Kommentar Förderstopp für Linken: Jugend schützen, nicht die AfD

Jugendprojekte laufen immer wieder gegen bürokratische Wände. Da ist es nicht verwunderlich, dass es immer mehr Neonazis auf dem Land gibt.

Ein grüner Handabdruck an einem Zaun aus Birkenholz

Gerade auf dem Land sind Jugendprojekte wichtig, um Nazis nicht freie Hand zu lassen Foto: taz

Dass die sterbende Jugendkultur auf dem Land ein großes Problem ist, ist lange bekannt. Doch an der Förderpraxis für offene Kinder- und Jugendarbeit ändert das wenig. Als könnten Bushaltestellen einen Jugendclub ersetzen, nur weil dort immer weniger Busse halten.

Wenn ein neues Jugendprojekt entsteht, muss es sich erst einige Jahre bewähren, bevor es Anspruch auf Finanzierung bekommt – durch ehrenamtliche Arbeit. Das führt nicht selten dazu, dass Verwaltungen mit der Förderung erfolgreicher Projekte so lange warten, bis die durch mangelnde finan­zielle Unterstützung wieder eingegangen sind.

Wenn Jugendarbeitende Glück haben, werden sie für ihre Arbeit mit Lob überschüttet und kämpfen gleichzeitig gegen die bürokratischen Hürden einer ungnädigen Verwaltung. Das Lob bekommen sie gratis, können aber die Miete für die Räume nicht zahlen. Wenn sie richtig Pech haben und in Sachsen Jugendarbeit machen, kriegen sie für ihre zivilgesellschaftliche Arbeit vom Amt noch einen Tritt hinterher, weil man lieber die AfD vor Kritik schützt als Jugendliche vor der AfD.

Nur selten werden für zusätzliche Jugendprojekte auch mal mehr Finanzmittel zur Verfügung gestellt: Bis zur nächsten Wahl müssen die Töpfe für die bestehenden Projekte reichen. Diese Praxis führt dazu, dass sich bereits anerkannte freie Träger über Neue im Fördertopf nicht immer freuen. Es ist schließlich ihr Stück vom Kuchen, das dann kleiner wird.

Nazis sind sehr unbürokratisch und freuen sich immer über Nachwuchs

Wenn hochgelobte Projekte immer wieder gegen bürokratische Wände laufen, ist es nicht verwunderlich, dass Kleinstädte langsam aussterben oder es immer mehr Neonazis auf dem Land gibt: Die sind nämlich sehr unbürokratisch und freuen sich immer über Nachwuchs. Und wenn Liberale das Land Richtung Stadt verlassen, weil es keine Angebote außer der Rechtsrock-Kneipe gibt, bleiben eben jene zurück, die schon heute ihr Auge auf die offene Kinder- und Jugendarbeit geworfen haben: die AfD und ihre Wähler. Besonders im ostdeutschen Wahljahr 2019 ist das verheerend.

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Helke Ellersiek, Jahrgang 1994, studiert Politikwissenschaft in Leipzig und schreibt seit 2015 für die taz, zunächst als NRW-Korrespondentin und später im Team der taz.Leipzig. Seit 2017 berichtet sie für verschiedene Medien aus Ostdeutschland.

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