Klimaproteste und Verantwortung: Solange ihr blockt, blockieren wir
Ziviler Ungehorsam sei undemokratisch, sagen Politiker*innen. Unser*e Autor*in findet: Undemokratisch ist, wenn die Regierung Klimagesetze bricht.
A ls wir das letzte Mal versuchten, ganz Berlin lahmzulegen, um auf den Klimanotstand hinzuweisen, kettete ich mich an eine Leitplanke. Das war 2019, Extinction Rebellion blockierte über eine Woche verteilt Plätze, Straßen, Gebäude und Brücken. Polizisten mussten die Leitplanke auseinanderschrauben, um uns Aktivist*innen abzuführen.
Aktionen wie diese stehen nun wieder an und mehr denn je werden Klimaaktivist*innen wie ich dafür getadelt, gegen Gesetze zu verstoßen, wenn sie sich zum Beispiel an die Straße kleben. Das Absurde daran ist: Während Politiker*innen so etwas sagen, bricht die Bundesregierung genau jene Gesetze, die die Einhaltung der Verpflichtungen im Klimaschutz sicherstellen sollen. Aber wir jungen Menschen sollen Vertrauen in das Versprechen von Rechtsstaat und Demokratie haben?
Was mir mit Blick auf die Klimakrise am meisten zusetzt, ist nicht die Enttäuschung darüber, dass die Ampel hinter ihrem Klimaversprechen zurückbleibt, wie es der Klimaexpert*innenrat nun wieder erklärt hat. Dass die Politik nicht tut, was sie tun müsste, ist bitter – aber auf traurige Weise auch Normalität geworden. Niemand, den ich kenne, erwartet eine energiepolitische Kehrtwende, weil die SPD Plakate mit Slogans wie „Klimakanzler“ druckt.
Was aber schmerzt, ist, wenn das Gefühl entsteht, es ginge nicht nur langsam vorwärts, sondern eigentlich rückwärts. Und diesen Eindruck habe nicht nur ich, sondern viele junge Menschen um mich herum.
Erst kürzlich wurde das eigentlich schon beschlossene Verbrenner-Aus ab 2035 aufgeweicht – damit die E-Fuels auch noch irgendwie vorkommen. Dass es in absehbarer Zeit keinen relevanten Markt dafür geben wird? Dass die Physik klare Grenzen hat, was den Wirkungsgrad dieser Technologien angeht? Völlig egal.
Phantasielösungen für eine Wunschwirklichkeit
Es geht in dieser Debatte schon lange nicht mehr um tatsächliche Lösungen für die Klimakrise unter den Parametern der Wirklichkeit, sondern um abstrakte Lösungen, die innerhalb von Wunschparametern in einer Wunschwirklichkeit funktionieren. All das konnte man noch als Kränkung dieser Menschen von der Wirklichkeit abtun – und die daraus entstehenden Zaubertechnologien als Versuch einer Befriedung jener Kränkung.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Was nun aber im Verkehrsministerium passiert, ist nicht mehr bloß der Kampf von Wirklichkeitsgekränkten. Es macht mich wütend. Das Klimaschutzgesetz wird so geändert, dass die einzelnen Sektoren keine eigenen Klimaziele mehr haben. Frei nach dem Motto: Wir können die Klimaziele nicht verfehlen, wenn es keine Ziele gibt. Und als Krönung soll sogar rückwirkend das Verkehrsministerium von Volker Wissing von Anforderungen befreit werden, die das geltende Klimaschutzgesetz vorsieht. Wie bitte?
Und das in einer Zeit, in der Aktivist*innen bei zivilem Ungehorsam der mahnende Zeigefinger vorgehalten wird! Der Tenor lautet dann: Wir, die Demokratie, sind auf solche Protestmittel nicht angewiesen. Wir haben andere Wege: Regeln und Gesetze.
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Ich bin Teil dieser parlamentarischen Demokratie und engagiere mich kommunalpolitisch. Ich habe immer geglaubt, dass es sich lohnt, für Recht und Gesetz beim Klimaschutz zu streiten. Aber wie sollen junge Menschen davon überzeugt werden, sich nicht auf die Straße zu kleben, wenn Politiker*innen parallel sagen: Sorry, das Klimaschutzgesetz gilt jetzt nicht mehr, weil sonst würde der Volker ja dagegen verstoßen. Das ist Arbeitsverweigerung. Und solange ihr blockiert, blockieren wir deswegen auch.
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