Kommentar Racial Profiling in Köln: Psychologische Abschreckung
Die Kölner Polizei kontrolliert in der Silvesternacht Menschen nach ihrer Hautfarbe. Festhalten ist zwar keine Strafe, aber es wirkt wie eine.
V ielleicht war es richtig, dass die Polizei in der Silvesternacht in Köln Menschen nach ihrer Hautfarbe sortierte und nur solche kontrollierte, die nicht weiß sind. Denn die Polizei hat vor einem Jahr die Erfahrung gemacht, dass Hunderte Männer sich an Frauen vergriffen, und die meisten Täter passten damals in das grobe Schema der nordafrikanischen oder arabischen Migranten. Die Ereignisse dieser Nacht durften nicht ohne Konsequenzen bleiben.
Trotzdem hinterlässt es einen fatalen Eindruck, wenn Beamte nach einem kurzen Blick ins Gesicht per Fingerzeig festlegen, wer zu den Verdächtigen und wer zu den Unverdächtigen gehört. So stigmatisiert man ganze Bevölkerungsgruppen.
Festhalten und kontrollieren sind zwar keine Strafen, aber sie wirken wie Strafen, weil die Betroffenen nicht wie alle anderen ausgelassen Silvester feiern konnten, sondern wie Kriminelle behandelt wurden. Racial Profiling diskriminiert und spaltet die Gesellschaft, und gleichzeitig besteht die Gefahr, dass weiße Täter eher übersehen werden.
So problematisch die gesonderte Behandlung für die nordafrikanischen Migranten war: In diesem Jahr gab es dazu wenige Alternativen. Ein Szenario wie in der Silvesternacht 2015 musste verhindert werden, denn der Staat darf es nicht hinnehmen, dass öffentliche Orte zu Angsträumen werden. Die Polizei wäre überfordert gewesen, jeden Einzelnen individuell im Blick zu behalten. Also hat sie auf psychologische Abschreckung gesetzt, indem sie vorsorglich kontrollierte.
Wichtig ist bei einem solchen Verfahren jedoch, die Unschuldsvermutung zu betonen. Genau dies hat Polizeipräsident Jürgen Mathies aber nicht getan. Er erklärte, man habe 150 Schwarzafrikaner im Bahnhofsumfeld beobachtet, ohne zu erwähnen, was diesen Menschen angelastet wurde. Damit erzeugt er den Eindruck, schon die Hautfarbe sei ein Vorwurf. Diesen Anschein muss die Polizei unbedingt vermeiden.
Update 05.01. 12 Uhr: In diesem Text war an einer Stelle von „Sonderbehandlung für die nordafrikanischen Migranten“ die Rede. Wir haben den Begriff ersetzt, da er im Nationalsozialismus euphemistisch für die Ermordung von Menschen verwendet wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut