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Kommentar Erdoğans Krieg gegen KurdenPutin statt Nato

Kommentar von Wolf Wittenfeld

Die Türkei rückt durch den Sturm auf Afrin noch näher an Russland heran. Für die Menschen in Syrien ist der Einmarsch ein Desaster.

Brüder im Geiste: Putin (l.) und Erdoğan am 11. Dezember 2017 in Ankara Foto: ap

I n Syrien hat eine neue Phase des Krieges begonnen. Es geht darum, wer langfristig welchen Teil des Landes kontrolliert und welche Allianzen sich nach dem Krieg gegen den „Islamischen Staat“ bilden. Mit dem Einmarsch türkischer Truppen in Afrin machte Erdoğan seine Drohung wahr, dass er das kurdisch-syrische Autonomiegebiet gewaltsam verhindern wird. Der letzte Auslöser für den Einmarsch war die Ankündigung aus Washington, man wolle auch langfristig mit der kurdischen YPG-Miliz zusammenarbeiten, um das eroberte Gebiet um Rakka und entlang des Euphrats bis an die irakische Grenze abzusichern.

Aus Sicht der Türkei entscheiden sich die USA damit strategisch gegen einen Nato-Verbündeten, der sich von ebendieser kurdischen YPG bedroht sieht. Neben der militärischen Reaktion vollzieht sich hinter den Kulissen auch ein politischer Wechsel. Die türkische Regierung rückt noch einen Schritt näher an Russland heran.

Denn möglich wurde der Einmarsch in Afrin nur, weil Putin grünes Licht gegeben hat. Nachdem die Kurden sich jetzt scheinbar dauerhaft an die USA gebunden haben, tut Putin das, was Erdoğan immer von Trump gefordert hatte: Er lässt die Kurden zugunsten der Türkei fallen.

Noch ist in keiner Weise absehbar, was bei dem türkischen Feldzug am Ende herauskommt – außer vielen Toten unter der kurdischen Zivilbevölkerung. Politisch ist der Einmarsch die letzte Konsequenz der verweigerten Friedensverhandlungen mit der PKK. Doch das wird den Konflikt nicht lösen.

Selbst wenn Erdoğan die YPG aus ihrem westlichsten Zipfel, Afrin, vorübergehend vertreiben kann, schon beim nächsten anvisierten Ziel, der Region Manbidsch, ist Schluss, weil dort neben den Kurden auch US-Truppen stationiert sind. Für die Menschen in Syrien ist es ein Desaster, zeigt es doch, dass der Krieg noch lange weitergehen wird und jetzt auch die Teile im Norden des Landes, die als sichere Rückzugsgebiete galten, wieder zur Kriegszone werden.

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24 Kommentare

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  • Empfehle dazu den Film "Milan-Protokoll", der ähnliche Konflikte weiter östlich im kurdischen Nordirak abbildet. Läuft gerade an, verbindet unterhaltsame Eindrücke mit background infos.

  • Ein NATO-Mitglied rückt im von Russland unterstützten Syrien ein. Ob die Türkei sich ein Stück Syrien einverleiben wird, bleibt abzuwarten. Was soll daran das Interesse Russlands sein? Was ist das Interesse der NATO, dass ein Teil Syriens vom NATO-Partner "befreit", zerschossen oder besetzt wird? Wie hält die NATO es mit den Kurden, wenn sie mal nicht als Kämpfer gebraucht werden?

    • @Lieblich:

      Und? Was sind Ihre Antworten?

  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Es war ja wohl von vorherein klar, dass die Amerikaner die Kurden nur als Kanonenfutter verwenden würden.

    Ideologisch liegen Welten zwischen der Administration Trump und der YPG, selbst wenn es vor Ort im Felde und in den Bergen wohl eine reelle Waffenbrüderschaft mit den amerikanischen Soldaten gibt. Aber das zählt nicht, die Amerikaner brauchen die Türken mehr im Nahen und Mittleren Osten als umgekehrt.

    • @82236 (Profil gelöscht):

      Aber das war doch schon immer so, auch wenn man keine anderen Interessen als seine Schutzmacht hat.

