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KI-generierte EinbändeBuchcover aus der Retorte

Große und kleine Verlage lassen immer häufiger ihre Buchcover mithilfe von Künstlicher Intelligenz entwerfen. Für welches Problem ist das die Lösung?

Buchcover der Verlage Rowohlt, Hanser und Marcken Bild: Rowohlt, Hanser, Marcken

Es gab mal eine Zeit, da hatte man noch Angst vor ­Deepfakes. US-Präsidenten, die den Kriegszustand ausrufen, Gesichter von Popstars, auf den Körper nackter Frauen montiert. Heute wird man von KI-Videos regelrecht überschwemmt. Neueste Studien gehen davon aus, dass ein Viertel aller Videos auf Tiktok KI-generiert ist. Vorbei die Zeiten, als Bildgeneratoren wie DALL-E und Midjourney Gespenstergestalten ausspuckten, Menschen mit ein paar Fingern zu viel und ein paar Augen zu wenig. Vorbei die Zeiten, als der Rowohlt Verlag auf Instagram damit kokettierte, dass die KI nur schlechte Buchcover designte. Menschengemacht, das war im Sommer 2023 noch State of the Art.

Zwei Jahre später sitzt die KI auch im Hamburger Verlagshaus mit am Tisch. Heinz Strunks „Zauberberg 2“ erschien in einem Buchumschlag, den die KI mitgestaltete – inspiriert vom Werk von Millionen Künstler:innen, die nie auch nur einen Cent von den großen KI-Firmen dafür erhalten dürften. Rowohlt steht damit nicht alleine da, auch andere Verlage sparen sich mittlerweile die Kosten für menschliche Il­lus­tra­to­r:in­nen und beauftragen Grafikbüros, die KI-generierte Motive auf Buchcover setzen. Darüber geredet wird indes nicht so gern. Von 17 Verlagen schickten nur drei Antworten auf Fragen zurück, die die taz gestellt hatte. Andere verwiesen auf sich im Sommerurlaub befindende Ex­per­t:in­nen oder hüllten sich schlicht in Schweigen.

Es sind große und kleine Verlage, die ihren Au­to­r:in­nen KI-Designs zur Seite stellen, um sich auf dem Buchmarkt zu behaupten. Was das für Signale an potenzielle Le­se­r:in­nen sendet, muss kaum betont werden. Wo Retorte draufsteht, kann nur Retorte drin sein. Wer sich für die Rechte von Wortkünstlern einsetzt, muss noch lange kein Herz für Bildkünstlerinnen zeigen. Man kann das schizophren finden. Oder pragmatisch – denn der Markt regelt es auch ohne Rücksicht auf die Verlagskassen.

Ob KI Kunst schaffen kann, ist unerheblich, sofern sich ihre Machwerke verkaufen. Wie das Autorentrio James Muldoon, Mark Graham und Callum Cant in „Feeding the Machine“ aufzeigt, bedient sich die KI dabei am Werk von Künstler:innen: KI-Firmen haben das Motto der Techbranche „Move fast and break things“ zu „Move fast and steal things“ erweitert. Denn trainiert wird die KI mit allem Material, das ihr in die Finger kommt – urheberrechtlich geschützt oder nicht. In den USA kam es daher bereits zu Klagen von Verlagen gegen KI-Firmen. Zuletzt, im Juni diesen Jahres, entschied ein Gericht in San Francisco jedoch zugunsten der Artifiziellen: KI-Software dürfe auch ohne Zustimmung der Au­to­r:in­nen trainiert werden, sofern deren Werke nicht illegal erworben worden seien.

Richtungsweisender Entscheid in den USA

Für deutschsprachige Verlage habe diese Entscheidung Folgen, heißt es vonseiten des Dio­genes Verlags. Wie eine Pressesprecherin des Schweizer Verlagshauses mitteilt, prüfe man die Bedeutung des Entscheids in den USA gerade mit den europäischen Verbänden, darunter auch der Börsenverein des deutschen Buchhandels. Man verweise zudem bei Neuerscheinungen schriftlich da­rauf, dass die Nutzung des Werks „zu Trainingszwecken“ der KI untersagt ist.

Buchcover der Verlage Hanser, Oetinger und Kiepenheuer & Witsch Foto: Hanser, Oetinger, Kiepenheuer&Witsch

Gleiches tut auch der Verlag C. H. Beck. Ein Pro­blem bestehe allerdings darin, dass sogenanntes Text and Data Mining (TDM) für wissenschaftliche Zwecke, auf die sich KI-Firmen berufen, so nicht unterbunden werden könne, so eine Verlagssprecherin. Praktische Auswirkungen dürfte der TDM-Hinweis also wenige haben.

Übrigens kommen auch bei C. H. Beck KI-generierte Motive bei der Covergestaltung zum Einsatz, bestätigt der Verlag, allerdings immer in Absprache mit den Autor:innen. Nun wenden sicher nicht alle Schrift­stel­ler:in­nen die gleichen Qualitätsmaßstäbe an ihr Schreiben an. Wer in wenigen Jahren mehr als 100 Bücher schreibt, der übersieht vielleicht mal, dass in einem noch die Antwort eines Chatbots drinsteht, der brav die Ausführung von Befehlen vermeldet wie jüngst bei einer Romance-Autorin geschehen.

