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Kinderrechte im GrundgesetzVöllig überflüssig

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Kinderrechte im Grundgesetz sind rechtlich unnötig. Alle Grundrechte im Grundgesetz gelten für Kinder genauso wie für Alte und 30-Jährige.

Grundrechte gelten für Kinder genauso wie für Erwachsene Foto: Karsten Thielker

M an muss es so klar sagen: Kinderrechte im Grundgesetz sind rechtlich völlig überflüssig. Alle Grundrechte im Grundgesetz gelten für Kinder genauso wie für Alte und 30-Jährige. Die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz soll – jedenfalls nach dem jetzt vorgelegten Entwurf der Koalition – rechtlich überhaupt nichts verändern. Sie hätte nur symbolische Bedeutung, weil sie die bestehenden Rechte sichtbarer macht.

Deshalb ist jede Stunde, in der sich KinderrechtlerInnen in Verbänden und Parteien für eine Grundgesetzänderung einsetzen, eine Stunde, in der sie nichts für Kinder tun, sondern nur für sich selbst. Denn Kinderrechte im Grundgesetz sind eine populäre Forderung: Wer sich dafür einsetzt, hat die Chance auf mehr Spenden oder Wählerstimmen.

Die Grundgesetzänderung schadet aber auch nicht. Die symbolische Gesetzgebung bekräftigt, dass die Förderung und der Schutz von Kindern sehr, sehr wichtig sind. Das hören alle gern und strengen sich vielleicht noch mehr an als sonst. Und am Ende kann man sogar ein buntes Plakat – mit einer für Kinder leider völlig unverständlichen Formulierung – ins Klassenzimmer hängen.

Die eigentliche Sorge der bremsenden Fraktion von CDU und CSU war auch eher, dass sich unter der Hand doch etwas ändert – obwohl alle beteuern, dass sich nichts ändern soll. Die Union befürchtet, dass die Betonung von Kinderrechten zugleich die Rechte der leiblichen Eltern gegenüber dem Staat schwächt. Es könnte Gerichte geben, die misshandelte Kinder dann schneller zu Pflegefamilien geben und eine Rückkehr in die Herkunftsfamilie eher ablehnen.

In manchen Einzelfällen wäre es sogar angebracht, dass der Staat sein Wächteramt ernster nimmt. Da es um Einzelfälle geht, haben Jugendämter und Gerichte aber ohnehin großen Spielraum. Eine symbolische Grundgesetzänderung brauchen sie nicht, um die Akzente zu verschieben. Ein „Tagesschau“-Bericht über ein zu Tode misshandeltes Kind wird sie dabei wohl mehr beeinflussen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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29 Kommentare

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  • Echt jetzt? Darf man Erwachsenen also auch indikationslos Teile der Genitalen abschneiden?

  • Ich sach's mal so: Symbolik ist die neue Politik.

  • Naja, Eltern können heute aufgrund ihrer Elternrechte Förderunterricht für ihre Kinder ablehnen. Das ist gewiss nicht im Sinne der Kinder. Hier sollte die Einschätzung von Pädagogen entscheiden und nicht die Eltern, die die Entwicklungsdefizite bei ihren Kindern mitunter nicht sehen können oder wollen. Das Recht des Kindes auf Bildung und Entwicklung der Kinder wird so nocht gewahrt. Es ist bedauerlich, dass die CDU hier eine wirksame Regelung blockiert hat - Kinder sind halt keine Wähler.

    • @marusja meyer:

      Was bringt Sie zu der Überzeugung, dass Schulen und Ämter eine bessere Bilanz beim Kindeswohl haben als Eltern?

      Die Berichte über pädagogischen Fehlentscheidungen sind Legion.

      Im letzten Jahr gab es eine kleine Welle von Berichten über stigmatisierende Fördereinstufungen aufgrund diskriminierenden Lehrerdrucks ("bei _dem_ Elternhaus ..."), die den Kindern langfristig geschadet haben.

      Die Annahme, dass Fremde besser über das Kindeswohl entscheiden können als die Eltern, ist wohl kaum zu belegen.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @marusja meyer:

      Ich glaube, das ist die eigentliche Intentions. Man macht Kinder zu Menschen zweiter Klasse deren Rechte auf die Eltern übertragen werden. D.h. Beschneidung, vorenthalten medizinischer Eingriffe und sonstiger religiöser Kokolores, den niemand nur nach dem Willen anderer ertragen müsste, kann man an Kindern ungestraft vornehmen.

  • Zitat: "Die symbolische Gesetzgebung bekräftigt, dass die Förderung und der Schutz von Kindern sehr, sehr wichtig sind. Das hören alle gern und strengen sich vielleicht noch mehr an als sonst."

    Hat beim Tierschutz seit Änderung des Art. 20a GG auch nichts gebracht...

  • Es kann schon auch schaden. Es gibt ohnehin eine Tendenz immer mehr Dinge in das GG reinzupacken. Das engt dann den demokratischen Spielraum immer mehr ein, weil es irgendwann nichts mehr zu verhandeln gibt.

