist sogar noch schlimmer, als es die offiziellen Zahlen zeigen. In Wahrheit dürften die obersten 10 Prozent über mindestens 62 Prozent des Volksvermögens verfügen – und das reichste Hundertstel dürfte bereits ein Drittel aller Besitztümer kontrollieren. Genaues weiß man nicht: Reichtum ist anonym in Deutschland.
Sicher ist nur, dass die Daten des Arbeitsministeriums nicht viel taugen, die jetzt zirkulieren. Sie beruhen nämlich auf der „Einkommens- und Verbrauchsstichprobe“ des Statistischen Bundesamtes. Diese Erhebung ist zwar oft nützlich, hat aber eine Lücke: Es werden keine Haushalte befragt, die über ein monatliches Nettoeinkommen von mehr als 18.000 Euro verfügen. Absurdes Resultat: Die Reichen nehmen an der Erhebung nicht teil, die angeblich Erkenntnisse über die Reichen liefern soll.
Diese Datenlücken könnte man schließen – mit einer Vermögenssteuer, die alle Besitztümer vollständig erfasst. Genau deswegen gibt es diese Steuer nicht, denn die Reichen wollen anonym bleiben. Es soll nicht auffallen, dass sie sich in eine Parallelwelt zurückgezogen haben. In eigene Viertel, Schulen, Clubs.
Die Reichen haben sich längst aus der deutschen Gesellschaft verabschiedet, während vor allem die Mittelschicht die Lasten trägt. Aber Protest? Nein, danke. Auch die Mittelschicht ist mehrheitlich gegen eine Vermögenssteuer. Offenbar glauben viele immer noch, dass sie irgendwann auch zu den Millionären zählen könnten. Träumt weiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP