Kolumne Habibitus: Peak White Feminism

Taylor Swift will mit ihrem neuen Disstrack aus der Opferrolle raus, aber Opfer ist ihr Lifestyle – wenn sie nicht gerade langweilige Referenzen furzt.

Taylor Swift singt

Sängerin Taylor Swift performt am 5. 2. 2017 in Houston, Texas Foto: dpa

Noch vor Alice „Rassismusvorwürfe sind Rufmord“ Schwarzer und Lena „In meinem Brooklyn gibt es keine Schwarzen Menschen“ Dunham verkörpert Taylor „Ich bringe meine eigenen Fans wegen Fanartikeln vor Gericht und trademarke allgemeine Formulierungen“ Swift weißen Feminismus, denn sie ist das maximale Opfer.

Als sie 2009 auf den VMAs Be­yoncé den Preis wegschnappte, unterbrach Kanye West ihre Rede, um diesen Missstand zu markieren. Klar ist Manterrupting frustrierend, aber der Mann hatte recht: Beyoncé bockt Todes, Swift bockt minus (sie bockt also nicht nur nicht, in welchem Fall sie ein neutrales Gefühl hinterlassen würde, während Be­yoncé für positive Laune sorgt, sondern sie verschlimmert den Lustpegel).

Einmal grätschte Swift der Rapperin Nicki Minaj in die Twitter-Mentions, die rassistische und sexistische Strukturen bei ebensolchen Preisverleihungen kritisierte. Swift fühlte sich davon angegriffen und war erschrocken über Minajs „Verrat“.

Letztes Jahr kam das „Alle diffamieren Taylor“-Narrativ auf seinen Peak, als West auf dem Track „Famous“ die Zeile „I feel like me and Taylor might still have sex. Why? I made that bitch famous“ brachte. Swifts große Empörung darüber erstarrte, als Kim Kardashian-West ein auf­genommenes Telefonat zwischen ihrem Mann und Swift leakte, in dem sie diese Zeile absprechen.

Andere können immerhin dissen

Damit kokettiert sie in ihrem neuen Musikvideo zur Single „Look What You Made Me Do“, einem acht Jahre späten Disstrack, der weder knallt noch originell ist. Auf dem Rücken ihrer ohnehin irrelevanten Exfreunde und Frauen of Color furzt sie langweilige Referenzen: Sie liegt etwa in einer Wanne voller Diamantenschmuck und bezieht sich auf den Einbruch in Kardashian-Wests Wohnung in Paris, bei dem sie gefesselt im Badezimmer eingesperrt und ihr Schmuck im Wert von sieben Millionen Dollar geraubt wurde.

Ähnlich geschmacklos die Tatsache, dass Swift das Release-Date ihres Albums „Reputation“ – eine der vielen Sachen, dessen Zerstörung in ihren eigenen Händen liegt – auf den zehnjährigen Todestag von Wests Mutter gelegt hat. Diese „Ich ficke deine Mutter und danach deine Frau“-Geschichte verkacken bereits sämtliche Rapper, die im Gegensatz zu Swift immerhin dissen können.

Als Krönung stellt sie eine Szene aus Beyoncés ikonischem Musikvideo zu „Formation“ nach, einem Song über rassistische Polizeigewalt und Rassismus. Für eine weiße Musikerin und mutmaßliche Trump-Supporterin kommt diese Aktion peinlich. Und natürlich thront Swift Tee trinkend (also T, also Truth, also Wahrheit) vor ein paar Schlangen. Das Problem: Taylor Swift ist so weiß, sie kann nicht mal Tee richtig würzen.

Und sie zeigt, warum wir zu rassistischen weißen Frauen zu nett sind. Swift hätte in ihrem inszenierten Tweet von Minaj direkt auf die Fresse bekommen sollen. Allerdings wäre sie dann in ihrer Opferrolle noch mehr aufgegangen und Minaj hätte als Angry Black Woman dagestanden. Also bekam Swift Verständnis. Frauen of Color halten ihr einen kleinen Finger hin, aber sie reißt den ganzen Arm ab – inklusive Schulter yani!

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Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.

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