    Das ist ja auch die Idee der vielen GG-Initiativen. Für Kinder, für die Umwelt, das Klima und Biodiversität, für Arme und Schwache, für Hilfsbedüftige, bezahlbare Wohnungen für jeden, gleiche Rechte für alle möglichen Gruppen, faire Löhne .... es gibt so viel, was eigentlich gut und nicht verhandelbar ist. Wenn alles im GG steht, gibt es auch nichts mehr zu verhandeln. Die Regierung und das Parlament wären dann durch das Verfassungsgericht abgelöst.

    Die Zeiten ändern sich aber immer, Priorisierungen und Einschätzungen ändern sich, Gefahren sieht man morgen eher aus anderen Richtungen.

    Im GG sollten möglichst wenig Inhalte stehen - sonst verwässert es die wichtigen Inhalte.

  • Soso, jetzt fangen wir wieder damit an Menschen in verschieden Arten von Mensch aufzugliedern. History repeats.

    • @efkah:

      Da sind wir doch schon längst.

      Die Sortierung von Menschen nach äusseren Merkmalen (Geschlecht, sexuelle Orientierung, Stammbaum, Hautfarbe) ist doch rechs wie links schon lange wesentliches Organisations- und Wertmerkmal geworden.

  • Der Armutsforscher Prof. Dr. Butterwegge hatte schon 2009 in seinem Aufsatz "Kinderarmut in einem reichen Land", die Zahl der Kinder, die in Deutschland auf Sozialhilfe angewiesen sind, bei 2,8 Millionen gesehen.

    Etwa 2,5 Millionen Kinder leben in Deutschland in Armut, sagte der grüne Sozialexperte Sven Lehmann im Jahr 2018.

    Rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche wachsen in Armut auf, sagte die Bertelsmann Stiftung im letzten Jahr, ohne dabei aber zu erwähnen, dass ihre sogenannte "Stiftung" an dem "Armutssystem Hartz IV" kräftig mitgewirkt hat.

    Ob aber nun 2,8 Millionen Kinder, oder vielleicht "nur" 2,5 Millionen Kinder bei uns in Armut leben, ist auch egal, denn jedes Kind das in diesem reichen Land in Armut leben muss, ist ein Kind zu viel. Die Frage, die man sich eigentlich stellen sollte, ist doch, warum in einem Staat, der sich immer noch frech mit Art. 20 GG "schmückt" (Sozialstaatsprinzip) es überhaupt so viele arme Kinder gibt?

    taz: "Kinderrechte im Grundgesetz sind eine populäre Forderung: Wer sich dafür einsetzt, hat die Chance auf mehr Spenden oder Wählerstimmen." - Und darum geht es wohl auch in erster Linie, denn bald ist Wahl. Anstatt aber noch mehr Papier zu bekritzeln - mit "Kinderrechte" im Grundgesetz - die dann aber wieder genauso missachtet werden, wie die schon bestehenden Grundrechte, die ohnehin für jeden deutschen Staatsbürger von seiner Geburt bis zu seinem Tod (angeblich) gelten, sollten unsere Volksvertreter lieber endlich mal etwas gegen die ausufernde Armut in diesem Land machen.

    Art. 1 Abs. 1 GG - *Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.*

  • 0G
    01068 (Profil gelöscht)

    "Ein „Tagesschau“-Bericht über ein zu Tode misshandeltes Kind wird sie dabei wohl mehr beeinflussen."



    Prima, dann lasst dem Horror freien Lauf!



    Absurder gehts ja wohl nicht!

  • 0G
    08630 (Profil gelöscht)

    Ich persönlich halte Kinderrechte im Grundgesetz schon lange für überfällig und notwendig. Kinder haben keine Lobby und stehen überall hinten an. Im Artikel 3 findet sich :



    (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.



    (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.



    (3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.



    Wo finden sich da Kinder wieder? Wo ist die Rede von Gleichberechtigung der Kinder.



    Kinder haben eben keine Lobby. Darum ist die Hereinnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz schon lange überfällig gewesen und macht deutlich, dass noch weiterer Bedarf besteht die Kinderrechte zu stärken und auch entsprechend institutionell umzusetzen. Noch immer sind Kinder nicht gleichberechtigt.

    • @08630 (Profil gelöscht):

      Kinder haben keine Lobby? Wie erklären Sie sich dann, dass während der aktuellen Pandemie Schulen und Kitas nicht oder erst als letzte geschlossen wurden, obwohl mittlerweile vieles darauf hinweist, dass das Menschenleben kostet?

    • @08630 (Profil gelöscht):

      Wie können Kinder gleichberechtigt sein?



      Sie sind unmündig, bzw. eingeschränkt mündig.



      Sie sind wirtschaftlich und sozial vollkommen von ihren Erwachsenen (Eltern) abhängig. Daraus resultiert ihre Verletzlichkeit. Nicht aus staatlichen Eingriffen gegen die das GG helfen könnte!



      Was soll sich konkret ändern?



