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Journalisten in LebensgefahrGemeinsam eintreten für Pressefreiheit in Gaza

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Gazas Journalisten sind Israels Gewalt schutzlos ausgeliefert, internationale Medien wird der Zugang verwehrt. Es ist ein Kampf gegen die Wahrheit.

Ezzeldin al-Masri hält die Ausrüstung von seinem Bruder und Journalisten Hussam, der bei einem israelischen Angriff getötet wurde Foto: RAMADAN ABED/ REUTERS

K riegsberichterstattung ist der härteste Journalismus. Man berichtet vom Tod und hat ihn dabei ständig an der Seite. Das nächste Geschoss kann einen selbst treffen oder die Menschen, von denen man Zeugnis ablegt. Missfällt die Berichterstattung einer Kriegspartei, kann das zum Verhängnis werden. Wird die eigene Heimat Kriegsschauplatz, ist das Berichtsthema zugleich persönliches Trauma. Von Kyjiw bis Khartum, von Goma bis Gaza stellt sich immer wieder die Frage: Wie verhält man sich da richtig, vor Ort und in fernen Redaktionen?

Kein Krieg der Gegenwart ist für Journalisten härter als der im Gaza­streifen. Rund 200 Journalisten wurden bislang getötet, alle von Israels Armee. Aus Israels Versuch der Zerschlagung der Hamas nach den Terrorangriffen des 7. Oktober 2023 ist längst ein Krieg zur Zerstörung der palästinensischen Gesellschaft geworden. Als Erstes ­verschwinden dabei die zivilen Freiräume. Übrig bleiben am Ende Gewaltakteure in Ruinenfeldern voller verhungernder Menschen und verwesender Leichen.

Die Besonderheit Gazas: Auch die Journalisten haben keine Wahl. Wer drin ist, kann nicht raus. Wer draußen ist, kann nicht rein. Internationalen Medien ist der freie Zugang nach Gaza seit Kriegsbeginn verboten, sie sollen nur Armeepropaganda zu sehen bekommen. Palästinensische Journalisten in Gaza wiederum sind schutzlos, während alles um sie herum in Trümmer fällt. Medien weltweit zusammen mit Reporter ohne Grenzen fordern daher heute gemeinsam freien Zugang für Journalisten nach Gaza und Schutz für Gazas Journalisten.

Seriöse Medien arbeiten im Krieg immer mit Ortskräften zusammen – nicht nur, wenn es nicht anders geht, sondern auch, weil es richtig ist. Die Erfahrung der taz, ob in Gaza oder Sudan, der Ukraine oder der DR Kongo, zeigt: Professionelle Vernetzung von Menschen ist das beste Gegenmittel gegen Hetze und Fake News auf dem Smartphone. Im Idealfall sind lokale Journalisten im Kriegsgebiet die Stimmen der Bevölkerung, sind auswärtige Reporter Augen und Ohren der Weltöffentlichkeit, sind unabhängige Medien Schutzräume für die Wahrheit. Es ist höchste Zeit, öffentlich füreinander einzustehen. Die in Gaza gesetzten mörderischen Maßstäbe zum Umgang mit Journalismus dürfen keine globale Normalität werden.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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18 Kommentare

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  • Für das "gemeinsam" hat sich die taz sehr lange Zeit gelassen, zu lange um noch glaubhaft zu sein.

    • @Alberta Cuon:

      Ja es war wirklich sehr spät und traurig, aber immerhin ist die TAZ jetzt da angekommen wo andere deutsche Medienhäuser immernoch nicht sind. Das ist wichtig.

  • Der Ausschluss der internationalen Presse aus Gaza und die gezielten Tötungen lokaler Journalisten ist den Medien, auch der TAZ, seit nun fast 2 Jahren bekannt. Warum waren für den Aufschrei und die Veruteilung 2 Jahre nötig?

    • @Rinaldo:

      Die taz hat darüber immer wieder berichtet. Andere Medien, etwa die Süddeutsche und die ZEIT auch.



      Politisches Handeln, hier und in vergleichbaren Fällen, ist es, was noch nachzuholen wäre.

  • Klar, wenn man schon nicht für die Freiheit der israelischen Geiseln eintreten möchte, dann doch wenigstens für die Freiheit der Hamas-"Presse"...Wieder ein schönes Beispiel für linken Antisemitismus!

    • @Peter Wenzel:

      Herr "Wenzel", Sie erodieren den eigentlich wichtigen Begriff "Antisemitismus". Nur um irgendwie eine Vor-Meinung immer noch aufrechtzuerhalten oder "gegen links" zu sein?



      Schade.

    • @Peter Wenzel:

      "Wieder ein schönes Beispiel" für den Missbrauch des Begriffs "Antisemitismus", um die Veröffentlichung israelischer Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und einen möglichen Völkermord zu diskreditirren.

    • @Peter Wenzel:

      Fragt sich nur, wer hier auf Propaganda reingefallen ist..

  • Wahrheit braucht ihre Spürhunde. Wer das offenbar ausschalten will, wo auch immer, muss den Widerstand dagegen erfahren.



    Nicht nur wegen der getöteten Menschen, auch unser aller wegen.

  • Journalisten, wie auch Lehrer, werden bald aussterben. Im 21. Jahrhundert werden staatliche Narrative (Russland, USA, China, Israel, Bayern) immer dominierender, freie Berichterstattung widerspricht dem Ziel der totalen Überwachung (Trump, Thiel, Vorratsdatenspeicherung). Keine guten Aussichten, denn Edward Snowdons sind sehr selten.

  • "Professionelle Vernetzung von Menschen ist das beste Gegenmittel gegen Hetze und Fake News" Deshalb nutzen auch Schurken diese Vernetzung aus, besonders einfach, wenn internationale Beobachter ausgeschlossen sind.

  • Und was macht unsere Regierung angesichts solcher Texte? Sie versteckt sich hinter einer falsch verstandenen "Staatsraison" und lässt die israelischen Kriegsverbrecher und auch die Hamas achselzuckend weiter das Völkerrecht, Menschenrechte und Pressefreiheit mutwillig missachten. Das ist nicht meine Regierung, ich schäme mich für diese Leute.

  • Die 7 israelischen Journalisten die die Hamas am 7. Oktober getötet hatte gehören also nicht zum Konflikt und die IDF ist das einzige Problem für freien Journalismus aus Gaza?

    • @Šarru-kīnu:

      Niemand behauptet das.

    • @Šarru-kīnu:

      Es rauscht wieder. Weder hat der Autor das behauptet, noch sind die Verhältnisse angemessen. Niemand verlangt, sich bei einem Terroranschlag und systematischen Völkerrechtsverletzungen für eine Seite entscheiden zu müssen

    • @Šarru-kīnu:

      Nein, aber wer hat das denn behauptet?

      Netanyahu wie Hamas will wohl keine Zeugen. Wir sollten beiden den Gefallen nicht tun falsch zu schweigen.

      • @Janix:

        Die Hamas wollte jede Menge Zeugen. Deswegen haben sie ihre Verbrechen ja direkt gefilmt.

        • @Katharina Reichenhall:

          Leider verfolgte auch die Hamas schon einmal unabhängigen Journalismus, auf andere Weise wie die IDF gerade.



          Propaganda können leider beide Seiten ganz gut aufsetzen. Daher ist unabhängiger Journalismus doppelpluswichtig.