       

      Il n'y avait même pas quelque chose avec les Harkis? Denn für die galt nicht: Qui sait si l’inconnu qui dort sous l’Arche immense, Mêlant sa gloire épique aux orgueils du passé,

      N’est pas cet étranger devenu fils de France. Non par le sang reçu mais par le sang versé?

       

      Die hat die Republik auch zu tausenden als sie unnötig wurden im Stich gelassen und etwa 10.000 sterben lassen.

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @Sven Günther:

        C'est vrai! N'empêche, cela ne justifie nullement le comportement américain.

         

        De Gaulle wusste, dass er die Harkis der FLN ans Messer geliefert hat und die, die sich nach Frankreich haben retten können, wurden erbährmlich schlecht behandelt. Eine Schande für Frankreich.

        Man sollte auch nicht die afghanischen Übersetzer vergessen.

        • @82236 (Profil gelöscht):

          Richtig, da hat auch die Bundesrepublik mal wieder ihre ganze Treue gezeigt.

           

          Aber Afghanistan war ja auch praktisch befriedigt, sonst hätten wir uns ja nicht zurückgezogen. Da kann man nicht zugeben, daß den eigenen Helfern der Tod droht...

  • Es ist wirklich schmerzhaft daran zu denken, dass ausgerechnet der einzige Teil Syriens ohne Kriege, ohne Zerstörung, ohne Terror durch Jihad und internationale Söldner jetzt zur Kampfzone durch 'unseren' NATO-Verbündeten Türkei wird.

     

    Und mit dieser Aktion wird die Gewalt wieder in Schwung kommen, man muss nur in den sozialen Medien sich anschauen, wie da sich die Nusra-Front heiß läuft, um alle(s) zu töten, die sie in Afrin finden.

     

    Und ich sah eine arabische Frau auf einer Demo in Afrin: Selbstbewusst mit Make-Up und Kopftuch sprach sie, erklärte, was sie denkt und das in Syrien! Wo sonst wurden Frauen so behandelt wie in diesem Teil des Landes.

     

    Ich wünsche mir, dass Frieden in Syrien herrscht - dieses Land ist ein Beispiel für den Kampf der Islamisten mit ihren Pedor-Dollars und ihren kranken, inhumanen Vorstellungen von Religion und Politik und von einer Türkei, die Krieg mit Kurden betreibt und die Demokratie demontiert.

     

    Ich bin kein Fan der PKK, aber Afrin war auch nie ein PKK-Staat, sondern es war ein Teil Syiren, wo sehr viele Araber in Frieden gelebt haben, viele als Flüchtlinge, wo man alles teilte, damit Menschen dort überleben konnten.

     

    Und nun muss für meinen Teil Siegmar Gabriel mal rausrücken was beim Cay in Goslar besprochen wurde! Deutschland darf solche Aktionen niemals mittragen, nicht mal tolerieren.

     

    Und Merkel sollte diese Invasion nach Syrien heute verurteilten und zu sofortigem Waffenstillstand aufrufen.

     

    Wenn es stimmt, hat Frankreich bereits klar Frieden und Waffenstillstand in Afrin verlangt, weil Macron nicht als Verbündeter Erdogans darstehen will - er will sich das nicht gefallen lassen, hier eine Kumpanei betrieben zu haben, unter der jetzt schon kurdische und arabische Zivilisten leiden - das sollte für diese Bundesregierung reichen, das können sie auch.

  • Die Kurden brauchen eine eigenen Staat.

     

    Die Türken wollen das nicht zulassen - warum eigentlich?

    • @Justin Teim:

      Ist die Frage ernst gemeint?

  • "Er [Putin] lässt die Kurden zugunsten der Türkei fallen"

     

    Wie kann man etwas fallen lassen, das man nicht in der Hand hat ?

    Mit der Entscheidung der syrischen Kurden, dauerhaft die Rolle eines US-Proxies in Syrien zu übernehmen (https://www.taz.de/A...74706&s=syrien/) haben sie sich in die Hände der USA begeben. Und genau von denen werden sie jetzt fallen gelassen.

  • 4G
    42494 (Profil gelöscht)

    Wer liefert denn die Waffen an die Türken?

