Islamistischer Terror und Politik: Anrufung der Linken
Nach den Anschlägen in Paris und Dresden wird das Schweigen der Linken beklagt. Engagement aber lässt sich nicht von der Seitenlinie verordnen.
Wenn ein islamistischer Terroranschlag Europa erschüttert wie der Mord an Samuel Paty bei Paris am vergangenen Freitag, dann wird die Linke angerufen wie der Prophet. Man bescheinigt ihr „zum Großteil Schweigen“ (Sascha Lobo) beziehungsweise ermahnt sie, ihr „unangenehm auffälliges Schweigen“ (Kevin Kühnert) nun endlich zu beenden.
Dabei stellen sich einige Fragen: Wer ist diese Linke? Und wenn das irgendwann einmal geklärt wäre: Wie soll eigentlich ausgerechnet sie, die schon den Kampf gegen Nazis und Klimakatastrophe, gegen Sexismus, Rassismus, Antisemitismus und last, not least den gegen den Klassenkampf von oben auf ihren schmalen Schultern hat, nun sich hauptamtlich auch noch mit dem Islamfaschismus beschäftigen?
Warum fordern gerade ausgewiesene Linke wie Kühnert und Lobo die Linke beredt auf, das Schweigen zu beenden? Ist Antifaschismus nicht, mit Margarete Stokowski gesprochen, „Handarbeit“ oder bildungsbürgerlich gesagt: Hic Rhodus, hic salta: Hier seid ihr Mahner selbst gefragt, den Widerstand zu organisieren und zu mobilisieren.
Wer sich für welches Thema engagiert, seine Freizeit opfert und sich eben sogar in Lebensgefahr begibt – das kann nicht von oben oder von der Seitenlinie verordnet werden. Oft genug müssen sich Aktivistinnen vielmehr von einstigen Verbündeten anhören, die „Zeit der Banner“ sei vorbei: Mit diesen Worten jedenfalls hat Tarek Al-Wazir in Hessen die urgrünen „Danni“-Aktivist:innen „hinausgeschmissen“ (FAZ, 30. 9.).
Lebensfremder Laizismus
Gerade bei der Thematisierung des Islamismus ist die quasi religiöse Beschwörung der Linken à la Peter Alexander – „der Papa wird’s schon richten, der Papa macht’s schon gut, der Papa der macht alles, was sonst keiner gerne tut“ – unscharf. Schauen wir allein in unsere kleine Zeitung, die wir jetzt mal unter „links“ einordnen, so finden wir eine Vielzahl von islamismuskritischen Stellungnahmen, von Deniz Yücel über Ronya Othmann und Cemile Sahin bis hin zu Klaus Ottomeyer und Stephan Grigat.
Die Frage ist also nicht, warum auf der Linken nicht über islamistischen Terror gesprochen wird; sondern die, wer eigentlich zuhört.
Blicken wir ergänzend etwa nach Italien, so muss man feststellen, dass sich die betont laizistische Alt-Linke dort im Wesentlichen mit sich selbst unterhält, während einerseits, und viel berichtet, die Rechtsextremen auch über antimuslimische Propaganda mehrheitsfähig geworden sind, wo aber andererseits in multikulturellen Großstädten wie Mailand der lebensfremde Laizismus von Kathedersozialist:innen überhaupt keine Rolle spielt.
Wie immer, wenn es um Einschüchterung, um Terror geht müssen wir schließlich fragen: Hakt es wirklich beim Aufstand der Anständigen oder nicht vielmehr beim fehlenden Anpacken der Zuständigen? „Wir hätten ihn stoppen können, aber wir haben es nicht gemacht“, lautete das Fazit eines früheren V-Manns der NRW-Polizei im Fall des Berliner Weihnachtsmarktattentäters Anis Amri. „Das Bundesinnenministerium und die Sicherheitsbehörden“, bilanzierte Sabine am Orde in der taz, „scheinen wenig Interesse an grundsätzlicher Aufklärung zu haben.“
Ist die große Anrufung der Linken bei der Bekämpfung des Islamismus also nur ein weiterer Fall von „Framing“, ein billiges Ablenkungsmanöver, um vom Versagen der wirklich Mächtigen abzulenken?
Nein.
Die Realität, in der die Werte der Aufklärung und die Menschen, die mutig für sie einstehen, attackiert werden, ist eben komplex. Anis Amris Flucht endete in einem Vorort von Mailand. Er wurde von einem rassistischen Polizisten erschossen, der auf Instagram mit Hitlergruß posierte.
Wir werden den islamistischen Terror nur bekämpfen können, wenn wir diese Aufgabe nicht an die üblichen Verdächtigen auslagern. Und vor allem werden wir den Kampf verlieren, wenn es nicht gelingt, die islamischen Communities in Europa davon zu überzeugen, dass der Kampf gegen den islamistischen Terror auch ihr Kampf ist. Mehr Analysen, warum das bisher nur eingeschränkt gelingt, und mehr Aktionspläne, wie das gelingen soll – das ist, was wir jetzt brauchen.
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