      Möchten Sie jedem Kind automatisch einen Anwalt zuordnen, der dessen Rechte gegenüber jedermann durchsetzt?

      • @mensch meier:

        Genau. Kinder sind noch keine fertigen, unabhängigen Menschen. Sie werden nicht umsonst von Erwachsenen ernährt, gepflegt, erzogen und geschult. Dass bei einigen wenigen Eltern das Wohl der Kinder nicht an erster Stelle steht ist sehr traurig, wird sich aber mit einer Grundgesetzänderung nicht abwenden lassen. Es sei denn, man beschneidet die Rechte aller Eltern in einem unsinnigen und für die meisten untragbaren Maße.

        Reine Symbolik, aber da wir ja keine anderen Plobleme haben, nur zu!

    • @08630 (Profil gelöscht):

      Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen staatliches Handeln. In welcher Konstellation handelt der Staat, so dass sich eine Benachteiligung gegenüber anderen Kindern ergeben könnte? Mir fällt das Kindergeld ein, das Millionärskindern gezahlt, bei "Harz-IV"-Kindern jedoch praktisch einbehalten wird. Aber das wird der Bundestag schon "verfassungskonform" geregelt haben, so dass sich nichts ändern würde.

    • @08630 (Profil gelöscht):

      Wo sich da Kinder wiederfinden?

      In jedem der drei genannten Punkte.

    • 1G
      164 (Profil gelöscht)
      @08630 (Profil gelöscht):

      Kinder sind Menschen, oder?

      • @164 (Profil gelöscht):

        Das ist nicht ganz eindeutig. Ihnen wird die Mündigkeit in den meisten Belangen vorenthalten und ist oft auch gesetzlich ausgeschlossen.



        So ganz vollwertige Personen sind sie dann doch nicht. Die Diskriminierung aufgrund des Alters ist nicht ausgeschlossen.

      • @164 (Profil gelöscht):

        niemals!

      • @164 (Profil gelöscht):

        Hab ich auch gedacht.

      • @164 (Profil gelöscht):

        Manchmal nicht. 😈 .. 😂😂

  • wenn der text des grundgesetzes nach der grundgesetzänderung einen expliziten bezug auf die kinderrechtskonvention der uno beinhalten würde so würde diese damit zu unmittelbar geltendem individuell einklagbarem verfassungsrecht in der brd.auf diesem weg könnte der status bestimmter sozialer grundrechte sichtbar gestärkt werden.dann wäre die grundgesetzänderung keine blosse aufblähung des textes der verfassung durch leere phrasen.

    • @satgurupseudologos:

      Nur, dass diese Konvention leider derart überzogene Forderungen beinhaltet, dass sie nirgends zu Durchsetzbarem Recht werden kann.



      Einfach munter ein paar Forderungen für die ideale Welt formulieren.



      Ist eben witzlos, wenn ein paar Idealisten auf transnationaler Ebene jenseits demokratischer Kontrolle einseitige Papiere schreiben - mehr eine Wunschliste als eine realisierbares Recht.

    • 9G
      91655 (Profil gelöscht)
      @satgurupseudologos:

      Die UN-KRK ist in D. nach allen mir zur Verfügung stehenden Informationen völkerrechtlich bindend - ohne Vorbehalte (seit 2010) "in Kraft".

      Der Artikel hat zweifellos recht.

      Im Übrigen: Kinderrechte im GG stellen ohne die entsprechende Klarstellung - die nun Erfolgen soll - des Vorrangs der Elternrechte (und -pflichten), sehr schnell ein Einfallstor für m.E. falsche Entwicklungen dar:

      Ein Staat ist kein guter Erzieher.

      Die Sachlage ist eine Mischung aus "gordischem Knoten" und der "Quadratur des Kreises", siehe das Recht Kinder religiös/weltanschaulich zu erziehen, was selbstverständlich einer Manipulation und Indoktrination Tür und Tor öffnet, es aber eben keine wirkliche Alternative gibt, oder sollen Jugendämter jüdische und muslimische Jungs vor der Beschneidung retten, Kinder mit Fleisch versorgen, wenn die Eltern Veganer sind, rassistischen Eltern die Kinder wegnehmen, damit diese nicht zu "Ariern" erzogen werden usw. usf.

      • @91655 (Profil gelöscht):

        Selbstverständlich sollen Kinder vor medizinisch nicht indizierten Genitaloperationen gerettet werden. Was sonst?

        • @Rerun:

          Wollen Sie das wirklich, gerade mal ein Dreivierteljahrhundert nach der Shoa? Die Brit Mila ist für viele Juden ein unverzichtbarer Bestandteil ihrer Religionsausübung!

      • @91655 (Profil gelöscht):

        Ich habe mal das Jugendamt angerufen, wegen Zeugen Jehovas, die ein Kind dabei hatten. Nix zu machen.

        • @KnorkeM:

          Naja, was hätte das Jugendamt auch tun sollen? Ist ja nicht verboten ein Kind beim Gang von Haustür zu Haustür dabei zu haben...die Sternsinger machen das in Nicht-Coronazeiten ja sogar alleine ;-)