    Wer hat ein Interesse daran, dass der Umsatz nicht stagniert?

    Kleine Hilfestellung, ist eine Dame die um eine Regierung kämpft einschliesslich ihrer Vasallen.

    • @42494 (Profil gelöscht):

      Im Interesse Deutschlands undderKanlerin liegt,dass dort Ruhe herrscht. Allen die Flüchtlinge osten Deutschand Miliaden und brigen eine Reihe politischer Probleme.

       

      Die paar Milliönchen aus den Waffenverkäufen wiegt das nicht auf. Außerdem kauft die Türkei sowieso derzeit lieber in Russland.

  • Die Türkei ist Mitglied der NATO! Die USA sind Mitglied der NATO, Deutschland ist Mitglied der NATO. Entweder ist der Einmarsch mit den Kriegsbündnispartnern (NATO) abgesprochen worden, dann ist das der eigentliche Skandal, oder die Türkei hat eigenmächtig, ohne jede Rücksprache gehandelt.

    • @Sandor Krasna:

      absprechen brauchen die Verbuendeten nur eine Abwehr, nicht einen Eimarsch in ein Land, das kein NATO-Mitglied angegriffen hatte (siehe Irakkrieg)

      • @Slimak:

        Sie wissen aber auch, dass die YPG von den USA unterstützt werden, sich vermutlich Ausbilder, Berater und Kontaktleute der Amerikaner in diesem Gebiet befinden, und es ohne Rücksprache dazu kommen kann, dass das NATO-Mitglied Türkei auf Militär- und Geheimdienstangehörige des NATO-Mitglieds USA schießt. Und um die Verwirrung perfekt zu machen lässt man die FSA auch noch mitmischen, und fährt deutsche Panzer. Wenn es da keine Abmachungen gab, weiß ich auch nicht.

        • @Sandor Krasna:

          Es gibt öfters Tote durch friendly fire, alleine im Krieg in Afghanistan sind 27 Tote Europäer, Amerikaner, Kiwis und Australier durch verbündete Truppen getötet worden, Verletzte und Afghanen nicht mitgezählt. Und darüber hat sich praktisch keiner aufgeregt!

        • @Sandor Krasna:

          "... um die Verwirrung komplett zu machen ..."

           

          Vom NATO-Stützpunkt Incirlik starten z.Zt. US-Bomber in Richtung Osten um gemeinsam mit der YPG gegen die Reste des IS an der irakischen Grenze zu kämpfen und türkische F-16 in Richting Westen um die YPG in Afrin zu bombardieren.

  • Die YPG hat sehr wirksam gegen den sogen. IS mithilfe der USA gekämpft. Nun lässt Trump die YPG im Stich und überlässt mit stillem Einverständnis auch der EU Afrin der türkischen Gewaltherrschaft mit voraussichtlich vielen Opfern in der kurdischen Zivielbevölkerung.

     

    Und die taz macht daraus eine Putin-Story. So einfach teilt man die Welt in schwarz und weiß.

  • Hier versucht sich mal wieder jemand in der Quadratur des Kreises, indem Putin als einzig verantwortlicher Buhmann für den Einmarsch der Türkei nach Syrien dargestellt wird. Bevor Putin resigniert sein okay für die Türkei gab, war die Sache zwischen der USA, der EU und den anderen NATO-Partnern längst besiegelt.

    • @Khaled Chaabouté:

      Vielen Dank für die tiefen Einblicke in Putins Seele, sicherlich gut recherchiert und durch Zeugen abgesichert, nehme ich an.

    • @Khaled Chaabouté:

      ach je, der arme Putin. Durch die EU, USA und NATO (aka das Böse) gezwungen die Kurden fallen zu lassen.

      Der kann einem echt leid tun.

      • @nutzer:

        Nein, nicht Putin könnte einem leid tun, sondern die Menschen in den kurdischen Gebieten Syriens, die erst funktionalisiert und dann fallengelassen wurden.

        • @Khaled Chaabouté:

          „Bevor Putin resigniert sein okay ...“

           

          Der große Resignator?!

           

          Deswegen die Botox-Ausstrahlung?