Klimaklage in Straßburg: Klimaklagen und Klimakleben
Sechs Jugendliche schaffen es, 30 Staaten vor Gericht zu zitieren. Man muss sich nicht auf die Straße kleben, um die Öffentlichkeit zu erreichen.
D ie Klage von sechs jungen Portugies:innen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zwingt Verursacher der Erderhitzung, sich öffentlich zu verteidigen. Die Verursacher – das sind insbesondere die Industriestaaten. Über 30 davon wurden vor Gericht zitiert. Weltweit laufen nach UN-Angaben inzwischen über 2.000 Klagen gegen Regierungen und Unternehmen, mit dem Ziel, die Klimakrise aufzuhalten.
Solche Klagen können durchaus erfolgreich sein. Erst im August gewannen 16 junge US-amerikanische Kläger:innen einen Prozess gegen den Bundesstaat Montana. Eine Richterin urteilte, der Bundesstaat verletze das verfassungsmäßige Recht der 16 jungen Klägerinnen und Kläger auf eine „saubere und gesunde Umwelt“. Auch in Deutschland gab es bereits im Jahr 2021 den Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), woraufhin die Große Koalition das Klimaschutzgesetz nachbessern musste.
Während die sechs jungen Portugies:innen vor Gericht zogen, kündigten die Aktivist:innen der Letzten Generation großspurig an, Berlin lahmlegen zu wollen, um ihre Forderungen für effektive Klimaschutzpolitik voranzutreiben. Damit provozierten sie schon im Vorfeld der Aktion, aus der am Ende wenig wurde, breiten Widerstand.
Abgesehen von den Farbaktionen auf das Brandenburger Tor und den Berlin-Marathon wurden zwar auch einige Straßen blockiert, aber „lahmgelegt“ war die Hauptstadt nicht. Stattdessen wird öffentlich weiter hauptsächlich über die Methode diskutiert und nicht über die Forderungen. Sind Klimaklagen am Ende vielleicht die effektivere Protestform?
Die Vertreter:innen von über 30 Staaten vor Gericht zu bringen, ist für eine Gruppe Minderjähriger sicher kein kleiner Erfolg. Dennoch führten vielen der 2.000 Klagen am Ende zu nichts. Dagegen erzwang die Letzte Generation im vergangenen März immerhin Gespräche mit den Oberbürgermeistern zahlreicher Städte. Das eine schließt das andere nicht aus. Ob auf der Straße oder vor Gericht – was es braucht, ist eine Vielfalt der Proteste.
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