Generative KI verengt die Welt, sie ist ausgesprochen gut darin, es allen recht zu machen. Wenn ein Erfolgsautor wie Frank Schätzing selbst zur Maus greift und mittels KI sein neustes Mittelalter-Epos so bebildert, wie so was eben bebildert wird, ist das womöglich ein bisschen egal; man weiß ja, was man zum Kilopreis kauft. Doch wenn Verlage den Druck KI-generierter Buchumschläge absegnen, die wie im Fall Anne de Marcken (Suhrkamp) die vielleicht feinfühligste Zombiegeschichte aller Zeiten umkleiden, kann man das Produkt nicht anders als verramscht bezeichnen.

Aufgeschlossen gegenüber neuer Technologie

Es gibt eine Leitfrage, die der Medienwissenschaftler Neil Postman Tech­no­lo­gie­kri­ti­ker:innen in den 80ern an die Hand gab, die in ihrer Simplizität heute noch zu gebrauchen ist: Für welches Problem ist das jetzt die Lösung? Vielleicht will man in der Buchbranche auch nur dem Vorwurf entgehen, als Luddit zu gelten, wenn man wie der Wallstein Verlag die „Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Innovationen“ betont. Nach bisherigen Erfahrungen, so eine Sprecherin, sei KI beim Coverdesign „ein weiteres Tool, wie es zum Beispiel die großen Bilddatenbanken“ schon seit geraumer Zeit seien.

Nun gehören neue Technologien und Zivilisationskritik seit jeher zusammen. Doch die Nutzungen von KI und digitalen Stockfotos lassen sich nur bedingt miteinander vergleichen. Mit dem Aufkommen großer Bilddatenbanken wie Shutterstock fürchtete man zwar auch um die Zukunft von Fotografen, deren Arbeit durch eine Schwemme an Amateurfotos an Wert verlöre, doch immerhin waren es hier Menschen, die in der Arena des Markts gegeneinander kämpften; nach einem Regelwerk freilich, das man im kapitalistischen Realismus als fair bezeichnet.

Dass ein vom Verlag beauftragtes Grafikbüro ein Cover mithilfe von KI generiert hat, muss übrigens nicht angegeben werden. Erst mit Inkrafttreten der EU-KI-Verordnung im August 2026 ist das Kennzeichnen von mit KI erstellten Inhalten gesetzlich vorgeschrieben. Nicht als solche ausgewiesene KI-Verdachtsfälle, denen die taz begegnete, gab es einige. Entsprechende Anfragen an Grafikbüros blieben unbeantwortet. Sind ja auch Sommerferien.

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3 Kommentare

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  • Die Frage in der Unterzeile wird ja im Text beantwortet: um die Kosten zu senken.



    Graphiker werden es nicht gern hören, aber aus meiner Sicht werden Buchcover komplett überbewertet. Ich persönlich habe mir oder anderen Menschen inzwischen nicht wenige Bücher gekauft bzw. geschenkt. Bei keinem einzigen hat das Cover für oder gegen einen Kauf entschieden. Entweder suche ich ohnehin schon gezielt nach Autoren oder Themen. Oder wenn mir beim ziellosen Stöbern mal ein Buch tatsächlich wegen der Außenhülle auffällt und ich es in die Hand nehme, ist das spätestens beim Lesen des Klappentextes und/oder Inhaltsverzeichnisses vergessen.



    Insofern haben die Verlage das schon richtig gemacht, es sei denn, man will diese Form des Kunsthandwerkes besonders fördern, was aber letztlich der Leser bezahlt, ohne einen wirklichen Nutzen davon zu haben.

  • Es ist einfach schrecklich. Die Titel sehen aus wie Einheitskacke. Haben die Autoren dazu nichts zu sagen? Ich schreibe doch nicht ein jahrelang an einem Buch, um es dann in einem derart plumpen Gewand dastehen zu sehen! Jaja, es ist eine Entwicklung und alles wird gut und sei mal nicht so negativ... bislang sehe ich nur von irgendwelchen KI-Programmen nur langweiligen Einheitsbrei, sei es in der Kunst, in der Buchgestaltung oder in der Musikwelt.



    Vielleicht ist es aber auch so, wie damals bei den ersten mp3-Dateien... großes Aufbegehren und Gegenwehr, dann war irgendwann der Hör-Anspruch derart vereinheitlicht, dass man mit dem zufrieden war und heute fragt kein Schwein mehr danach.

  • "Wenn ein Erfolgsautor wie Frank Schätzing selbst zur Maus greift und mittels KI sein neustes Mittelalter-Epos so bebildert, wie so was eben bebildert wird, ist das womöglich ein bisschen egal;"

    Und ich habe mich noch gefragt, wer die Entscheidung für ein derart billig wirkendes Cover getroffen hat. Weder Bild noch Titel passen wirklich zum Inhalt des Werkes. Die darauf abgebildete "Walküre" spielt nur eine sehr marginale Rolle im Buch. Wahrscheinlich hat der Autor gedacht, dass ein Titelbild im Stil der Serie "Vikings" sich gut verkauft. Hätte er die Gestaltung mal besser (menschlichen) Profis überlassen, anstatt selbst Hand, äh, Maus anzulegen.